"Gemeinwohlökonomie", realpolitisch schwer umsetzbar. Worum gehts?

Christian Felber, Experte dazu, besticht durch Eloquenz und lässt mit seinem ausgezeichnetem Fachwissen Politiker und auch Wirtschaftsjournalisten im Regen stehen.Trotzdem sind seine an sich guten Ideen zu sehr Versatzstücke einer "idealen" Welt, eine gewisse Sozialromantik kann man ihm nicht absprechen.

Es wird Aufgabe der nächsten Generation sein, auch das Gedankengut der GWÖ zunehmend Bestandteil der "realen" Welt werden zu lassen, ohne jedoch die Herausforderungen des globalen Wettbewerbs aus den Augen zu verlieren. Andernfalls könnte ein massiver Wohlstandsverlust wieder die Gefahr einer politischen Destabilisierung bringen.

Wirtschaftsjournalisten bezeichneten Felber als "spätpubertär"/Presse(szt.Unterberger), "retrolinks" Ulram (Meinungsforscher), ""Reiter tosender Wahnsinnsattacken" (Presse/Mayer), "Kommunist"und "martialisch"(Standard/Frey) und "kotzpopulistisch" (Wiener Zeitung/Ortner) und "geistiger Ziehvater des Terrorismus" (Volksblatt/Mauerer) - soviel zu wertschätzender, sachlicher Argumentation.

Der Autor des Buches “Gemeinwohlökonomie” (GWÖ) sieht in ihr eine Alternative zu den Irrwegen des neoliberalen kapitalistischen oder realsozialistisch - kommunistischen Systems. Felber war Mitbegründer und Mitglied der Attack, die am Entwurf einer “Neuen Wirtschaftsordnung” und gesetzlichen “Gemeinwohlbilanz” arbeitet.

Trotz vieler, guter Ansätze und berechtigter Kritiken an unserem derzeitigen ökonomischen und politischen System halte ich die GWÖ mit der derzeitigen Generation für nicht realisierbar und eine nicht ausbalancierte, zu starke direkte Demokratie in Kenntnis der für populistisches Gedankengut anfälligen Volksmasse auch nicht unbedinngt ersehnenswert im Interesse einer multikulturellen, pluralistischen Gesellschaft, wo auch Minderheiten ausreichend geschützt werden müssen.

Schon Darwin hat erkannt, dass die Evolution unsere Genetik mit dem Konkurrenzprinzip (“survival of the physical and mental fittest”) ausgestattet hat. Dies manifestiert sich neben der Wirtschaft genauso im Berufsleben oder im Sport und ist offensichtlich eine anthropologische Konstante, auch wenn Felber an die Transformation in ein Kooperationsprinzip glaubt.

In der Mikroökonomie basiert die GWÖ schon auf privaten Unternehmen, jedoch nicht mit dem Ziel der Profitmaximierung im Sinne von A. Smith als einzigem Zweck unternehmerischer Tätigkeit, sondern die Maximierung des Gemeinwohles - sichtbar gemacht in einer “Gemeinwohlbilanz” (anfangs als Nebenbilanz zur Finanzbilanz, als Fernziel soll es Hauptbilanz werden).

In einer Matrix mit ethischen Werten auf der x-Achse (waagrecht) und die davon profitierenden Personengruppen auf der y-Achse (senkrecht). Im Inhalt finden sich zB. Gütersharing, Betriebskindergarten, Bildungskarenzförderung, Katastrophenkarenz, Werbeverzicht,Mitarbeitermitbestimmung, Einkommensspreizung, Biokantine, Sporteinrichtungen, etc....jeweils mit einer Gemeinwohlpunkteanzahl versehen. “Gemeinwohlbilanz” als Nebenbilanz zur “Finanzamtsbilanz”.

Jene Unternehmen, die besonders gemeinwohlorientiert und sozial verantwortlich und demokratisch (Mitbestimmung der Belegschaft) agieren, erhalten sog. "Gemeinwohlpunkte”.Damit wird es mit steuerlichen Vorteile, Förderungen oder mit der Berechtigung besonderer “Gütesiegel” (blau, grün, gelb) auf ihren Produkten belohnt.

Ökologiebewusste Konsumenten orientieren sich beim Kauf nach diesem Ampelsysten. Ein geplantes Ampelsystem bei gesunden Lebensmitteln (rot, gelb, grün) von Konsumenten und Ärztekammer unterstützt wurde von der EU vor wenigen Jahren zu Fall gebracht - erfolgreicher Lobbyismus der Lebensmittelindustrie mit 3-stelligen Millionenbeträgen.

Auch die Gewinn-Verwendung kann entweder a) schädlich (Ausschüttung an nicht im Unternehmen tätige Eigentümer, etc..) oder b) nützlich (Verlustrückstellungen, Reinvestitionen,Ausschüttungen an Mitarbeiter, EK-Stärkung, etc..) sein.

Kooperation statt Konkurrenz, statt gegeneinander ein Miteinander:

Konkurrenz kommt von con-currere und heißt eigentlich miteinanderlaufen, Competition kommt von com-petere und heißt miteinender suchen (nach der besten Lösung); Gruppenintelligenz; Crowdsourcing; Cooperative Marktplanung; Demokratische Bank - Ende der Systemrelevanz; Ende des Casinokapitalismus;

Hinschauen, was mit meinem Geld passiert (Statt Zins-lieber Gemeinwohloptimierung)!Ende des Wachstumsfetischismus;

Durch weitgehende Abschaffung des Erbrechtes (Schenkungsrechtes) bei einem € 500.000.- übersteigendem Vermögen sollen Vermögensunterschiede und Ungleichheiten auf ein stimmiges Maß reduziert werden. Dazu zählen auch zu hohe Einkommens - Unterschiede zwischen Arbeitern und Managern, der Faktor 10 bis maximal 20 ist hier anzupeilen (Einkommens-Ungleichheitbegrenzung). Privatvermögen sollte mit € 10 Mio. begrenzt sein, das Übersteigende wird auf das Gemeinwohl umverteilt. Eigentumskonzentration ist Machtkonzentration und damit gemeinwohlschädlich;

80% der Manager laut einer Studie über DAX-Konzernen stammen aus der oberen, gebildeten, reichen Bevölkerungsschicht und nur 1 Chef war dabei ein Arbeiterkind, daher Maßgeblichkeit der Leistung und nicht Wohlgeburt.

Damit soll das Gleichheitsprinzip zum normativ tragenden Prinzip der Verfassung werden und nicht die Freiheit (Freiheit des Eigentums, jeden anderen absolut von seinem Vermögen ausschließen zu können). Genossenschaftlich kollektivistische Denkansätze in meinen Augen.

Gewinnmaximierung und Konkurrenzdenken sind treibende Kräfte unseres Systems und befördern Entsolidarisierung, Gier, Egoismus und Habsucht. Überdies rücksichtsloses Verhalten gegenüber Mitmenschen und der Natur (Umweltzerstörung), Verantwortungs- losigkeit, Geiz und Neid.

Die Beachtung einer “intergenerativen Gerechtigkeit” für nachfolgende Generationen, die unsere Sünden (Meeresüberfischung, Klimawandel, Umweltzerstörung, Plastikmeer im Ozean, etc..) büsen müssen, bleibt auf der Strecke.

In meinen Augen handelt es sich dabei um anthropologische Konstanten, die beim einen mehr, beim anderen weniger ausgeprägt sind und auch durch eine ideale GWÖ nicht eliminiert werden können, man hat es beim Realsozialismus/UdSSR erlebt.

Ich persönlich bin ein Anhänger einer “gezähmten Marktwirtschaft” unter stärkerer, demokratischer Partizipation des Volkes bzw. parteiunabhängigen Experten.

Die Schweiz hat es uns vorgezeigt, indem das Stimmvolk sich gegen die überhöhten Banker-u.Managerboni aussprach (“Abzockervolksabstimmung” mit 70% contra), ein sinnvoller Eingriff in eine entartete Wirtschaftsordnung mit Vorbildwirkung die EU betreffend.

Die größte Wählergruppe ist die der frustrierte Nichtwähler geworden, darunter auch viele Jugendliche und Intellektuelle. Über die Nichtwähler und deren Motive verliert man jedoch kein Wort.

Eine Partei oder Jugendbewegung in Österreich zu gründen, dazu sind die admimistrativen und finanziellen Hürden (ohne eine “Stronach-Millionentüte” im Hintergrund) viel zu hoch. Für einen Neuaufbruch in Österreich durch die junge Generation trotz “empört euch” Aufrufe eines Hessel, dazu scheint der Leidensdruck noch zu gering, man lebt ja gut von den Ersparnissen der Eltern, aber was bleibt den Enkelgenerationen?

Ich persönlich fordere mehr Volksabstimmungen in Verteilungs-Gerechtigkeits und Wirtschaftsfragen, um den Übeln des Lobbyismus und der Korruption wirksame Schranken zu setzen. Auch in Kärnten wurde ein kriminelles System abgewählt, aber leider viel zu spät.

Steueroasen, Too big to fail Dogma statt geordente Insolvenz, ungehemmte Geldpresse der Notenbanken für wertlos angekaufte Staatsanleihen hoch verschuldeter Staaten, Schattenbanken, Derivatezeitbombe, etc...

Felber schlägt einen Wirtschaftkonvent aus dem Volk für die Schaffung einer neuen Wirtschaftsordnung vor (Standard 18.3.2013/Felberartikel). Die GWÖ soll ein neues Wertsystem implementieren und Vertrauensbildung, Wertschätzung, Kooperation, Solidarität und Teilen fördern. Mehr Chancengleichheit,

nicht nur “vererbte” Bildung, mehr Lebensqualität, mehr direkte Demokratie - also eine “Win-Win”-Situation für alle.

Felber verwendet auch das spanische Wort “Sentido”. Erziehung zu Werten, die Sinn und Richtung dem Menschen geben, Leitsterne für unseren Lebensweg sind.

Felber zeigt auch die 10 Todsünden des Kapitalismus auf, wie: Machtmissbrauch durch Konzentration (“Global Player”),

Finanz-Oligarchie und Wettbewerbsverzerrungen,

Standortkonkurrenz - die zu Steuer/Sozial-und Lohndumping führt, Preisabsprachen,

ineffiziente nicht gemeinwohladäquate (Altenpfleger versus Hedgefonds-Manager) Lohnbildung, soziale Polarisierung (Boniskandale),Schere arm/reich wird immer größer - 850 Mio.(90er-Jahren) und über 1 Mrd. seit 2010, die an Armut und Hunger leiden,

Umweltzerstörung, Sinnverlust infolge Konsumismus und Kaufsucht und damit verbundener intellektueller Degeneration,Werteverfall,

Karrerismus mit Hang zum Asozialen (Fromm: “Der kapitalistische Charakter formt den Gesellschaftscharakter”),

Aushöhlung der Demokratie durch Lobbyismus, Korruption und Macht.

Die GWÖ beruft sich auch auf den Art.151 der Bayrischen Landesverfassung:

“Alle wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl”, jedoch ein frommer Wunsch in der Realverfassung.

o Die Anreizsysteme müssen umgepolt werden (Belohnung von Gemeinwohlaktivitäten)

o Statt “Gewinnmaximierung” sollte es “Gemeinwohlmaximierung” heißen. (A.Smith irrt, wenn er meint, dass es dann allen gut geht, wenn jeder für sich selbst sorgt).

o Gemeinwohlwerte müssen zuerst in einem demokratischen Diskurs definiert werden (Nachhaltigkeit, Ökologie, etc...)

o Bildung von “Conventen” (Conventdemokratie) - con-venire = das Zusammenkommen von Bürgern und Experten.

o Gemeinwohl muss messbar gemacht werden, sonst unwirksam

(“Gemeinwohl-Matrix”-Bilanz vor Finanzbilanz); darin sollen

Mitbestimmungs/Transparenz/Einkommensregeln, etc...stehen.

o Nicht das BNP, sondern Lebenszufriedenheit, weniger Angst und mehr Zuversicht, etc...sollen Maßstab sein (“Glücksindex”)

o mehr Frauen einstellen, mehr Fairtrade, Faktor 20, Bildung Staat, mehr Behinderte einstellen,mehr Wissenstransfer, Kantinen, Betriebsekindergärten, etc...

Kinder müssen zu neuen Werten erzogen werden, neue Schulfächer, wie:

o Gefühlskunde (inkludiert auch mit Konflikten umgehen zu lernen)

o Wertekunde (Kooperation hat ggü. Konkurrenzdenken den höheren Wert)

o Kommunikationskunde (Teamwork erfordert gesittete Kommunikationsregeln)

o Demokratiekunde (Demokratie ist fragil und musste unter viele Todesopfern erkämpft werden, wie können wir sie erhalten)

o Naturerfahrungskunde (Umweltschutz)

Demokratie muss weiterentwickelt werden, die repräsentative Demokratie hat zunehmend versagt, der Souverän muss wieder stärker das Volk und dieses stärker insb. in die Gesetzgebung eingebunden werden; “superamus” = über allem stehend!!

Das Konventprinzip als direktdemokratisches Instrument soll ausgebaut werden (Wirtschaftskonvent, Bildungskonvent, Daseinsvorsorgekonvent, Medienkonvent, etc...), wobei in die Konvents vorrangig Experten, jedoch direkt aus dem Volk gewählt

werden sollen.

Es gibt bereits viele Unternehmen, die die GWÖ unterstützen, in der Stmk. der Schokoladier ZOTTER/Riegersburg mit Fairtrade und streng biologischen Produkten.

Dieser Beitrag war ein erstes Hineinschnuppern in die GWÖ, gute Ideen, ethisch wertvoll, jedoch in der Umsetzung im globalen Wettbewerb großteils problematisch. Als Arbeitshypothese ist die GWÖ auf jeden Fall zu begrüßen und eine schrittweise

Umsetzung wäre insbesondere für die nächste Generation eine lohnende Aufgabe.

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