Narzissmus, Machiavellismus und Psychopathie

Warum lehnen AfD-Wählerinnen sowie Anhängerinnen anderer extremistischer und verschwörungsideologischer Gruppierungen nachprüfbare Fakten ab und reagieren auf diese oft aggressiv?

Es ist ein häufig beobachtetes Muster: Nachprüfbare Fakten werden von Wähler*innen der AfD oder verwandter Bewegungen wie der Nichtdenkendenbewegung ignoriert oder als Angriff wahrgenommen. Statt einer inhaltlichen Auseinandersetzung folgen Beleidigungen, Diffamierungen oder aggressive Reaktionen, die häufig mit dem typischen Lachsmiley in sozialen Medien begleitet werden.

Diese Reaktionen lassen sich psychologisch erklären.

Psychologische Mechanismen der kognitiven Immunisierung und Radikalisierung bei extremistischen Gruppen.

Die AfD und ähnliche sektenähnliche Gruppierungen nutzen Mechanismen, die zu kognitiver Immunisierung führen (Kube et al., 2019) (umgangssprachlich blinder Glaube). Dabei werden widersprüchliche Informationen abgewehrt oder umgedeutet, um bestehende Überzeugungen zu schützen. Sektenähnliche Strukturen, emotionale Bindung und Feindbildkonstruktionen verstärken diese Prozesse. Zusätzlich spielen Persönlichkeitsmerkmale der Anhängerschaft eine Rolle, insbesondere Eigenschaften der dunklen Triade (Psychopathie, Narzissmus, Machiavellismus).

Menschen erleben kognitive Dissonanz, wenn neue Informationen ihren Überzeugungen widersprechen (Festinger, 1957). Extremistische Organisationen wie die AfD oder die Nichtdenkendenbewegung nutzen einfache, oft falsche Erklärungen und delegitimieren externe Quellen, etwa als „Lügenpresse“ oder mit Slogans wie „Ich glaube nur der Statistik, die ich selbst gefälscht habe“, um diese Spannungen zu reduzieren. die kognitiv immunisierten Personen konzentrieren sich daher auf gruppenkonforme Inhalte und ignorieren widersprüchliche Fakten (Müller et al., 2020).

Beispiel: Die AfD behauptet, Flüchtlinge seien überdurchschnittlich kriminell. Studien zeigen jedoch, dass AfD-Pressemitteilungen Kriminalität von Flüchtlingen überproportional betonen, wodurch ein verzerrtes Bild entsteht (Hestermann & Hoven, 2019).

AnhängerInnen der AfD und ähnlicher radikaler Gruppierungen zeigen im Durchschnitt höhere Ausprägungen in den Persönlichkeitsmerkmalen der dunklen Triade: Narzissmus, Machiavellismus und Psychopathie (Jonason & Webster, 2010).

Narzissmus: Viele Wählerinnen suchen Bestätigung für ihre Überlegenheitsgefühle. Begriffe wie „erwacht“ oder „selbst denkend“ sprechen diese Bedürfnisse direkt an.

Machiavellismus: Die manipulative Kommunikation extremistischer Gruppen bietet diesen Persönlichkeiten ein narratives Werkzeug, um ihre Weltanschauung zu legitimieren.

Psychopathie: Geringe Empathie und erhöhte Impulsivität können aggressive Reaktionen auf Widerspruch erklären (Geisler et al., 2020).

Feindbildkonstruktion und Desinformation

Gruppierungen wie die AfD, aber auch andere verschwörungsideologische Bewegungen, schaffen gezielt Feindbilder wie „Lügenpresse“ oder „Systemparteien“, um externe Kritik zu delegitimieren und ihre Anhängerdchaft gezielt zu isolieren.

Beispiel: Die AfD und die Nichtdenkendenbewegung behaupten, COVID-19-Impfstoffe seien unwirksam oder gar schädlich. Studien mit über 4 Millionen TeilnehmerInnen belegen jedoch die hohe Wirksamkeit und Sicherheit der Vakzine (95 % Schutz vor schwerem Verlauf; Watson et al., 2022). Diese Studien wurden weltweit immer wieder bestätigt und es gibt keine gegensätzlichen Studienergebnisse.

Fakten, die den Behauptungen extremistischer Gruppierungen widersprechen, werden von den blind Gläubigen häufig als Angriff auf ihre Identität wahrgenommen (Bötticher, 2017). Dies erklärt die häufig beobachteten Beleidigungen und Diffamierungen auf nachprüfbare Fakten. Solche Reaktionen dienen der Stabilisierung der eigenen Überzeugungen und der emotionalen Bindung an die Gruppe.

Die sektenartige Struktur von Gruppen wie der AfD und ähnlichen Organisationen erschwert es ihrer verblindeten / verblendeten Gefolgschaft, sich mit gegenteiligen Fakten auseinanderzusetzen oder die eigene Positionen infrage zu stellen. Die Gruppen schaffen ein geschlossenes ideologisches System, in dem die Zugehörigkeit emotional so stark verankert ist, dass ein Verlassen der Gemeinschaft als Verlust von Identität und sozialem Rückhalt empfunden wird.

Die emotionale Bindung an die Gruppe und die Feindbildkonstruktionen (“Schlafschafe”, “Systemlinge” usw.) verhindern eine kritische Auseinandersetzung mit widersprüchlichen Informationen (Tajfel & Turner, 1979). AnhängerInnen sind oft nicht bereit, Fakten zu prüfen, da dies ihre Zugehörigkeit infrage stellen würde.

Durch die kognitive Immunisierung wird Kritik oder gegenteilige Evidenz nicht als Anstoß zur Reflexion, sondern als persönlicher Angriff wahrgenommen (Kube et al., 2019).

Die Kombination aus kognitiver Immunisierung, Persönlichkeitsmerkmalen und emotionaler Bindung erklärt die Faktenresistenz und Aggression vieler AnhängerInnen extremistischer und demokratiefeindlicher Gruppen. Diese Mechanismen schaffen ein geschlossenes System, das nachprüfbare Fakten als existenzielle Bedrohung wahrnimmt. Ein Verständnis dieser Prozesse ist essenziell, um effektive Strategien für den gesellschaftlichen Diskurs zu entwickeln.

Bötticher, A. (2017). Theorien und Erklärungsmodelle von Radikalisierungsprozessen im Kontext des Rechtsextremismus. Zeitschrift für Politische Psychologie, 5(1), 9–24. https://doi.org/10.1007/s11757-021-00659-8

Festinger, L. (1957). A Theory of Cognitive Dissonance. Stanford University Press.

Geisler, F. C. M., Gerdes, A. B., & Fischer, N. (2020). Narcissism and aggression: A meta-analytic review of the literature. Aggression and Violent Behavior, 51, 101383. https://doi.org/10.1016/j.avb.2020.101383

Hestermann, T., & Hoven, E. (2019). Kriminalität in Deutschland im Spiegel von Pressemitteilungen der Alternative für Deutschland (AfD). Kriminalpolitische Zeitschrift, 1(1), 1–15. https://doi.org/10.1007/s10610-019-09413-9

Jonason, P. K., & Webster, G. D. (2010). The dirty dozen: A concise measure of the dark triad. Psychological Assessment, 22(2), 420–432. https://doi.org/10.1037/a0019265

Kube, T., Glombiewski, J. A., & Rief, W. (2019). How to modify persisting negative expectations in major depression: An experimental study comparing three strategies to inhibit cognitive immunization against novel positive experiences. Behaviour Research and Therapy, 116, 73–83. https://doi.org/10.1016/j.brat.2019.03.006

Müller, J., Hösel, V., & Tellier, A. (2020). Filter Bubbles, Echo Chambers, and Reinforcement: Tracing Populism in Election Data. arXiv preprint arXiv:2007.03910.

Tajfel, H., & Turner, J. C. (1979). An integrative theory of intergroup conflict. In W. G. Austin & S. Worchel (Eds.), The Social Psychology of Intergroup Relations (pp. 33–47). Brooks/Cole.

Watson, O. J., et al. (2022). Global impact of the first year of COVID-19 vaccination: A mathematical modelling study. The Lancet Infectious Diseases, 22(9), 1293–1302. https://doi.org/10.1016/S1473-3099(22)00320-6

1
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

stefan251

stefan251 bewertete diesen Eintrag 16.05.2025 22:56:18

4 Kommentare

Mehr von Dolm