Wie Medien und Kriminalstatistiken den Kriminelle-Afghanen-Rassismus erzeugen

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"Ich traue prinzipiell keiner Statistik, die ich nicht selbst gefälscht habe", lautet ein Sprichwort, das auf Manipulationstricks mit Statistiken hinweist.

Der heutige Bezug dazu ist: Medien sind voll mit Behauptungen in Artikeln oder Leserbriefen, Afghanen seien um ein Vielfaches, ein Siebenfaches "krimineller" als "eingeborene" Österreicher.

Schauen wir uns einmal anhand eines fiktiven, aber wirklichkeitsnahen Beispiels an, wie diese Statistiken, die sich auch in amtlichen Veröffentlichungen widerspiegeln, beispielsweise der vom Bundesministerium für Inneres veröffentlichten Kriminalstatistik, zustandekommen:

Es gibt 8 Millionen ÖsterreicherInnen und 182.000 angezeigte Delikte, bei denen ein Österreicher (meist ein Mann) verdächtigt wird, also 22.750 Delikte pro Million.

Es gibt in Österreich eine Millionen Nicht-ÖsterreicherInnen und 122.000 angezeigte Delikte, bei denen ein Nicht-Österreicher verdächtigt wird, also 122.000 Delikte pro Million.

Sodass der (falsche) Eindruck entstehen kann, Nicht-Österreicher seien um ca. das Fünfeinhalbfache krimineller als Österreicher.

Es gibt in Österreich 40.000 AfghanInnen und 6.250 angezeigte Delikte, bei denen ein Afghane verdächtig ist, also 156.250 pro Million, was das ca. 7-fache der Österreicher ausmacht.

Allerdings verändert sich diese Statistik stark, wenn man genauer betrachtet, denn Kriminalität (zumindest die angezeigte) ist überrepräsentiert bei einkommensschwachen Männern zwischen 15 und 50 Jahren.

Betrachtet man nur den männlichen Teil der Wohnbevölkerung, so sinkt die auf den Anzeigen beruhende geschätzte Ausländer-Kriminalität auf das Dreieinhalbfache der österreichischen Kriminalität Und die Afghanenkriminalität auf das ca. 4-Fache der Österreicher-Kriminalität.

Betrachtet man Männer zwischen 15 und 50 Jahren, so sinkt die Nicht-Österreicher-Kriminalität auf das Zweieinhalbfache der Österreicherkriminalität, und die Afghanenkriminalität auf das 3.2-fache der Österreicherkriminalität.

Betrachtet man einkommensschwache Männer zwischen 15 und 50, so sinkt die Nicht-Österreicher-Kriminalität auf das 1.4-Fache der Österreicher-Kriminalität, und die Afghanenkriminalität auf das 2.1-Fache der Österreicher-Kriminalität.

Natürlich spielt der Faktor Kultur (in diesem Fall afghanische, islamische Kultur) bzw. Kulturdifferenz eine Rolle, aber dass der Faktor Kultur ALLEINE für dieses 1:7-Verhältnis verantwortlich sei und keine anderen Faktoren existieren würden, ist mit Sicherheit falsch.

Die anfänglich behauptete 7-fache Afghanenkriminalität scheint sich großteils deswegen zu ergeben, weil die kriminalitätsgeneigteste Gruppe, nämlich die einkommensschwachen Männer zwischen 15 und 50 Jahren bei den Afghanen einen viel höheren Anteil hat (nämlich 48%) als bei Österreichern (nämlich 19%).

Die Gesamtzahlen zu vergleichen, aus denen sich der falsche Eindruck der Siebenfachen Afghanenkriminalität ergibt, ist also in etwa so, als würde man einkommensschwache afghanische Männer im Alter zwischen 15 und 50 Jahren mit österreichischen, reichen, alten Witwen und österreichischen kleinen Mädchen aus wohlhabendem Hause vergleichen. Man vergleicht also Äpfel mit Birnen, inwieweit absichtlich oder aus Dummheit oder aus anderen wenig ehrenhaften Gründen, möchte ich einmal dahingestellt lassen.

Aber das ist noch nicht alles: viele, die sich mit dem Thema der Kriminalsoziologie auseinandersetzen, gehen davon aus, dass Ausländer eher angezeigt werden als Inländer.

Aber das sind - soweit ich das momentan überblicke - Schätzungen bzw. Graufeldanalysen, für die es aber plausible Argumente gibt.

Das könnte bedeuten, dass auch der von Medien und amtlichen Kriminalstatistiken erzeugte Rassismus eben die unterschiedlichen Anzeigehäufigkeiten erzeugt, die dann wiederum die Statistiken beeinflussen und den Rassimus schein-bestätigen. Die Behauptung könnte daher zumindest zum Teil eine Watzlawick´sche "selbsterfüllende Prophezeihung" sein, oder ein Beispiel für Konstruktivismus, der in seiner radikalen Interpretation die Existenz einer objektiven Wirklichkeit in Abrede stellt. Konstruktivismus könnte in diesem Fall heissen, dass die Medien nicht über die Wirklichkeit berichten, sondern diese Wirklichkeit durch ihre Artikel schaffen.

In der Kriminalstatistik des BMI bis 2019 findet sich nur, bzw. an erster und hervorragendster Stelle das Kriterium der Staatsbürgerschaft; nicht, bzw. weniger betont aber die Kriterien des Geschlechts, des Alters, und gar nicht das der Einkommensschwäche.

Sodass sehr leicht der falsche Eindruck entstehen kann, Kriminalität sei eindeutig mit Staatsbürgerschaft gekoppelt, aber nicht mit anderen Kriterien, wie zum Beispiel Armut, Einkommensschwäche, Geschlecht, Drogen oder Alter.

Für das Jahr 2020 hat das BMI in seinen Publikationen diese problematische Art der Datenaufarbeitung heimlich verändert, wofür vielleicht die grüne Regierungsbeteiligung (die die FPÖ-Regierungsbeteiligung ersetzte) oder der Fall George Floyd mit der anschliessenden Debatte rund um "systemischen Rassismus" verantwortlich sein könnte.

Auf jeden Fall findet sich weder in den aktuellen noch in den früheren Publikationen der Hinweis, dass diese Daten einseitig sein könnten, und dass man mit Schlussfolgerungen (wie der der um ein Siebenfaches höheren Ausländer- bzw. Afghanenkriminalität) vorsichtig sein sollte, und warum, bzw. welche Daten und Kriterien fehlen.

In anderen Publikationen, beispielsweise des IHS, finden sich solche Warnhinweise vor voreiligen Schlussfolgerungen sehr wohl.

In Deutschland ist diese Debatte stärker verbreitet:

Eine Zeitungs-Überschrift "Afghane beging Einbruch" mit fünffacher Nennung der Nationalität im Artikel setzt einen ganz anderen Akzent, als eine Überschrift "30-jähriger Mann beging Einbruch" oder "Einkommensschwacher beging Einbruch" mit einfacher Nennung der Nationalität im Artikel.

Auch die Überschrift "Afghane vergewaltigt Frau" erweckt einen ganz anderen Eindruck (als sei die afghanische Kultur die Vergewaltigungsursache) als die Überschrift "Mann, der wegen Männerüberschuss keine Ehefrau bekommen kann, vergewaltigt Frau".

Und seit 2015 haben wir in Österreich bzw. Mitteleuropa einen stark gestiegenen Männerüberschuss (Anstieg von 0.4% in der Alterskohorte der 15-40-Jährigen auf ca. 5%).

Die Männerüberschussforschung besagt, dass die damit zusammenhängende Kriminalität ein globales, bei Vertretern aller Kulturen anzutreffendes Phänomen sei, keines, das auf eine einzige Kultur beschränkt ist.

Zusätzlich zur Incel-Frage (Involuntary Celibate/unfreiwilliges Zölibat) stellt sich die Frage, ob staatliche Arbeitsverbote, wie sie für Flüchtlinge/Asylwerber gelten, Kriminalitätsursache sind, bzw. wie oft. Arbeitsverbot bedeutet einerseits viel Zeit und andererseits dennoch Bedürfnis, sich so manches zu leisten, was man sieht und durch Werbung vor Augen hat, aber sich wegen des Arbeitsverbots nicht leisten kann. Auch bei der arbeitsverbotsbedingten Kriminalität von Asylwerbern ist es nicht die Herkunftskultur, die die Kriminalität erzeugt.

Die 2.1-fache Afghanenkriminalität nach obiger Statistik kann man auch anders sehen: wenn beispielweise 99 von 100 Österreichern nicht-kriminell sind, aber ca. 98 von 100 Afghanen, dann ist (obwohl die Afghanenkriminalität dann doppelt so hoch ist) die Nicht-Kriminalität von Österreichern nur um 1% höher als die von Afghanen. Allerdings kann man diese Darstellung der 1%ig-erhöhten Nichtkriminalität praktisch nie in Medien finden.

Eine weitere Schwäche dabei sind Mehrfachverbrechen durch dieselbe Person, bzw. mehrere Anzeigen gegen dieselbe Person, die in der Statistik als mehrere Anzeigen verbucht werden, und fälschlicherweise dann als Kriminalität mehrerer Ausländer oder mehrerer Afghanen interpretiert werden, obwohl es sich um einen Einzelnen handelt.

Ein Beispiel dafür kann z.B. ein Krone-Artikel gesehen werden, der mit dem Satz beginnt: "Jeder fünfte Afghane in Österreich gerät mit dem Gesetz in Konflikt." 6.000 Anzeigen mit einem Afghanen als Verdächtigen bei 40.000 Afghanen bedeutet erstens, dass die Anzeigenzahl ein Siebtel der Afghanenzahl beträgt, nicht ein Fünftel, und es kann sich auch dadurch ergeben, dass gegen 50 Afghanen jeweils 120 Anzeigen erfolgten, womit die Afghanenkriminalität 0.1% wäre, nicht die behaupteten 20%. Außerdem kann "mit dem Gesetz in Konflikt" auch Bagatelldelikte bedeuten, die bei Inländern gar nicht erwähnt werden würden.

Aber mit dieser (korrekten) Art von Darstellung kann man keine rassistische Stimmungsmache betreiben.

Ein weiterer Aspekt ist, dass Kriminalität oft innerhalb der Gruppe bleibt, also dass Ausländern eher Verbrechen gegen Ausländer begehen, womit die nahegelegte Gefahr für Österreicher/Inländer sich eher relativiert.

Rassismuserzeugung durch Medien und irreführende amtliche Kriminalitätsstatistiken haben natürlich auch Einfluss auf Wahlen, d.h. durch den falschen Eindruck werden auch Wahlergebnisse erzeugt, die auf falschen Voraussetzungen beruhen.

Somit stellt sich bei den irreführenden Statistiken auch die Frage der Illegalität:

denn laut §263 öst. Strafgesetzbuch ist "Täuschung bei einer Wahl" illegal: "Täuschung bei einer Wahl oder Volksabstimmung

§ 263. (1) Wer durch Täuschung über Tatsachen bewirkt oder zu bewirken versucht, daß ein anderer bei der Stimmabgabe über den Inhalt seiner Erklärung irrt oder gegen seinen Willen eine ungültige Stimme abgibt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen."

So gesehen handel(te)n Medien und Innenministerium möglicherweise illegal, indem sie Daten auf eine irreführende solche Art und Weise aufbereit(et)en.

https://kurier.at/chronik/oesterreich/so-kriminell-sind-auslaender-wirklich/250.253.044

https://bundeskriminalamt.at/501/files/Broschuere_PKS_2019.pdf

Alleine schon die starke Vertretung von Begriffen wie "Ausländerkriminalität" bei gleichzeitiger Seltenheit von Begriffen wie "Männerkriminalität", "Armenkriminalität", "Jugendkriminalität" kann einen falschen Eindruck erzeugen, spielen doch Geschlecht, Alter und Armut/Einkommen als Verbrechensursache auch eine sehr wesentliche Rolle, vielfach eine größere als Nationalität.

Und es ergibt sich natürlich eine Henne-Ei-Problematik: ähnlich wie bei der Frage, ob die Henne oder das Ei zuerst war, kann man die Frage stellen, ob erst die Ausländerkriminalität als Ursache da war, und ob die rassistische Berichterstattung die Folge ist, oder ob und inwieweit die rassistische Berichterstattung die Ursache für Ausländerkriminalität ist: wer sich ausgegrenzt fühlt und wegen der Ablehnung der ansässigen Bevölkerung keine Chance auf Integration sieht, der ist auch eher geneigt, Verbrechen zu begehen, aus mehreren Gründen. Auch die abschreckende/ generalpräventive Wirkung (z.B. einer Abschiebung in ein Krisengebiet) verschwindet, wenn der Betreffende das Gefühl hat, sowieso früher oder später abgeschoben zu werden und eben deswegen Verbrechen begeht.

In diesem Sinne sind Straferhöhungen oder Abschiebungsdrohungen, wie von Rechtsparteien oft durchgesetzt oder versprochen, eben vielfach unwirksam.

https://www.vienna.at/kriminalsoziologe-kreissl-auslaender-sind-insgesamt-nicht-krimineller-als-inlaender/4717797

https://cms.falter.at/blogs/thinktank/2019/04/08/auslaender-in-der-kriminalstatistik-integration-gescheitert/

https://www.vienna.at/kriminalstatistik-2018-weniger-einbrueche-aber-mehr-vergewaltigungen/585588

https://www.vienna.at/werden-afghanen-ueberdurchschnittlich-oft-straffaellig-ein-faktencheck/7045470

https://epub.oeaw.ac.at/9783700188155

https://www.zhaw.ch/storage/shared/sozialearbeit/News/gutachten-entwicklung-gewalt-deutschland.pdf

https://www.sexuellegewalt.at/informieren/zahlen-fakten/

https://ales.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/p_ales/Projekte/STUDIE_Screening_Mordfaelle_FINAL.pdf

https://www.washingtonpost.com/graphics/2020/national/george-floyd-america/systemic-racism/

https://de.wikipedia.org/wiki/Institutioneller_Rassismus

Pixabay License / Gentle07 https://pixabay.com/de/photos/crime-verbrechen-tatort-mord-3956945/

Kriminalität: ein sehr emotionales Thema. Und eben deswegen dazu geeignet für Irreführung durch Medien oder Parteien.

https://www.bild.de/regional/berlin/berlin-aktuell/berlin-mann-29-sticht-auf-zwei-personen-ein-klinik-not-op-77586476.bild.html

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