Es ist erstaunlich, dass ein sprachliches Phänomen bisher nicht im Fokus der Wissenschaft stand, das einen tiefen Einblick in das Denken eines oder mehrerer Völker geben könnte, denn wie schon der Sprachphilosoph Ludwig Wittgenstein sagte: "Die Grenzen der Sprache sind die Grenzen meiner Welt".

Die Sprache ist - so könnte man sagen - nicht nur reines Mittel der Kommunikation, sondern sie prägt auch die Welt bzw. das Denken über die Welt, bzw. über die Wahrnehmung der Welt, die zu beschreiben sie eigentlich gedacht war.

Aber nun zum Kern des Thema, gleich in drei Gruppen von Beispielen (männlich, weiblich, sachlich) und in der Erläuterung der Grundthese, dass eine Tendenz in der deutschen Sprache besteht, große und gefährliche Tiergattungen mit männlichem Artikel zu bezeichnen, hingegen kleine und ungefährliche Tiere mit weiblichem Artikel:

GRUPPE 1: männliche Tiergattungsnamen, also gefährliche und große Tiere

DER Bär; Bären können natürlich Menschen töten und solche Fälle kommen immer wieder vor.

DER Elefant, das größte bzw. schwergewichtigste Land-Säugetier der Erde, das sowohl mit seinen Stosszähnen als auch mit seinen Beinen und seinem Gewicht Menschen töten kann.

DER Pottwal, größtes momentan lebendes Tier der Erde

DER Hai, DER weisse Hai, auch bekannt als DER Menschenhai, weil viele Fälle bekannt wurden, in denen weisse Haie Menschen töteten, eines der gefährlichsten und größten Raubtiere des Meeres. Der Hai spielte in der Wahlkampf-Rhetorik der letzten Zeit eine Rolle als Miethai oder Immobilien-Hai, der bekämpft (Grüne) oder sogar filetiert (Kommunisten) werden sollte.

Eines der ganz wenigen Tiere, das Haie töten kann und selbst kein Hai ist, ist DER Octopus, bzw. DER Achtfüssler:

DER Piranha, ein südamerikanischer Raubfisch, der Tiere tötet und frisst, oft in Rudeln. Auch Angriffe und Fressattacken auf Menschen sind bekannt, wenige davon tödlich.

DER Hecht, einer der größten Raubfische unserer Breiten, der tötet.

Ein absolut interessantes Tier ist DER Zitteraal: 100-250 cm lang verfügt er über die Fähigkeit, Stromstösse mit Spannungen bis 860 Volt zu verteilen, also ca. das Vierfache unseres Stromnetzes, was töten, verletzen oder zumindest verscheuchen kann.

DER Tiger

DER Löwe; DER Tiger und DER LÖWE töten immer wieder Menschen.

DER Panther / DER Jaguar, ein relativ großer Vertreter der Katzenartigen. Fälle, in denen Panther oder Jaguare Menschen töten, kommen immer wieder vor.

DER Adler, DER Kaiseradler, also doppelt männlich DER Kaiser und DER Adler; DER Adler ist zwar ein Raubtier, jagt und tötet aber normalerweise kleinere Tiere, es gibt aber auch Fälle, in denen Adler menschliche Babies rauben und fressen oder kleine Kinder angreifen.

DER Habicht, DER Rotmilan, DER Bussard und DER Falke gehören ebenfalls zu den Greifvögeln, Raubvögeln bzw. Jagdvögeln. Angriffe auf Menschen sind selten und selten tödlich.

DER Geier; Geier sind Fleischfresser, aber eher Aasfresser, Fälle, in denen Geier töten, kommen jedoch vor.

DER Käfer, hier ein Waldmistkäfer. Insekten sind generell eher kleine Tiere, DER Käfer ist viel größer als DIE Ameise, so gesehen auch hier das Schema größere Tiere männlich, kleinere weiblich.

DER Tyrannosaurus, auch hier doppelt männlich: DER Tyrann und DER Saurier, das größte und gefährlichste Land-Raubtier in der Geschichte der Erde; inzwischen ausgestorben und nur mehr als Skelett zu betrachten, oder in computeranimierten Filmen wie "Jurassic Park". In der Bezeichnung "Tyrannosaurus Rex" sogar dreifach männlich: DER König, DER Tyrann und DER Saurier.

DER Hase, größter Vertreter der Lagomorpha, der Hasenartigen.

DER Strauss, die größte Vogelart, flugunfähig, dafür mit sehr kräftigen Beinen, die Menschen töten können.

DER Wolf, ein in Rudeln jagendes und tötendes Raubtier. Ein enger Verwandter des Wolfes ist DER Hund.

DER Spatz, DER Haussperling: es gibt natürlich auch einzelne Fälle, die dem Schema widersprechen, also z.B harmlose Kleinvögel mit männlichem Artikel wie hier "DER Spatz", aber diese sind extrem selten und können den allgemeinen Trend nicht umkehren, der da lautet: große, gefährliche Tiere sind eher männlich; kleine, ungefährliche Tiere eher weiblich.

Auch bei den gefährlichen Großechsen gilt: sie sind fast alle männlich: DER Alligator, DER Waran, DER Kaiman. Die einzige Ausnahme ist DAS Krokodil. Gefährliche Großechsen mit weiblichem Gattungsnamen gibt´s nicht. Dafür gibt´s DIE kleine und harmlose Kröte. Und auch DEN kleinen und harmlosen Frosch.

DER Skorpion: zu den Spinnentieren gehörend, verfügt er über einen Giftstachel. Manche dieser Skorpionarten können mit diesem Gift Menschen töten.

DER Igel ist zwar kein Jäger und ernährt sich von Würmern, Insekten, Larven, etc., kann sich aber seine Stacheln gut verteidigen gegen Fressfeinde wie Füchse, Wölfe.

GRUPPE 2, weibliche Tiergattungsnamen, also der These folgend tendenziell klein und ungefährlich:

DIE Maus

DIE Ratte, schon ein größerer Vertreter der Gattung Nagetier, zwar berüchtigt als Getreideplünderer, aber nicht tödlich für Menschen, außer vielleicht als Krankheitsüberträger.

DIE Ente

DIE Gans

DIE Amsel, DIE Drossel ernähren sich zwar von Würmern oder Ähnlichem, sind aber für Menschen ungefährlich.

DIE Taube ist nicht nur ein harmloses Tier, sondern die Taube ist als Friedenstaube auch das Symbol des Friedens und der Gewaltlosigkeit. Ein klarer Ausdruck für das von der Sprache miterzeugte gedankliche Schema Krieg-Gewalt-Männlich versus Frieden-Gewaltlosigkeit-Weiblich.

DIE Gazelle, ein filigraner Pflanzenfresser bzw. Grasfresser, ungefährlich für Menschen.

DIE Antilope, auch Pflanzenfresser, bzw. Grasfresser, ungefährlich für Menschen.

DIE Giraffe: zwar das höchste Land-Säugetier der Welt, aber ein relativ harmloser Pflanzenfresser, ohne Waffen (Stosszähne, Stacheln oder Hörner) und ohne Panzer.

DIE Forelle, ernährt sich von Kleininsekten, völlig ungefährlich für Menschen.

DIE Ameise

DIE Biene; Bienenstiche sind zwar unangenehm, aber nicht tödlich, außer für die Biene.

DIE Spinne, hier verschiedene Spinnenarten: namensgebend für die Spinnen war das Spinnen, also das Anfertigen von Spinnweben, was man so sehen kann, dass der Umgang mit Textilien (also Weben, Spinnen, Nähen, Stricken und Häkeln) zur Namensgebungszeit eher Frauensache war, was eben auch im Namen "DIE Spinne" zum Ausdruck kommt; des weiteren könnte man vermuten, dass abfällige Begriffe wie "Das Herumspinnen" oder "Du spinnst!" einen umgekehrten frauenfeindlichen Sexismus aus der Sprache heraus bedeuten.

Erst lange nach der Namensgebung wurden große, früher fern lebende, nicht spinnende Spinnen, z.B. gefährliche Giftspinnen bekannt, wie die Tarantel.

DIE schwarze Witwe; die Giftmörderin Blauensteiner wurde in den Medien als "schwarze Witwe" bezeichnet, ein Indiz, dass Tiernamen und Betrachtung von Menschen aufeinander rückwirken.

DIE Schlange, hier gilt Ähnliches, namensgebend waren europäische Schlangen, erst lange nach Namensgebung wurden fern lebende, gefährliche Großschlangen bekannt, wie DIE (indische) Königskobra. Die frühere FPÖ-Obfrau und Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer wurde als "Haiders Königskobra" bezeichnet, nachdem sie Haider-Kritiker abgesetzt hatte, auch das ein Hinweis, dass Tiernamen und die Sicht auf Menschen wechselwirken. Die Königskobra ist sprachlich gesehen eine männliche-weibliche Mischung: "DIE Kobra DES Königs" Es heisst nicht die "Königinnen-Kobra". DIE Königskobra tötet so gesehen im Auftrag des Königs und ist sprachlich nur ausführendes Instrument einer männlichen Tötungs-Entscheidung.

DIE Boa Constrictor Imperator: eine der größten Schlangen der Welt, ungiftig, aber bis zu 5 Meter lang, mit einem kräftigen Körper, der umschlingen und würgen/erwürgen kann. Auch von der Begrifflichkeit her gemischt, zwar DIE Boa, aber DER Constrictor/DER Würger und DER Imperator/DER Kaiser. Also ähnlich wie die Königskobra die Kaiser-Würger-Boa oder DER Boa-Würger-Kaiser.

DIE Katze, die kleinste Vertreterin der Felidae, keine potenzielle Menschenfresserin wie ihre Artgenossen DER Tiger und DER Löwe.

DIE Milbe, wie DIE Bakterie und DIE Mikrobe ein kleines Tier, das eher ungefährlich ist und maximal eine Hausstaubmilbenallergie auslösen kann.

DIE Schildkröte ist langsam und wenig gefährlich, aber sie besitzt einen Panzer, der sie vor den (meist männlichen) Fressfeinden schützt.

GRUPPE 3: sachlich, Artikel "DAS"

DAS Rind

DAS Schwein

DAS Nashorn; eigentlich ein großes und gefährliches Tier, das so gesehen einen männlichen Artikel "verdienen" würde, aber der sachliche Artikel "DAS" leitet sich wohl von namensgebenden "DAS Horn" auf der Nase ab.

DAS Pferd

DAS Virus/ DER Virus. Ein kleines, aber durchaus tödliches Tierchen, bzw. Sächelchen. Mit dem "-us" hat es zwar eine lateinisch-männliche Endung, wird aber sowohl mit sachlichem als auch mit männlichem Artikel bezeichnet. Auf jeden Fall sagt man nicht "DIE Virus".

Laut zahlreichen Kriminalstatistiken sind 70% der Opfer nicht-sexueller Gewalt männlich. Aber in den Medien spielen diese männlichen Opfer von Gewalt und diese Verbrechensart keine besondere Rolle, medial dominieren die Vergewaltigungen und die sexuelle Gewalt und damit die Männer als Täter und die Frauen als Opfer; vielleicht weil von Männern aufgrund unserer Kultur erwartet wird, dass sie sich verteidigen können, bzw. dass sie das aushalten, Gewaltopfer zu werden und weil zweitens vielleicht die Tiergattungsnamen das festschreiben oder verfestigen, was der wegen Vergewaltigung fälschlich beschuldigte und angeklagte, aber dann nach teurem und existenzgefährdendem Prozess nur im Zweifel freigesprochene deutsche Journalist Jörg Kachelmann das "Opfer-Abo der Frau in unserer Gesellschaft" nannte (dieser Begriff des "Opfer-Abos der Frau" wurde übrigens von einer SprachwächterInnen-Kommission zum "Unwort des Jahres" erklärt, was quasi einem diktatorischen Begriffsverwendungsverbot gleichkommt):

auch in der Tierwelt ist es so, dass z.B DER Löwe DIE Gazelle jagt, tötet und frisst. Die Rolle des Männlichen als Täter und des Weiblichen als Opfer wird durch die Tiergattungsnamen präformiert und festgeschrieben. Das Strafgesetzbuch, das immer nur von "Der Täter" spricht und in dem "Die Täterin" nicht vorkommt, tut ein übriges.

Zum Abschluss:

Auf Youtube gibts ein Video zu "DER Leopard jagt, reisst, tötet, frisst DIE Gazelle", Mann-als-Täter-Frau-als-Opfer-Schema, rein sprachlich gesehen.

Österreichische Strafgesetzbuchstelle, in der nur von "DER Täter" die Rede ist, nicht jedoch von "DIE Täterin"

"Vorsatz § 5.

(1) Vorsätzlich handelt, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, daß der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet.

(2) Der Täter handelt absichtlich, wenn es ihm darauf ankommt, den Umstand oder Erfolg zu verwirklichen, für den das Gesetz absichtliches Handeln voraussetzt.

(3) Der Täter handelt wissentlich, wenn er den Umstand oder Erfolg, für den das Gesetz Wissentlichkeit voraussetzt, nicht bloß für möglich hält, sondern sein Vorliegen oder Eintreten für gewiß hält."

Während viele (nicht alle) Kämpferinnen um die sprachliche Gleichbehandlung bei positiven Bezeichnungen sich für das Gendern einsetzen, z.B. dafür, PolitikerInnen, RichterInnen, ÄrztInnen, etc. sagen zu müssen, fehlt dieser sprachliche Gleichbehandlungswille bei den Tätern, bzw. TäterInnen völlig.

Diese feministische Doppelmoral ist somit ein Beitrag zur Festschreibung des Mannes als Täter und der Frau als Opfer in unserer Gesellschaft und in unseren Medien.

Klar können SprachwissenschafterInnen unterscheiden zwischen grammatikalischem Geschlecht, bzw. Gattungsnamengeschlecht und biologischem Geschlecht, aber es sind eben nicht alle Leute so bewusst, dass sie bei einem Video, das eine Leopardin zeigt, mit dem Titel "Leopard tötet Gazelle" mitbedenken, dass damit nur der Gattungsname gemeint sein könnte, aber nicht das biologische Geschlecht.

P.S.: dies ist eine Wiederveröffentlichung eines gelöschten Blogs (mit minimalen Änderungen), den ich im Jahr 2020 schrieb, und der aus welchen Gründen auch immer von wem auch immer (von mir nicht!) gelöscht wurde. Diese Löschung steht möglicherweise in Zusammenhang mit Bildrechten, dazu demnächst wohl ein weiterer Blog.

Konsi92/pixabay https://pixabay.com/photos/bear-brown-bear-beast-teddy-bear-5346723/

Nachtrag: der männerfeindliche Sexismus, der durch die Tiergattungsnamen verfestigt wird, hat auch einen kleinen frauenfeindlichen Sexismus in einem ganz kleinen Bereich, dem militärischen, zur Folge. Dadurch, dass die gefährlichen Tiere fast ausschließlich männliche Tiergattungsnamen haben, aber die harmlosen, friedlichen Tiere weit überwiegend weibliche Tiergattungsnamen, kann vielleicht insbesondere im deutschsprachigen Raum der Eindruck entstehen, nur Männer seien militärisch geeignet, aber Frauen nicht.

Dem widerspricht zum Beispiel, dass die laut offiziellen Statistiken erfolgreichste Person, was Scharfschützentätigkeit im Zweiten Weltkrieg betrifft, eine Frau war, nämlich die Sowjetbürgerin Pawlitschenko.

In der polnischen Armee im zweiten Weltkrieg gab es Generalinnen, wie Zawacka, während in Nazideutschland die prominenteste militärnahe Frau Hanna Reitsch als Testpilotin für Militärflugzeuge gewesen sein dürfte. Apropos Nationalsozialismus: die Nazis hatten eine Vorliebe für die Tiere mit männlichem Tiergattungsnamen: Hitler nannte den Führerbunker Wolfsschanze, benannt nach dem Wolf, und Kampfgruppen hiessen oft "Wolfsrudel", nach den Wolfsrudeln, die in Gemeinschaft jagen und töten. Deutsche Kampfpantzer hiessen sowohl im Nationalsozialismus als auch danach vorzugsweise nach Raubtieren mit männlichen Tiergattungsnamen: der Leopard, der Königstiger, der Panther, der Tiger, der Luchs, etc.

Ich schreibe das in der Woche, in der die deutsche Verteidigungsministerin Lamprecht zurücktrat bzw. zurücktreten musste, und ein Mann in dieser Funktion nachfolgte.

Gesellschaftliche Stereotype, die vielleicht auch durch die Sprache miterzeugt werden, können auch den Effekt haben, dass Personen sich entsprechend des Geschlechterstereotyps verhalten MÜSSEN. Und Deutschland-Verteidigungsministerin Lamprecht musste vielleicht zurücktreten, weil sie sich aufgrund eines auch durch die Sprache erzeugten Geschlechterstereotyps zu friedensorientiert und zuwenig auf einen militärischen Erfolg hingerichtet verhalten hatte MÜSSEN.

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invalidenturm

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