Bei der Einstufung von Aussagen als "sexistisch" scheint eine gewisse Beliebigkeit einzureissen. So rückte das Medium "heute" (in seinem Papier-Artikel, nicht in seinem Online-Artikel !) den Begriff "Wichsvorlage" in Bezug auf Landwirtschafts- und Umweltministerin Köstinger in die Nähe von Sexismus und Hassposting.

ich würde eher umgekehrt argumentieren: das Posting ist nicht sexistisch und nicht automatisch ein Hassposting, aber sachlich unrichtig, weil Köstinger-Fotos als "Wichsvorlage" auch über erzkonservative Kreise hinaus brauchbar sein könnten.

Eine andere Frage ist die der Schichtung: zornerfüllte Postings könnten nicht Köstinger als Frau, sondern Köstinger als Mitglied einer schwarz-blauen Regierung gelten. "Fett" und "G´stopft" sind in Unterschichtkreisen bis zu einem gewissen Grad verbreitete Bezeichnungen für Bürgerliche ...

Das mit der "Wichsvorlage" ist natürlich derbe Männersprache ("locker-room-talk", wie US-Präsident Trump sagen würde), aber ist es deswegen automatisch sexistisch und hasserfüllt ? Eher nein. Mit dem Begriff des "Locker-Room-Talk", des Geredes in geschlechtergetrennten Umkleidekabinen, thematisierte Trump die Verstecktheit und das Abgedrängtsein-in-den-Untergrund der Männersprache. Was an und für sich ungewöhnlich ist für eine protestantische Kultur mit offener Beichte im Unterschied zur Beichtstuhlbeichte unter vier Augen im Katholizismus. Der Begriff des Locker-Room-Talk-Begriff bezog sich auf die Trump-Aussage "If you´re a star, you can grab them by the pussy", der - viele Jahre bzw. Jahrzehnte alt - im US-Wahlkampf hochgezogen und thematisiert und skandalisiert wurde, vielleicht genau mit kontraproduktivem Effekt: während die US-Demokraten wohl dachten, das könnte Clinton nutzen und zum Wahlsieg verhelfen, so war es vielleicht genau umgekehrt und verhalf Trump zum Wahlsieg.

Man könnte genauso umgekehrt argumentieren: wer sich mithilfe einer Wichsvorlage selbstbefriedigt, der braucht keine Vergewaltigung mehr, um sich zu befriedigen. Man nennt das den "kathartischen Effekt".

Ist "fett, nachdem sie geworfen hat" automatisch sexistisch, frauenfeindlich und erniedrigend ?

Nicht unbedingt, würde ich sagen.

Der Begriff des "Werfens" wird an und für sich eher für das Gebären in der Tierwelt verwendet, und steht daher durchaus wie viele Mensch-Tier-Vergleiche im Verdacht, abwertend zu sein, aber man kann es so sehen, dass mit diesem Mensch-Tier-Vergleich auch Köstingers Mann als Tier dargestellt wird, das am Wurf beteiligt war, sodass der Begriff des "Werfens" als solcher nicht automatisch frauenfeindlich oder frauenabwertend sein muss.

Auch was den Frauen-Schlankheitswahn in unserer Gesellschaft betrifft, der auch im "fett" zum Ausdruck kommt, so hat dieser eine gewisse Problematik, aber auf der anderen Seite werden dünne Männer oft als "dürr" oder "Z´Niachterl" bezeichnet, was auch eine Abwertung ist, die aber von den Medien überhaupt nicht thematisiert wird.

Somit stellt sich die Frage, ob der wahre Sexismus in unserer Gesellschaft der ist, dass Abwertung von Männern kein Thema ist, hingegen Abwertung (oder vermeintliche Abwertung) von Frauen sehr wohl.

Dass Frauen nach einer Schwangerschaft durchaus einige Kilogramm mehr haben können, als vor der Schwangerschaft, ist eigentlich nichts ungewöhnliches, aber die Medienwelt mit Magermodels, etc. schafft hier einen falschen Eindruck und schafft auch falsche Schönheitsideale. Dafür sollte man aber wohl eher die Medien kritisieren und nicht die Männer, die durch dieses von den Medien diktierte Schönheitsideal einen falschen Eindruck haben.

http://www.heute.at/politik/news/story/-Fett---Ministerin-kontert-Hass-im-Netz-53890379

Laut Duden heisst es übrigens "Wichsvorlage", "Wixvorlage" ist laut Duden grammatikalisch höchst unkorrekt.

Und laut Duden heisst es auch "Wichsvorlage", nicht "W...vorlage", wie "heute" schreibt, mit drei Punkten, was darauf hindeutet, dass "heute" an die ganz seltene Schreibweise "Wixxvorlage" gedacht haben könnte.

https://www.duden.de/suchen/dudenonline/Wichsvorlage

Auch bei den rechtlichen Handhaben sieht es relativ dürftig aus: ohne Klarnamenspflicht ist eine effektive Verfolgung von Hass-Postern wohl unmöglich. Und die erste Welle an Prozessen gegen Klarnamensposter dürfte einzig und alleine dazu führen, dass die Leute mehr FakeAccounts anlegen, um mit Falschnamen posten zu können.

Ich hatte im Rahmen einer Uni-ÖAW-Veranstaltung eine Meinungsverschiedenheit mit Maria Windhager, der Anwältin von Eva Glawischnig und Sigrid Maurer. Erst äußerte ich, dass es mich wundert, dass niemand am Podium und niemand auf der ganzen Veranstaltung Dinge wie Klarnamenspflicht, FakeAccounts und Falschnamensregistrierung erwähnte, und dass ohne Klarnamenspflicht Medienrecht und Strafgesetzbuch in diesem Bereich sich als ziemlich nutzlos und sinnlos erweisen könnten.

Windhager widersprach mir, und meinte, dass sie zahlreiche Prozesse gegen Klarnamensposter gewonnen hätte, aber wieder erwähnte niemand die Möglichkeit, dass die erste Welle an Prozessen gegen Klarnamensposter einzig und alleine bewirken könnte, dass fast Alle auf FakeAccounts umsteigen, und die Anzahl der Hasspostings im Netz völlig konstant bleibt (oder sogar steigt), die Hasspostings durch Klarnamen stark sinken, hingegen die Hasspostings durch FakeAccounts stark steigen könnten, wie immer man "Hassposting" auch definieren mag.

Alles in Allem ist dieses Hassposting-Thema, insbesondere solange Klarnamenspflicht fehlt, vielleicht nur eine Geldbeschaffungsaktion für Anwälte und Anwältinnen.

Laut einer Statistik stammen 60% aller Artikel zum Thema Hassposting von Juristen und Juristinnen, während die Politikwissenschafter, Soziologen und Internetexperten sich zu diesem Thema praktisch aus der Publikation ausgeklinkt haben.

Generell stellt sich die Frage, ob die Verjuristisierung des Themas der angeblichen oder wirklichen Hasspostings, die in vielen Fällen eher Zornpostings zu sein scheinen, auch eine neoliberale Entpolitisierung ist.

https://www.welt.de/vermischtes/plus182169604/Rowan-Atkinson-Ohne-das-Recht-auf-Beleidigung-gibt-es-keine-freie-Rede-mehr.html

Beleidigungen gehören zur Meinungsfreiheit: Rowan Atkinson

CC BY SA 2.0 / zug.gem. Eva Rinaldi / Atkinson https://de.wikipedia.org/wiki/Rowan_Atkinson#/media/File:Rowan_Atkinson,_2011.jpg

3
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Claudia56

Claudia56 bewertete diesen Eintrag 17.10.2018 17:27:25

Tourix

Tourix bewertete diesen Eintrag 17.10.2018 12:52:27

Dieter Knoflach

Dieter Knoflach bewertete diesen Eintrag 17.10.2018 12:48:56

55 Kommentare

Mehr von Dieter Knoflach