„Achtsamkeit“ (Mindfulness), „Wellnesswahn“ und paranoide Trends

Schönheitswahn, Kosmetikwahn, Diätenwahn, übertriebener GesundEssenWahn,etc..ich will mich über diese paranoiden Übertreibungen dieser Trends ein bisschen lustig machen, jedoch niemanden davon abhalten. Oft befördern auch Medien oder Modetrends solche Überzeugungen.

In der Psychologie versteht man unter leichteren wahnhaften Störungen (Paranoia) unverrückbare Überzeugungen oder Wahrnehmungen, die im Gegensatz zur Realität stehen, aber trotzdem aufrechterhalten werden.

Wellnesswahn:

Nicht ohne Grund stand auf einem antiken, römischen Bad: „Non hic curator qui curat“, daher hier werden nicht ihre Sorgen bzw. psychische Krankheiten geheilt, sondern eher Krankheiten im rheumatischen Formenkreis. Burnout-Erkrankten Wellnesscenter zu empfehlen, ist eine völlige Fehltherapie, die nicht geeignet ist, Burnout oder Depressionen zu heilen. Nur Sport und aktive Bewegung sind geeignet, das Stresshormons Kortisol abzubauen, nicht passive Wellness. Ein aufgestauter Kortisonspiegel raubt den Schlaf, belastet die Gesundheit und unterdrückt das Immunsystem und kann kurzfristig nur durch Sport abgebaut werden, langfristig durch Verhaltensänderungen .

Und nun zur "Achtsamkeit":

Wenn man „Mindfulness“ (=Achtsamkeit) googelt, kommt man auf 32 Mio. Treffer. Mindfulness schaffte es auf die Titelseite des TIME-Magazines, viele Zeitschriften widmen sich diesem Thema, es gibt Mindful-Apps, unzählige Bücher im GU-Verlag, etc...zu diesem Thema und Achtsamkeits-Managerkurse bis zu 5000 €. Achtsamkeitstrainer mischen sich neuerdings in die Mc.Kinsey Horden wie ein weiterer Fremdkörper bei großen Unternehmen hinein und werden sogar gehört. Mercedes verordnet Mitarbeitern „Mail-Zwangspausen“ und „digitalen Urlaubs-Absentismus“. Der Pharma-Konzern Gentech startete für seine Mitarbeiter ein Mindfulness-Programm. Auch SAP und INTEL erhöhten mit solchen Programmen angeblich die Zufriedenheit der Mitarbeiter und man solle beim Mittagessen sein Mobile abschalten.

Was ist Achtsamkeit?

Im ZEN-Buddhismus versteht man darunter die Fokussierung auf das „Hier und Jetzt“ und mit seinen Gedanken beim Gesprächspartner oder bei der Sache und nicht woanders sein, auch nicht beim Gestern oder Morgen. Das hat schon was für sich, mit den Gedanken bei der Sache zu sein. Als Banker habe ich Geschäftsessen immer gehasst, weil ich mich nicht aufs Essen sondern Problemlösungen mit dem Geschäftspartner konzentrieren musste oder bei Kreditgesprächen gedanklich schon den Raster des Kreditprotkolls mitschrieb, anstatt mich voll auf den Kunden zu fokussieren - schwerer Fehler.

Eine Reisegruppe fuhr im Bus zu den ägyptischen Pyramiden. Wie wild geworden drängten sich alle gleichzeitig mit ihren Fotoapparaten hinaus und blockierten sich gegenseitig beim Ausstieg, jeder wollte der erste sein. Einer blieb ruhig im klimatisierten Bus sitzen. Die Touristen fragten ihn danach verwundert, warum er ruhig sitzen blieb und nicht fotografierte. Seine Antwort: „Ich schau mir die Pyramiden gleich hier an, nicht erst zu Hause am Foto“. Das ist ZEN-Buddhismus!.

Achtsamkeit ist ein innerer Prozess, eine innere , bewusste Handlung . Das zeitweise sich frei machen vor der Flut von Meinungen, Informationen , Internet, kollektivem Schüren von Angst. Nur Katastrophen werden gemeldet – "only bad news is good news", Multitasking, alles muss gleichzeitig geschehen (Notebook, Essen, TV und Familientalk gleichzeitig). Die Gesellschaft wird mit diesem Overload oft richtiggehend hysterisiert und diese Hysterie artet oft in Gegenreaktionen des Hasses (siehe Postings!) aus.

Wenn wir nicht lernen, uns vor dieser Multitasking-Welt zeitweise auch abzugrenzen ("Resilienz" = Widerstandskraft entwickeln), schadet dies unserer Seele bis zur psychischen Erkrankung. Achtsamkeit heißt, in einer überfüllten, überreizten, überkomplexen Welt müssen wir lernen, uns auf neue Weise wiederum auf uns selbst besinnen. Nischen der Stille suchen, das "Geschenk der Stille annehmen, längere Zeit still verharrend im Schatten eines Baumes zu verweilen", mich in Ruhe auf den Inhalt eines Buches fokussieren, in meinem Hobby ganz aufgehen, das Gefühl des Flows – des zeitlosen Empfindens – verspüren, die Natur genießen, Muse statt krampfhaft andauernde Aktivitäten zu setzen, etc…. dazu gibt es viele Beispiele und bedarf es weder teurer Achtsamkeitsseminare, noch muss ich mich durch den jetzt medial erzeugten "Achtsamkeitswahn" wiederum in neuen Stress versetzen lassen, ob ich wohl achtsam lebe.

Eines muss uns bei der Achtsamkeit jedoch klar sein, wir müssen heraus aus dem ewigen „Müssen“, dem andauernden „Müssen – Müssen-Müssen. Nein, ich muss jetzt - ohne schlechtes Gewissen haben zu müssen- einmal nicht.

Spezielle Formen der spirituellen Achtsamkeit (Mediation, Yoga, AT, Atemtechnik, etc..die genannten sind übrigens gute Methoden, wenn man sie richtig lernt) will ich jetzt hier nicht ansprechen, sondern nur diese verlorene, alltägliche Achtsamkeit auch unseren Mitmenschen gegenüber sollten wir wieder kultivieren und dabei auch unser Selbst wieder mehr spüren lernen. Von Empathie ist oft auch die Rede, eine wichtige Form der Achtsamkeit gegenüber einem Mitmenschen.

In Start-Ups Unternehmenskulturen mit kollaborativer Teamarbeit kristallisieren sich neu Wege der gegenseitigen Achtsamkeit heraus (sog. „Createups“). Nur in klassischen Konzernen mit ihren Hierarchien und zunehmendem Narzissmus in Chefetagen kann ich das Plakatieren neuer Achtsamkeitskulturen nicht ernst nehmen, genauso wie diese CSR (Corporate Social Responibility = Mitearbeiterwohl-Verantwortlichkeit) nur zur Behübschung von Geschäftsberichten dienen - wir haben einen Hometrainer für die Mitarbeiter gekauft. Mit „Experience Marketing“ sollen im vernetzten Zeitalter wieder mehr die relevanten menschl. Bedürfnisse angesprochen werden. Eine neu Welle von Modebegriffen wird wieder auf uns zukommen (Procruiting, Next Economy, Human Smart Tech, blaue Ökologie, OM-Linetrend, Metatrends, etc… ich will gar nicht wissen, was das alles bedeutet.

Wir sollten uns auch vor "Achtsamkeitskitsch" abgrenzen, wie „Nutzen sie Kristalle zur Erleuchtung“ aus Esoterik-Billigläden oder teuren AchtsamkeitsGuru-Seminaren. Ich persönlich bin auch kein Freund der esoterischen Scheinwelt,wenn ich auch Placeboeffekte nicht leugne. Wir können nicht umhin , auch in der realen Welt etwas zu ändern. Das ist für mich wesentlich.

Es gibt jedoch auch Dinge, die ich in der realen Welt nicht ändern kann. Dazu stehen mir nur 2 Wege offen, a) ich trenne mich davon (zB. Jobwechsel, allerdings vebunden mit neuem Risiko) oder b)ich treffe eine innere Neubewertung (Selbst-Gehirnwäsche). Wenn ich als Kundenbetreuer gegen mein persönliches Wertesystem ein unseriöses Produkt verkaufen muss (zB. LbVs einer alten Frau, wo sogar die Versicherung dann in der Bank nachfragt, ob's deppert seids = Beispiele aus der Praxis!), um die Verkausziele zu erreichen, kann man es damit rechtfertigen, dass es sonst die Konkurrenz macht und deswegen ist es auch für mich ok (=Gehirnwäsche). Wir sprechen auch von sogenannten "kognitiven Dissonanzen", wenn mein persönliches Wertesystem mit dem Wertesystem, das der Job von mir verlangt, auf Kriegsfuß steht. Wenn ich zB. zu einem widerlichen Kunden oder Chef trotzdem freundlich sein muss, entstehen in mir Dissonanzen, weil ich mich verstellen muss. Ein Steigerungsstufe dazu ist das im Englischen als "brown-nosing" treffend bezeichnete "Arschkriechen", weil man sich dabei die Nase braun macht. Arschkriechen ist jedoch ein sehr deutliches Zeichen mangelnder Fähigkeiten, geht aber bei narzisstischen Chefs zu 80% hinein. Das muss ich entweder lernen, auszuhalten, oder ich bin ein so souveräner, unverzichtbarer Mitarbeiter, der sich dann mehr leisten kann. Nur kann man sich bei der Geburt die Gene nicht aussuchen.

1
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Joachim Eberhard

Joachim Eberhard bewertete diesen Eintrag 29.02.2016 12:22:54

1 Kommentare

Mehr von EBgraz