Havard-Ökonom Rogoff - mit der Wut der Bürger machen Populisten Karriere

Die Menschen sind wütend, obwohl es ihnen heute viel besser geht, als noch vor Jahrzehnten in den Industriestaaten. Populisten nutzen diesen Gemütszustand laut dem Harvard-Ökonomen Kenneth Rogoff geschickt aus.

Brexit sei der Anfang einer grossen Unsicherheit. Ob er auch das Ende der EU einläutet, weiss noch niemand. Das Votum der Briten war primär ein Wut-Votum der Bürger, die sich entrechtet fühlen.

Die größer gewordene Kluft zwischen "Eliten" und "einfaches Volk".

Der neue Populismus in Europa und mit Trump auch in den USA basiert auf einer unheilvollen Allianz aus einer unzufriedenen Arbeiterklasse/Prekariaten/Verlierern (Sündenbock EU) und der extremen Rechten, die nationale Unabhängigkeiten propagieren.

Anmerkung:

Ich persönlich bin kein Anhänger des neoliberalen Rogoff, der für Abschaffung des Bargeldes und Austeritypolicy (= Gürtel enger schnallen) eintrat und offensichtlich dem neoliberalen Dogma: "Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren" nicht abegneigt ist. Globalisierungsgegner und Nobelpreisträger Stiglitz und Rogoff gerieten sich in die Haare wegen der brutalen Austerity-Politik des IWF. 2010 erschienene Beitrag kommt zu dem Schluss, dass das Wirtschaftswachstum einer Volkswirtschaft sich dann stark verringere, wenn die Verschuldung auf mehr als 90 Prozent des Bruttoinlandsproduktes steige. Rogoff war zu dieser Aussage gekommen, nachdem er Wirtschaftsdaten der vergangenen 800 Jahre aus insgesamt 66 Ländern analysiert hatte

Populismus ist nicht rational. Den Industrienationen gehe es nicht schlecht, selbst wenn das wirtschaftliche Wachstum zuletzt eher schwach war. Leute wie Thomas Piketty, die meinen, den Menschen gehe es heute nicht besser als vor zwanzig, dreissig Jahren, würden lt. Rogoff völlig falsch liegen. Losgelöst von den rein ökonomischen Parametern liegt doch beispielsweise die Lebenserwartung heute viel höher als damals. Niemand in den entwickelten Ländern möchte ernsthaft die medizinische Versorgung von heute mit jener von Anfang der achtziger Jahre eintauschen! Uns geht es eindeutig besser als früher. Das Wirtschaftswachstum war jedoch in den vergangenen zehn Jahren nicht gerade überwältigend, und viele Menschen sind wütend auf die Finanzindustrie.

Viele haben den Eindruck, dass seither die Reichen noch reicher geworden sind, während die Armen mit Steuergeldern Banken retten mussten und heute unter den tiefen Zinsen leiden, die als Reaktion auf die Krise gesenkt worden sind und einer Enteignung der Sparer gleichkommt.

Das Wirtschaftswachstum ist in der Tat enttäuschend, gerade in Europa und wird mit dem Brexit jedenfalls noch schlimmer.

Wenn die britische Mittelklasse denkt, es werde ihr bessergehen, wenn Grossbritannien nicht mehr Teil des EU-Binnenmarkts sein wird, dann täuscht sie sich mächtig, wird künftig für viele Güter und Dienstleistungen mehr bezahlen müssen als heute und einem kleineren Angebot gegenüberstehen.

Auch das globale Wachstum wird absolut leiden. Jedoch die grösste Gefahr des Brexit besteht in potenziellen Nachahmern. Allein der Gedanke, dass Frankreich eine ähnliche Volksbefragung durchführen könnte, selbst wenn sie dann scheitert, macht Rogoff Angst. Der Brexit hat allen extremen Politikern eine Vorlage geliefert, wie man mit Populismus politische Karriere macht.

Wem wird der Brexit mehr schaden, Grossbritannien oder der EU?

Eindeutig Grossbritannien. Rogoff macht den Schuldenzyklus verantwortlich für das gegenwärtig schwache Wirtschaftswachstum.

Wir leben heute in einer Welt, in der es nicht für alle möglich ist, an Kredite zu kommen. Grosse Unternehmen haben in der Regel in guten wie in schlechten Zeiten Zugang zu Krediten, aber kleine und mittelgrosse Unternehmen oder neugegründete Firmen haben seit der schweren Finanzkrise grosse Mühe, Bankkredite ausreichend zu bekommen. Ein Grossteil der Wirtschaftsdynamik kommt aber gerade von diesen Firmen. Wenn sie keine Kredite bekommen, weil die Banken wegen der vorangegangenen Krise ihre Bilanzen bereinigen müssen und seitens des Regulators (Basel III) in Reaktion auf die Krise härter angefasst werden, dann werden die Facebooks und Twitters von morgen nicht entstehen. Und deshalb ist das Wirtschaftswachstum im Nachklang grosser Finanzkrisen während längerer Zeit schwach.

Die beste Lösung sei die Stützung und die Gesundung des Bankensektors, auch mit öffentlichen Mitteln. .... in meinen Augen völlig kontraproduktiv, diese Sichtweise. Er sei auch grundsätzlich kein Hardliner, was den Einsatz öffentlicher Mittel zur Krisenbekämpfung betrifft. Wichtig ist nur, dass diese Mittel produktiv eingesetzt werden.....das sagt plötzlich ein Neoliberaler: "typisch die Gewinne privatisieren und bei Verlusten soll der Staat einspringen, Verluste sollen dann sozialisiert werden und öffentliche Mittel eingesetzt werden".

Beispielsweise sollten gute Infrastrukturprojekte finanziert werden. Schauen Sie sich das Beispiel der USA an. Dort gibt es kein ausgebautes Schienennetz wie in Europa. Man braucht fast vier Stunden, um mit dem Zug von Boston nach New York zu fahren. Da wäre ein Infrastrukturprojekt zum Ausbau dieser Strecke auf dem Höhepunkt der Krise doch eine gute Sache gewesen. Dasselbe gilt für Investitionen ins Bildungssystem. Solche Staatsausgaben erhöhen das Potenzialwachstum einer Volkswirtschaft......typische

keynsianische Politik, die von Neoliberalen normalerweise bekämpft werden.

In Europa sind jedoch einige Staaten (Griechenland, etc..) aber derart verschuldet, dass Mehrausgaben keine Option sind. Man kann eine Schuldenkrise nicht mit noch mehr Schulden bekämpfen.

Gewisse Peripherieländer der Euro-Zone wären Entwicklungsländer, wenn sie nicht in der Währungsunion wären. Besser wäre, die Regierungen agierten "antizyklisch" (= staatliche Ausgaben für Infrastrukturinvestitionen in Krisenzeiten) und verhinderten so die Entstehung von Krisen. Aber politisch ist dies nur sehr schwer durchzusetzen. Wenn alles wunderbar läuft, hat eine restriktive Haltung des Regulators kaum Chancen. Die Banken haben, wenn es ihnen gutgeht, eine sehr mächtige Lobby.

Negativzinsen hält Rogoff im jetzigen Umfeld für die richtige Politik . Welche anderen Optionen hatte die Schweiz denn angesichts des massiven Aufwertungsdrucks auf den Franken?

Keine Notenbank kann das mehr, auch nicht die amerikanische. Die US-Notenbank Fed wollte die Zinsen erhöhen, wurde dann aber derart überrumpelt von den tiefen Zinsen in anderen Währungsräumen, dass sie zurückkrebsen musste. Natürlich ist das Fed die wichtigste Zentralbank der Welt und beeinflusst mit seiner Politik auch den Rest der Welt. Aber auch das Fed ist den internationalen Kräften ausgesetzt.

Rogoff ist kein Freund von Bargeld und grosse Banknoten würden Kriminalität begünstigen.

Kenneth Rogoff lehrt Ökonomie an der Universität Harvard, war 2001 bis 2003 Chefökonom des Internationalen Währungsfonds. Rogoff hat nicht nur Standardwerke der Makroökonomik wie «Foundations of International Macroeconomics» geschrieben,vielen Studenten auf der Welt ein Begriff. Er zählt auch zu den grössten Experten für Finanzkrisen. Ein weiteres Buch "This Time Is Different: Eight Centuries of Financial Folly" analysiert den Zusammenhang von Verschuldung und Krisen in der Geschichte und ist dadurch auch eine der profundesten Analysen der jüngsten Finanzkrise, dass sich übermässige Verschuldungen stets irgendwann in Krisen entladen. Er kommt zu dem Schluss, dass das Wirtschaftswachstum einer Volkswirtschaft sich dann stark verringere, wenn die Verschuldung auf mehr als 90 Prozent des Bruttoinlandsproduktes steige. Rogoff war zu dieser Aussage gekommen, nachdem er Wirtschaftsdaten der vergangenen 800 Jahre aus insgesamt 66 Ländern analysiert hatte. Dieser Beitrag wurde von vielen Politikern aufgegriffen, um Austeritätsmaßnahmen (=Sparpolitik, de facto Sozialdumping) zu begründen.

Kritik an der Arbeit von Rogoff kam unter anderem vom Nobelpreisträger Paul Krugman, dass die Kausalität umgekehrt sei, Länder hätten deshalb eine hohe Staatsverschuldung, weil sie ernsthafte wirtschaftliche Probleme haben. Rogoff hat offensichtlich bewusst Fehler in seine Excel-Auswertungen gebaut, um die Austeritätspolitik zu unterstützten, was natürlich hohe Arbeitslosigkeit und Sozialdumping zur Folge hat.

https://www.fischundfleisch.com/ebgraz/wer-ist-paul-krugman-nobelpreistraeger-u-nyt-starkolumnist-17493

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Margaretha G

Margaretha G bewertete diesen Eintrag 06.07.2016 19:03:37

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