Eigentlich sollte klimaneutraler Wasserstoff schon in wenigen Jahren ein Hauptstandbein der europäischen Energiewende werden. Doch die kühnen Ankündigungen erweisen sich als realitätsfremd. Grüner Wasserstoff ist viel zu teuer und wird das auf absehbare Zeit bleiben.
Von Peter Panther
Die Abrechnung des Bundesrechnungshofes mit der Nationalen Wasserstoffstrategie war schonungslos: Im Oktober kam das Gremium zum Schluss, dass die Pläne Deutschlands zur Herstellung von klimaneutralem Wasserstoff gescheitert sind. «Trotz milliardenschwerer Förderungen verfehlt die Bundesregierung ihre ambitionierten Ziele beim Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft», bilanzierte der Bundesrechnungshof. Angebot und Nachfrage würden beim Wasserstoff deutlich hinter den Erwartungen zurückbleiben. «Dies gefährdet das Erreichen der Klimaneutralität bis 2045 und die Zukunftsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland.»
Bis 2030 will das Land eine Elektrolyse-Kapazität von zehn Gigawatt zur Wasserstoffproduktion aus erneuerbarem Strom aufbauen. Heute sind aber erst zwei Prozent davon Wirklichkeit geworden. Schon im August hielt der Nationale Wasserstoffrat, das Expertengremium zur Umsetzung der Strategie, fest: «Ziele für den Wasserstoffhochlauf im Jahr 2030 krachend verfehlt.» Sogenannt grüner Wasserstoff sei «sehr viel teurer» als in den Prognosen angenommen.
«Übermässig ambitioniert»
Europaweit sieht es nicht besser aus. Im letzten Juli beurteilte der Europäische Rechnungshof die Wasserstoffziele der EU als «unrealistisch». Zwar hat die Union 18,8 Milliarden Euro in die Förderung von sauberem Brennstoff investiert. Doch das Ziel von insgesamt zehn Millionen Tonnen Wasserstoff durch Produktion und Importe bis im Jahr 2030 sei «übermässig ambitioniert», urteilte der Rechnungshof. Die EU werde dieses Ziel wahrscheinlich nicht erreichen.
Schon Ende 2024 wollte Europa sechs Gigawatt an installierter Elektrolyse-Kapazität für Wasserstoff haben. Realisiert wurden bis dahin aber nur 0,385 Gigawatt, also 6,4 Prozent. Und im April 2025 kamen Energiespezialisten der Universitäten Bonn und Köln zum Schluss, dass die EU-Ziele für 2030 unter den gegebenen Umständen «nur schwer erreichbar» seien. «Während die politischen Vorgaben ambitioniert sind, bleibt die tatsächliche Investitionstätigkeit hinter der Zielsetzung zurück», schrieb die Uni Bonn. Der wichtigste Grund dafür: «Die Kosten für grüne Wasserstoffproduktion sind entgegen den Erwartungen nicht gesunken.»
Heute ist Wasserstoff, der mit Wind- und Solarstrom produziert wird, noch immer zwei- bis viermal teurer als herkömmlicher Wasserstoff auf Erdgas-Basis. Verglichen mit Erdgas selbst beträgt der Kostennachteil sogar den Faktor vier bis fünf. Es ist kein Wunder, dass in Deutschland und Europa kühn angekündigte Wasserstoffprojekte reihenweise scheitern.
«Noch keine tragfähige Energiequelle»
Insbesondere die Produktion von «grünem» Stahl mittels Wasserstoff hat sich als Illusion erwiesen. Der Konzern ArcelorMittal zum Beispiel hatte geplant, seine beiden Stahlwerke in Bremen und Eisenhüttenstadt auf grünen Wasserstoff umzurüsten. Doch im Juni 2025 lehnte das Unternehmen angebotene staatliche Zuschüsse über 1,3 Milliarden ab – mit der Begründung, grüner Wasserstoff sei «noch keine tragfähige Energiequelle». Die Umrüstung der beiden Stahlwerke sei nicht wirtschaftlich.
Auch Ankündigungen für den Bau von Elektrolyseuren für die Wasserstoffproduktion werden zurückgenommen. So wollte das finnische Energieunternehmen Neste in der Stadt Porvoo eine Elektrolyseanlage mit stattlichen 120 Megawatt Leistung bauen. Doch im Oktober 2024 kam die Absage. Die aktuellen Marktbedingungen seien schwierig, und die wirtschaftliche Nutzung des erzeugten Wasserstoffs sei limitiert.
«Deutlich teurer als angenommen»
Die Träume, grünen Wasserstoff in Weltgegenden herzustellen, wo ausreichend Solarstrom erzeugt werden kann, platzen ebenso. Deutschland hat zwar das Ziel, 50 bis 70 Prozent des 2030 (angeblich) benötigten Wasserstoffs zu importieren. Entsprechend war zum Beispiel der Energiekonzern RWE an einem Projekt in Namibia beteiligt und hatte angekündigt, ab 2027 jährlich bis zu 300’000 Tonnen grünen Ammoniak (ein Derivat von Wasserstoff) aus dem afrikanischen Staat einzuführen. Doch vor kurzem zog sich RWE aus dem Projekt zurück. «Die Nachfrage nach Wasserstoff sowie nach Wasserstoff-Derivaten wie Ammoniak entwickelt sich in Europa langsamer als erwartet», lautete die Begründung.
Schon im Frühling waren Forscher der TU-München, der University of Oxford und der ETH Zürich zum Schluss gekommen: «Grünen Wasserstoff in Afrika für den Export nach Europa zu produzieren, ist deutlich teurer als angenommen.» Die Wissenschaftler hatten rund 10’000 potentielle Standorte in Afrika für die Wasserstoffproduktion untersucht. Nur gerade zwei Prozent erwiesen sich als wettbewerbsfähig. «Wenn der momentane Hype nicht mit sinnvollen politischen Massnahmen unterfüttert wird», hielt Co-Autorin Stephanie Hirmer fest, «riskieren wir Projekte, die am Schluss weder kostengünstig sind noch einen Mehrwert für die Bevölkerung vor Ort schaffen.»
Keine Spur von der «nächsten grossen Geschichte»
Die Wasserstoff-Pleite bedeutet nichts Gutes für die angestrebte Energiewende in Deutschland und Europa. Denn der Einsatz dieses Energieträgers ist zentral bei der Dekarbonisierung der Industrie und der Gesellschaft. Grüner Wasserstoff soll überall dort eingesetzt werden, wo eine direkte Elektrifizierung schwierig ist, eben zum Beispiel bei der Herstellung von Stahl, aber auch im Schwerlast-, im Schiffs- und im Flugverkehr. Ebenso soll Wasserstoff als Speichermedium dienen, um überschüssige erneuerbare Energie für Zeiten von Dunkelflauten aufzubewahren.
Noch 2023 hatte der damalige deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) Wasserstoff als «nächste grosse Geschichte» bezeichnet. Doch grüner Wasserstoff bleibt, wie gesehen, bis auf Weiteres viel zu teuer, um grossflächig eingesetzt zu werden. Industriebetriebe, die darauf setzen, wären sofort unwirtschaftlich.
Der rasche Hochlauf einer Wasserstoffwirtschaft erweist sich somit als realitätsfremd. Umgekehrt ist das Netto-Null-Ziel ohne Wasserstoff unmöglich zu erreichen. Die grüne Energiewende in Europa hat also ein ziemliches Problem – eines mehr, muss man sagen.
Quelle_ EIKE