"Optimierungswahn" - eine kranke neoliberale Gesellschaft

Auch wenn es mich persönlich nicht mehr betrifft, beobachte ich diesen neoliberalen, entmenschlichten Optimierungswahn mit Sorge. In der Sendung DIAGONAL (20.2.16/OE1/17.05) wurde darüber reflektiert, nachstehend ein Memo dazu:

Genießen wir nur mehr, wenn wir arbeiten, oder höchstens noch beim Sport? Arbeitssucht, Körperkult und Versagensangst. Manche überwachen sich selbst mit Schrittzähler- und Kaloriensverbrauch-Apps. Müssen wir uns wie dressierte Affen diesem Optimierungswahn unterwerfen. Nur wenn wir inmitten des Optimierungswahns nicht ausschließlich tun, sondern auch davon lassen können, sind wir imstande, wirklich zu genießen.

Warum aber sind wir als moderne Leistungsträger hyperaktiv bis zum Burnout und halten das Nichtstun kaum mehr aus? In einer Zeit, in der das neoliberale Optimierungsdiktat längst alle Lebensbereiche erfasst hat, kümmern sich immer mehr Berater und Coaches darum, dass wir ja mithalten können. Ernährungs- und Fitnessberater sollen uns zum idealen Körper verhelfen, Mental Coaches zum psychischen Gleichgewicht, das wiederum zur Leistungssteigerung beiträgt. Dabei trägt der Coaching-Boom mitunter bizarre Blüten, die Angebotspalette reicht vom Schlagfertigkeits-Coaching bis zum Flirt-Coaching.

Performanceoptimierung. Bewusstlos gecoachte Menschen. Ich-erschöpft, Ich-versaut – der Sieger muss immer ermittelt werden,nur der zählt und der Rest Witzfiguren.

Nicht Glück (nach Humboldt) ist das Optimierungsziel, sondern der Erfolg (Leistungsgesellschaft, Outperformer werden). Aalglatt und seelenlos werden. Viele Politiker, auch Van der Bellen ist Coachkunde. Man will lernen, souverän und locker zu sein (souverän, schräg, liebevoll sein). Coaching liefert jedoch idR. keine Handlungsanleitungen, der Betroffene muss im Gespräch selbst auf die besseren Ideen kommen.

NLP-Selbstgehirnwäsche, Transaktionsanalyse (beliebt und sehr umstritten aus den USA):

Als Gegenbewegung zur ineffizienten Psychonalyse als effiziente, pragmatische Kommunikationstheorie und Methode zur Veränderung psychischer Abläufe im Menschen. Positiv Denken und alles ist möglich, es gibt keine Grenzen für Spitzenleistungen (Bandler, Grinder – USA). In den 90er-Jahren kam NLP nach Europa. Auch Haider habe dem NLP gehuldigt, was er jedoch dementierte. "Yes-we can" - Philosophie. Statt langes Herumliegen auf der Psychocouch effizienteres neurolinguistisches Programmieren. Besser bekannt ist es unter der Abkürzung NLP. Bis heute erwarten sich Führungskräfte in Wirtschaft und Politik viel von einer Methode, die von den Erfolgreichen für die Erfolgreichen entwickelt worden ist und die Heilsversprechen der Leistungsgesellschaft in suggestive Slogans gießt. Standard-Journalist Christoph Winder hat sich in den 1990er Jahren selbst zum so genannten NLP-Practitioner ausbilden lassen. Er beleuchtet für uns Geschichte und Praxis einer Methode, die so umstritten wie beliebt ist. Cold Reading = – in kurzer Zeit eine Person durch Bewegung und Sprache (Körpersprache) einzuschätzen lernen. Auch ein guter Freund kann ein Coach sein. Vielen fehlen dazu die guten Freunde, daher der Weg zum Coach. NLP ist eine pragmatische Antipsychoanalyse mit schnellen, effizienten Ergebnissen. Einsatz von Trance-Techniken, Visualisierungen, Ankersetzungen (Reflexkonditionierungen). Manager setzen sich abgehobene Ziele durch NLP, es fehlt jedoch die wissenschaftliche Evidenz bei NLP.

Vor vielen Jahren besuchte auch ich ein NLP-Seminar. Mit der Transaktionsanalyse (Eltern-Ich, Kinder-Ich, Erwachsenen-Ich) lernt ich über unbewusst ablaufende Prozesse im Gehirn, dass man sich in die Gefühlslage und Welt des Kommunikationspartners hineinversetzen und sein Verhalten imitieren sollte zum Aufbau einer positiven Beziehungsebene. ZB) Einem wütenden Kunden muss ich "mitwütend" über sein Ärgernis Verständnis zeigen und ihn erst dann langsam herunterholen ("pacing" = im Gleichklang mit ihm sein) oder Niederhockerln beim Kind (Augenhöhe) oder gleiche Körperhaltung des Gesprächspartners einnehmen. Lediglich ein "pace-maker" lässt sich schwer imitieren:)

Kaputte Elite (Consulter = Unternehmensberater):

Anglizismenwahn, 70-Stundenwahn, PPP-Wahn, wir schlafen nicht – wir arbeiten die Nächte durch, Mc. Kinsey lässt grüßen, Jobabbau und der auftraggebende CEO ist dann selbst nicht schuld. Auslagern von CEO-Verantwortung an die Consultingbranche ist ihr primärer Zweck, damit der Firmenchef sagen kann, war nicht meine Entscheidung, sondern die des Cunsulters. Diese Branche hat einen sehr geteilten Ruf. Primär geht es um Jobkillen und Prozessknow - Optimierung. Nur wenn Mitarbeiter ernst genommen und wertgeschätzt werden, sind sie bereit eigene Ideen zu liefern. Consulter holen sich oft auch die Ideen aus den Mitarbeitern heraus und verkaufen sie dann dem Unternehmen. Coaching ist eine Systemtherapie. Ressourcenfokussierungs- und Entdramatisierungstechniken, weil Neoliberalismus eine Realität ist, mit der wir lernen müssen, umzugehen.

„Innovativ sind die Consulter und Technokraten-Manager nur bei der Gestaltung ihrer Power Point Folien. Kritische Entscheidungen werden also deswegen an Unternehmensberater delegiert, um selber als CEO keine Verantwortung tragen zu müssen. Deren Lösungsansätze und Denkmuster wiederum bewegen sich in den engen Grenzen einer inspirationslosen betriebswirtschaftlichen Logik. Ihr teures Produkt ist nicht etwa brillanter Rat, schreibt der ehemalige Unternehmensberater Benedikt Herles in seiner Abrechnung „Die kaputte Elite". Ein Schadensbericht aus unseren Chefetagen.

Poliikercoaching (Charisma-Doping, „Yes we can“ – NLP Mantra):

Der britische Polit-Coach und Medien-Trainer Alec Taylor (Guru u. brit. Journalist) brachte das professionelle Polit-Coaching in den 1990er Jahren nach Österreich und machte Politiker wie Thomas Klestil für den großen Auftritt in der Polit-Arena fit. Die Coach halten sich im Hintergrund, er machte Klestil zum Sieger gegen Streicher bei den BP-Wahlen. Taylor coachte britische Spitzenpolitiker, um TV-tauglich aufzutreten. Umhören und Zuhören ist sein Erfolg. Blickkontakt nie verlieren. Fast alle ÖVP-Politiker werden von seiner Agentur gecoacht. Vorträge müssen strukturiert und entwickelt werden und ein gemeinsames Ziel mit dem Auditorium haben. Auch Fischler wurde von Taylor gecoacht (CSA = Coaching Supervision Academy) . Taferlerfinder - von den Freiheitlichen dann kopiert.

Dressiertes Kind (Privatkindergärten):

Heute wird wieder auf Disziplin wertgelegt. Ballett, Jazz, Englisch, Kinderyoga, HipHop, Klavier, etc..Helicopter-Eltern, Perfektionsdruck der Eltern, schon Vierjährige sollen gecoacht werden. Schon im Kindergarten haben die Eltern Jobangst um ihr Kind. Kinder auf Fehlerfreiheit optimieren. Eltern wollen sich auch über Kinder verwirklichen. Mütter schaukeln sich gegenseitig auf, dein Kind kann das nicht. Man investiert in Kinder wie in Aktien. Auch vor den Kleinsten macht das Leistungsdiktat nicht Halt. Musikalische Früherziehung und Ballett, Leseförderung und Mental-Coaching stehen am Programm. Der Nachwuchs soll möglichst früh auf Erfolg getrimmt werden. Dass kann auch nach hinten losgehen. Die Frühlesemethode hat Hass gegen Buchstaben bei den Kleinsten entwickelt. Statt spielen sollen sie durchoptimiert werden, um kompetitiv zu bleiben, Marktwert zu bekommen.

Manager-Marathonläufer (gelten doppelt so viel) , Personaltrainer, Körpermodellierung – Sixpack, Übermotivierte:

Es reicht nicht mehr schlank zu sein. Heute muss der Körper nach Arbeit aussehen. Athletisch modellierte Körper sind zum Symbol für Erfolg und Disziplin geworden. Ein Manager, der einen Marathon läuft, gilt unter Kollegen gleich doppelt so viel. Wer das schaffen will, ist oft auf professionelle Unterstützung angewiesen. Sich permanent die Ziele erhöhen, unter Druck setzen – Sport ohne Spaß. Alkohol oder Sport, irgendwas muss man finden, was einen herunterbringt, meinte ein gestresster Manager. Ein 70-jähriger Marathonläufer kann auch sehr lächerlich wirken. Boot-Camp (Drilltypen), du musst nur wollen, dann schaffst du alles, hiphophiphophiphop….

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Ich wechsle jetzt einmal die Seite und beschreibe den ewigen Optimierer:

Der Selbst-Optimierer baut mentale Stärke auf, wie Motivation, Konzentration, Zielstrebigkeit, Selbstbewusstsein und Disziplin. Was macht einen mental starken Menschen aus? Er muss "The Big Picture" vor Augen haben........Besonders wichtig ist dabei der Aspekt der Langfristigkeit bzw. das Erreichen eines längerfristigen Zieles – im englischen gerne als „The Big Picture“ bezeichnet. Mit diesem Ziel im Kopf, fallen kurzweilige Gewinne, negatives Feedbacks oder hektische Arbeitstage nicht so schwer ins Gewicht. Die kleinen Ärgernisse nicht wichtig nehmen ist eines der Kennzeichen mentaler Stärke.................

Keine Entschuldigungen suchen:

Ebenso drücken sich Selbstoptimierer nicht vor Verantwortung. Wer Entschuldigungen sucht, entzieht sich der Verantwortung und stellt sich den heiklen Situationen nicht. Auch wenn die äußeren Umstände im Moment ungünstig sind, man ist eigenverantwortlich dafür, wie man mit der Situation umgeht.

Mental starke Menschen sind sich ihrer Schwächen bewusst und akzeptieren sie. So können sie gezielt dagegen arbeiten bzw. ihre Schwächen in Stärken wandeln.

SELBSTOPTIMIERER ("Brainwashing" ):

Sie setzen sich kontinuierlich neue Ziele (sowohl kleine als auch große), um ihre Widerstandfähigkeit zu testen und Eigenschaften wie Disziplin und Durchhaltevermögen zu verbessern und sich damit weiter zu entwickeln. Mit diesen kleinen und großen Erfolgserlebnissen schaffen sie eine Erfahrungsgrundlage, auf die sie in Situationen, in denen ihre Stärke besonders gefordert bzw. strapaziert wird, zurück greifen und sich diese zurück ins Gedächtnis rufen können.

Diese 3 Strategien helfen dir, deine mentale Stärke zu trainieren:

Mentale Stärke bedeutet , dass du in Extremsituationen richtig und zielorientiert reagierst. Auch wenn Investoren abspringen, Kunden oder Mitarbeiter wegfallen oder berufliches und privates Leben aus dem Gleichgewicht geraten, ist Stärke gefragt. Besonders in Alltagssituationen lässt sie sich trainieren. Gehe immer ein Stückchen weiter, auch wenn es anders einfacher wäre, spüre den Widerstand und die leisen Zweifel und mache es trotzdem! Das erleichtert dir das richtige Verhalten, wenn du es wirklich brauchst.

Es geht auch darum, tägliche Rituale aufzubauen, mit denen du Herausforderungen und Ablenkungen immer wieder begegnest und diese dich fordern. Gehe einen neuen fremden Weg zur Arbeit, telefoniere, um etwas abzuklären, obwohl du dich mit Nachrichtenschreiben wohler fühlst oder versuche Dinge zu reparieren, die du sonst wegschmeißen und neu kaufen würdest. Je schneller Handlungen zu Routine werden, desto weniger Energie muss zukünftig dafür aufgewendet werden. Versuche dich an einen Plan zu halten, unabhängig davon, wie das Ergebnis ist und versuche so schnell wie möglich wieder zu deinem Plan zurückzukehren, wenn dir ein Fehler passiert. Denke an dein „Big Picture“!

Optimiere dich selbst!???:

Obwohl Talent, Intelligenz und äußere Umstände Erfolg im Beruf oder Privatleben begünstigen können, ist mentale Stärke ein weit größerer Faktor. Nutze die Tipps, um dein Potential voll auszunutzen...........

Achtung:

Optimierungswahn fällt in die Kategorie "psychische Störungen" nach der WHO-Klassifikation ICD-10 F22.0:.....überwertige Ideen, die sachlich stets einen Realitätsbezug haben und auf den ersten Blick plausibel erscheinen, jedoch den Gedankenstrukturen einer wahnhaften Störung entsprechen. Abgesehen von ihren Wahnthemen funktionieren Patienten mit wahnhafter Störung im Alltagsleben in der Regel ansonsten gut. Allerdings können diese Wahngedanken zu Konflikten in Partnerschaft, Freundeskreis und Sozialleben führen.

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