Unsere DEMOKRATIE beugt sich zunehmend der Macht, Demagogie und den Bullshits.

Als eine regelrechte Sumpfblüte des "Bullshits" präsentiert sich der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump. Die Gehirnwäsche und der "Information-Overflow" des "postfaktischen Zeitalters" löscht in unserer Kultur zunehmend aus der Zeit der Aufklärung erworbene Kompetenzen, wie Objektivität, Verstand und Vernunftdenken aus. Auch zu glauben, man müsse nichts mehr wissen, denn man könne ohnedies alles nachgoogln, ist eine große Fehlmeinung. Es geht nämlich um das damit abhanden kommende, kontextuale Wissen (Zusammenhangswissen), das dabei verloren geht.

Lehrer dürfen in der Schule nach neuestem Stand unserer verfehlten Bildungspolitik kein Wissen mehr abprüfen, sondern nur mehr Kompetenzen. Was nicht geprüft wird, eignen sich Schüler auch nicht mehr an. Das hat zur Folge, dass kontextuales Denken, wozu Wissen erforderlich ist, verlorengeht.

Diese "neue, postfaktische Geisteshaltung" bringt für unsere DEMOKRATIE eine große Gefahr mit sich:

Recht hat im postfaktischen Zeitalter nicht mehr der, der die besseren Vernunftsargumente liefert, sondern der, der die Macht hat. Diese Entwicklung geht schleichend vor sich und man kann nicht genug davor warnen.

Die griechisch-antiken Vernunftphilosophen haben uns das "dialektische Denken" gelehrt. Darunter versteht man einfach gesagt: Argument und Gegenargument prallen aufeinander und herauskommen sollte eine vernunftgeleitete, argumenteabwägende Synthese höhere Qualität (These + Antithese = Synthese). Österreichs Ex-Bundeskanzler Kreisky war ein Anhänger dialektischen Denkens.

Fakten allein bilden jedoch nicht den ganzen Felsengrund der Lebens-Realität ab, sind ebenso kritikanfällig, sowohl von der Interpretation her als auch von der Verifizierung. Sofort ist ein Deutungsspielraum offen. Nietzsche vertrat den extremen Standpunkt, dass es nur Interpretationen und überhaupt keine Fakten gäbe, oder wie es im Englischen heisst: "Facts are factitious" (= etwas Künstliches).

Das Problem der postmodernen Zeit und des postmodernen Denkens ist die rasante Zunahme der Komplexität der Dinge und damit auch eine rasante Zunahme der Interpretationsspielräume. Dies ist auch ein Biotop für Halbwahrheit. Jedoch nimmt auch der Interpretations - Dissens unter durchaus vernunftgetriebenen Experten zu bei Aussagen über komplexe Systeme wie Migrationsdynamik, Meteorologie oder Märkt. In der Ökonomie wurden der vernunftgetriebene "Homo Oeconomicus" oder die auf schwammigem Fundament aufbauende "Wirtschaftsmathematik" zunehmender Kritik ausgesetzt.

Es geht aber auch um ethische Probleme, wieweit das Ende der 90er-Jahre von Amerika infolge der Globalisierung zu uns herübergeschwabbte, "neoliberale Werteethos" haben die Gesellschaft politisch gespalten.

Macht, Wahrheit, Bullshit - unsere Themen der "Postfaktischen Moderne" mit katastrophalen Auswirkung auf die DEMOKRATIE. Faktisches muss das nicht immer etwas mit Vernunft zu tun haben, ist aber gesellschaftlich relevant oder sogar verbindlich.

Beispiele:

"3 politische Szenarien" zu a) "Wahrheit", zur b) "Macht" und zum c) "Bullshit".

a)Wahrheit:

Eine Aussage ist wahr oder falsch (tertium non datur). Lügner werden überführt. US-Aussenminister Colin Powell, der 2003 in der Uno die Intervention im Irak mit falschen faktischen Behauptungen begründete, ein Makel, der ihm bis heute anhaftet.

Indirekt hat Powell jedoch anerkannt, dass es eine Wahrheit oder Nicht-Wahheit gibt und erst die Nicht-Wahrheit (Lüge) gesagt hat.

b) Macht:

Nietzsche's Geist, der "Wille zur Macht" als einzige Wahrheit tritt dabei hervor. Der Führer, der Leithammel, der Übermensch bestimmt.

George W. Bush und seine "usual suspects" haben im Irakkrieg dagegen das Szenario der Macht etabliert. Ein Journalist der "New York Times" (Suskind) zitierte 2004 einen Chefberater der Regierung Bush: "Typen wie ich gehörten, wie das genannt wurde, der realitätsbasierten Gemeinschaft an. Aber so funktioniere die Welt nicht mehr, wir sind jetzt ein Weltreich und wenn wir handeln, schaffen wir unsere eigene Realität".

"Und während Journalisten in dieser Realität Nachforschungen anstellen, handeln wir schon wieder und schaffen neue Realitäten, die Sie auch untersuchen können, und so entwickeln sich die Dinge. Wir sind die Akteure der Geschichte, und Ihnen, Ihnen allen bleibt nur, nachzuforschen, was wir tun."

c) "Bullshits"

Eine Sumpfblüte aus dem Szenario des «Bullshits» ist der gegenwärtige republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump.

Mit demonstrativer Schamlosigkeit produziert er Unwahrheiten und Widersprüche und schert sich einen Dreck um die Folgen. Paradoxerweise macht ihn diese Unglaubwürdigkeit aber umso glaubwürdiger und authentischer, weil er sich im "Bullshit" geradezu suhlt. "Seht doch, ich bin der, als den ihr Politiker schon immer sehen wolltet" . Ein Behaupter, Wortverdreher, Lügner! Ich bin nur ehrlich unehrlich!

Gefahren für die DEMOKRATIE:

Das postfaktische Zeitalter lässt sich nun einfach dadurch charakterisieren, dass in ihm die "vernunftbasierte Wahrheit" gegenüber der "Macht" und den "Bullshitszenarien" immer mehr an Gewicht verliert.

DEMOKRATIE ist der politische Raum, der uns das Recht für das Fragen und Prüfen gibt. In ihm beugt sich die Macht dem Argument, nicht das Argument der Macht oder Bullshitszenarien.

In der digitalen Welt wird es schwieriger, zu überprüfen, was wahr ist und was nicht. Die permanente Informations-Überflutung zwingt uns immer mehr, auf die Standards wie Objektivität und Wahrheit zu verzichten. Die gilt auch für die Beschleunigung des "Onlinejournalismus".

An die Stelle des Faktums tritt das "Postfaktische". Die sozialen Netzwerke tragen mit ihren likes und dislikes das Ihre dazu bei, ob etwas als wahr oder falsch empfunden wird. Auf der Strecke bleibt regelmäßig das vernunftbasierte Faktum.

Winston Smith in Orwells "1984" wird durch Folter dazu gebracht, zu glauben, dass 2 + 2 = 5 ist. Dem Gefolterten ist klarzumachen, dass es keine Wahrheit ausser der von der Partei verkündeten gibt. Dies führt uns auch in das Reich der rechts-und linkspopulistischen - sprich faschistischen Parteien.

Rauscher STANDARD-Einserkastl (Schwache "Eindrücke" v.1.10.16):

Die FPÖ ist eine revolutionäre Partei. Sie möchte die liberale Demokratie zu einem autoritären Führerstaat mit gesteuerten Plebisziten umbauen. Sie bedient sich einer kriminalisierten Sprache (zB. "Kanzler ist Staatsfeind"/Stracheaussage) und frohlockt klammheimlich, wenn Institutionen des Staates wie soeben der VfGH geschwächt werden, bloßgestellt werden. Es werden Gerüchte über Wahlschiebungen gestreut und viele glauben es auch, weil sie auf die politische Elite mit Recht sauer sind. Sie bedenken dabei jedoch nicht, dass sie damit nur vom Regen in die Traufe kommen. Leider sind geschürte Emotionen die härteren, als die vernunftbasierten Fakten.

Heute brauchen wir keine Folterer, wir haben Politiker wie Trump und seine Spin-Doctors. Gewöhnen wir uns an sie, verlieren wir die Basis unserer Kritikfähigkeit, unseren vernunftbasierten Faktenbezug.

"Das Furchtbare" heisst es bei Orwell "war nicht, dass sie einen umbrachten, wenn man anders dachte, sondern dass sie "Recht" hatten (Macht des Faktischen). "Am Ende sind wir nicht mehr sicher, ob 2 + 2 = 4 ergibt", genau solche Verunsicherungen bezweckt der "Bullshitter". Wie verdiente Trump seine ersten Millionen - vom Vater? Woher kommt seine Verachtung für Verlierer? Wie prägten ihn die Frauen in seinem Leben? Mit welchen Steuertrixereien entzieht er seinen Beitrag zum Gemeinwohl? Wenn man eine Dialyse braucht und das Geld dafür nicht hat, wird man in den USA wieder heimgeschickt! Das ist die Folge dieses Systems.

Der Appell an die Wahrheit ist überlebenswichtig für demokratische Gesellschaften. Das Tribunal der Fakten (Institutionen, die stark und neutral genug sind) und nicht der Macht und Bullshitpolitikern muss geschützt werden.

Gesellschaftspolitische Verantwortung dafür tragen neben Elternhaus und Schule insb. die Universitäten, Statistikbehörden und Medien. Das Vertrauen in sie schwindet heute stetig. Die Verdrossenheit gegenüber den Modellen, Analysen, Prognosen der Experten tendiert dazu, dass sich nun jeder zum Experten erklärt. Das Zeitalter des Postfaktischen ist auch eines des Postexpertentums. Wenn aber jeder recht hat, hat niemand recht. Wo die Leitplanken des Faktischen demontiert werden, beginnt die Wildbahn der Stimmungsmache. Die Stunde der Dogmatiker, Demagogen und Dummschwätzer schlägt.

Marktprognosen sind heute kaum mehr, als eine Sammeldarstellung der Gefühle und Stimmungen, die man auch über Twitter entdecken kann. Ihr Hauptanliegen ist nicht das Mitteilen von Wahrheit, sondern das Aufzeichnen von Emotionen und Launen.

Bewirtschaftung von Launen, Unwahrheiten und Emotionen sind die politische Verlockung des postfaktischen Zeitalters. Ihr kommt die Internetgesellschaft dabei entgegen. Gefragt ist nicht mehr, wie man objektives, vernunftbasiertes Wissen gewinnt und dass es auch begründet werden muss.

Auch Google-Wissen ist Wissensersatz, es führt oft zu erkenntnistheoretischer Verantwortungslosigkeit und treibt uns das "sapere aude" (Wage den Gebrauch der Vernunft) Kants aus, nach Gründen zu fragen, eine Aussage zu prüfen, bis wir herausgefunden haben, ob sie stimmt oder nicht.

DEMOKRATIE ist der politische Raum, der uns das Recht für dieses Fragen und Prüfen gibt. In ihm beugt sich idealpolitisch die Macht dem Argument und nicht das Argument der Macht.

Die Zersetzung der DEMOKRATIE mit der Zersetzung ihrer erkenntnistheoretischen Grundlagen ist bereits im Gange und vielen scheint nicht bewusst zu sein, was auf dem Spiel steht.

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Margaretha G

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