Weltpolitische Gravitationszentren, Ideologien und Konfliktpotenziale

Geht man verschiedenen weltpolitischen Spannungen, die an Europa immer weniger vorbeigehen, auf den Grund, ortet man neben verschiedensten Mischformen zunächst einmal im wesentlichen 4 Ideologien, heute sagt man auch Narrative (=Großerzählungen) dazu. Jede beansprucht für sich einen weltpolitischen Alleinvertretungsanspruch:

1) Radikaler Islamismus

Religiös legitimierte Machtansprüche bis zu radikalen und terroristischen Formen des Islamismus. Er wendet sich gegen die aufgeklärte Welt.

2) Populistisch agierender Rechtsextremismus (Faschismus)

Darin stecken nationalistische und völkische Elemente, wonach die Welt segmentiert werden soll. Der Faschismus bzw. Nationalsozialismus bekämpft liberale Demokratien mit ihrer Rechtsstaatlichkeit, Presse-und Meinungsfreiheit, etc... Er wendet sich auch gegen gesellschaftlichen Pluralismus und rassistisches Gedankengut ist stark vertreten.

3) Liberalismus

Ihm zugrunde liegt die Idee der Aufklärung, der Freiheit des Individuums und der Universalitätsgedanke. Der Liberalismus wurde von den Feinden des Absolutismus (Aristokratie, Klerus, Feudalismus) getragen.

4) Sozialistisch- u. Marxistische Ideologie

Sie richtet sich gegen die Klassengegensätze der Gesellschaft mit dem Glauben an eine klassenlose Gesellschaft (= sog. “historischer Meterialismus“) als Endziel eines dialektischen Prozesses, dem eine Gesetzmäßigkeit inne liegen würde. Hat sich nicht bewahrheitet und der Sozialismus insb. die Sozialdemokratie sind von diesem Dogma weitgehend abgerückt.

All diesen entstehungsgeschichtlich oft weit zurückreichenden Leitbildern liegt zu Grunde, dass sie politische Ordnungen entweder festigen oder verändern wollen. Historisch sind alle 4 Weltbewegungen angetreten, die jeweils vorherrschende Weltordnung zu ändern. Im Wetteifern dieser politischen Ideen steckt oft auch ein gerüttelt Maß an Militanz. Die primären Feinde des Liberalismus sind die nicht universalistischen Weltdeutungsmonopole von Rechtsextremismus und Islamismus. Auch der Kommunismus wird insb. in den USA gemieden, wie der Teufel das Weihwasser meidet.

Der liberale Universalismus steht unter dem Primat der Freiheit, die gleichermaßen politische, rechtliche, gesellschaftliche und ökonomische Freiheit einschließt. Der Liberale fühlt sich historisch gesehen als von absolutistischen Zwängen befreites Subjekt. Die Anhänger dieser Idee waren historisch im aufgeklärten Bürgertum und bei den Kaufleuten, Wissenschaftlern, Freimauerern, etc.. zu finden. Die liberale Idee stellt die Autonomie des Menschen, des Individuums in den Mittelpunkt als erkenntnisfähiges Subjekt.

Der Rechtsextremismus weist ideengeschichtlich starkes faschistisches Potential auf mit stark populistischen Elementen. Er teilt auch eine Omnipotenz-Phantasie eines Willens zur unbedingten und unbegrenzten Macht. Jede davon abweichende Meinung wird sofort als Feindbild bekämpft. Ein homogener Volkskörper mit stark nationalistischen Elementen ist sein Ziel, jeglicher Universalismus wird bekämpft. Aus dem „demos“-Volk macht der Rechtsextremismus ein „ethnos“-Volk, aus einer „pluralistischen Gesellschaft“ eine „monistisch ethnische Gemeinschaft“ andere ausschließend, was direkt in den Rassismus führt (Rassenwahn Nationalsozialismus). Jeglicher ethnischer, multikultureller Pluralismus und auch Toleranz sind verpönt. Jeder Gegner wird sofort als Feind angesehen.

Der „radikale Islamismus“ will eine weltumfassende islamische Gemeinschaft von Gläubigen errichten, eine homogene Gemeinschaft von gläubigen Muslimen. Freiheit und Gleichheit lehnt er ab und auch die Trennung von Kirche und Staat. Die Scharia steht über der staatlichen Verfassung, wir sprechen auch oft von Theokratien. Die Moderne und der Hass auf den liberalen, demokratischen Westen und Gewaltbereitschaft sind auch immer wieder auffällige Kriterien des Islamismus. Religion ist nicht Privatsache, Abtrünnige werden oft bis zum Tod verfolgt. Die Verbindung von politischer Ordnung mit Religion zu einer islamischen Weltordnung („Nizam Islami“) steht diametral dem westlichen Verfassungsprinzip der "Trennung von Kirche und Staat", wo sich die Kirche der weltlichen Verfassung unterzuordnen hat, gegenüber.

Die gegenwärtigen Konflikte und Migrationswellen aus meist im Kriegszustand befindlichen, islamistisch arabischen Staaten müssen auch als Kampf dieser konkurrierenden politischen Ideen begriffen werden. Nur unter Berücksichtigung dieser Tatsache können Lösungsansätze überhaupt gefunden werden.

Seit dem Fall der Berliner Mauer und Zusammenbruch des Kommunismus ist das marxistische Gedankengut stark in den Hintergrund getreten, viele Oststaaten wurden demokratisiert. Russland weist starke, oligarchische Element mit absoluten Machtansprüchen Putins auf und China hat mehr mit autoritärem Staatskapitalismus, als Kommunismus gemein. Was bestehen blieb, ist das stark gemäßigte sozialistische, insb. sozialdemokratische Gedankengut.

Zum Thema Marxismus verweise ich auf einen eigenen Beitrag unter:

https://www.fischundfleisch.com/ebgraz/was-ist-eigentlich-von-karl-marx-geblieben-kann-es-eine-gemeimsame-idee-von-sozialismus-und-11653

Die Sozialdemokratie kämpfte für einen breiten Mittelstand und Chancengleichheit für alle. Sie trat für eine soziale Marktwirtschaft ein. Im Laufe der Jahre geriet der Sozialstaat an die Grenzen seiner Finanzierungsfähigkeit und mit dem Neoliberalismus schlug das Pendel wiederum radikal in die Gegenrichtung aus.

Meine persönliche, politische Position ist eine „Freie Marktwirtschaft“, jedoch mit „sozialem Antlitz“.

Der im Zuge der Globalisierung von Amerika ausgehende Neoliberalismus seit den 90er-Jahren hat zu einem ungezähmten, entarteten Kapitalismus geführt. Eine Herrschaft des Finanz-und Konzernkapitalismus, rüchsichtslos gegenüber sozialen Anliegen oder Anliegen des Umweltschutzes. Er hat die Schere zwischen Arm und Reich stark geöffnet, eine Gesellschaft mit viel mehr Verlierern als Gewinner geschaffen und den politisch stabilen Mittelstand abgegraben. Folgt man Piketty, besitzen 10% der Gesellschaft rd. 70% des Volksvermögens und ohne dem Benefizium einer nennenswerten Erbschaft mit bloßem Leistungseinkommen hat man heute kaum eine Chance , zu Vermögen zu kommen. Nach Piketty stagniert das Leistungseinkommen seit Jahren, die Vermögenrendite dagegen weist steil nach oben.

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