Eine Anti-Atomwaffen-Initiative, nämlich ICAN, hat den Friedensnobelpreis erhalten.

http://derstandard.at/2000065465556/Friedensnobelpreis-fuer-Anti-Atomwaffenaktivisten

Da Österreich sowieso eine treibende Kraft von Atomwaffenverbotsbestrebungen ist und die diesbezügliche Meinung in Österreich Mainstream ist und abweichende Meinungen normalerweise nicht vorkommen, möchte ich einmal andere Argumente erwähnen:

1.) Es gibt die Theorie, dass atomare Waffen einen abschreckenden Effekt haben und konventionelle Kriege verhindern. Wäre der Kalte Krieg (ca. 1948-1991) mit Ausnahme der getöteten Spione in Europa opferlos geblieben, wenn es das "Gleichgewicht des atomaren Schreckens" nicht gegeben hätte ?

2.) Wie sollen sich Staaten verteidigen, die konventionell krass unterlegen sind ? Ein Beispiel wäre Israel, das im Vergleich zu den benachbarten arabischen Staaten in bezug auf Mannstärke und Bevölkerung krass unterlegen ist. Wäre Israel in der Lage, sich ohne Atomwaffen zu verteidigen ? Wahrscheinlich eher nicht.

3.) Hiroshima und Nagasaki waren die bisher einzigen Einsätze von Atomwaffen in Kriegszeiten. Allerdings, was wäre die Alternative dazu gewesen, Japan durch Atomwaffeneinsatz zur Kapitulation zu zwingen ? Eine konventionelle Invasion, die möglicherweise wesentlich mehr Todesopfer erfordert hätte ?

4.) Das momentane Säbelrasseln zwischen Nordkorea und den USA dominiert im Moment die Diskussion und war vielleicht ausschlaggebend für die Nobelpreisverleihung. Nordkorea ist ein Fall, in dem vermutlich die Verhinderung eines "Regime Change" a la Irak (Saddam Hussein) oder Libyen (Muammar Gaddafi) das Hauptmotiv sein dürfte. Der Libyenkrieg und Gaddafisturz passierte deswegen, weil Gaddafi auf sein Atomwaffenprogramm verzichtet hatte. Und der Irakkrieg hätte wahrscheinlich nicht geführt werden können, wenn Saddam Hussein durch zahlreiche Ereignisse (Kuwaitkrieg, Sanktionen) nicht gehindert worden wäre, Atomwaffen zu entwickeln.

5.) Nukleare Proliferation: angenommen, der Nordirak ist erfolgreich damit, Atomwaffen anzustreben. Was wird der Folgeeffekt sein ? Werden zahlreiche andere Kleinstaaten in etwa der Größe Nordkoreas anstreben ? Und wie instabil wird eine Welt sein, in der z.B. hundert Staaten Atomwaffen haben ?

6.) Die Modernisierung von Atomwaffen positiv oder negativ ? Modernisierung von Atomwaffen kann auch dazu führen, dass Unfälle und unabsichtliche Explosionen von Sprengköpfen unwahrscheinlicher werden. Daher die Modernisierung von Atomwaffen als negativ zu betrachten, erscheint mir problematisch.

7.) Ein Aktivist bzw. eine Aktivistin der Nobelpreiserhaltenden Initiative sagte in einem Interview, das wirkliche Ziel sei eine Reduktion der Sprengköpfe. Ich stimme insofern überein, als sowohl die Arsenale von USA als auch von Russland unötig groß sind, und gerade diese beiden Staaten einen unnötig großen Vorsprung vor anderen Atommächten haben. Einer Begrenzung der atomaren Rüstung kann man zustimmen.

8.) Die Erpressbarkeit: angenommen, es gäbe eine völlig atomwaffenfreie Welt. Dann hätte ein Regelbrecher, egal, ob Staat oder Miliz, ein atomares Monopol und damit ein großes Erpressungspotenzial. Es gibt weltweit nirgendwo eine waffenfreie Polizei; das Gewaltmonopol des Staates entspricht in gewisser Weise dem Atommonopol einiger weniger Atommächte (und gerade der UNO-Sicherheitsrat mit seinen fünf Vetomächten, die allesamt gleichzeitig Atommächte sind, ist so gesehen eine Verkörperung des Großmächtekonzerts).

9.) Inspektionen und überprüfte Vernichtung: selbst wenn alle derzeit existierenden Atomwaffen überwacht vernichtet werden, wer garantiert, dass nicht neue hergestellt werden ? Auch Inspektionen a la Iran sind mangelhaft und scheitern oft an Geld- und Personalmangel.

10.) Politische Konflikte werden durch Verbote einzelner Waffenkategorien nicht aus der Welt geschafft. Alleine beim Völkermord bzw. Bürgerkrieg in Ruanda in den 1990er Jahren dürften mehr Menschen durch Macheten (also quasi Buschmesser) getötet worden sein als in der Geschichte der Menschheit durch Atomwaffen.

https://de.wikipedia.org/wiki/V%C3%B6lkermord_in_Ruanda

11.) Es hat in der Geschichte noch kein einziges Mal einen Krieg bzw. einen kriegerischen Atomwaffeneinsatz gegeben, wenn beide Seiten Atomwaffen hatten. Manche Beobachter meinen, eben deswegen, weil Atomwaffen zu schrecklich seien, um sie tatsächlich einzusetzen. So gesehen könnten Atomwaffen stark drohungsorientiert sein.

https://de.wikipedia.org/wiki/Gleichgewicht_des_Schreckens

0
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
0 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

2 Kommentare

Mehr von Dieter Knoflach