Empörungsblinde: Die Zweiklassengesellschaft der medialen Empörung

Im thüringischen Niederdorla fuhr ein 41-jähriger Mann mit einem Pick-up-Truck bei einer Kirmes auf eine Menschengruppe zu. Fünf Personen wurden dabei leicht verletzt, konnten jedoch durch einen beherzten Sprung dem Zusammenprall entgehen. Die Polizei nahm den Tatverdächtigen fest, der bereits vorher durch riskante Fahrweise aufgefallen war und vor der Kontrolle geflüchtet war. Die Ermittlungen laufen, ein politisches Motiv wird derzeit ausgeschlossen, und es wird vielmehr geprüft, ob der Fahrer alkoholisiert war und wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und Nötigung belangt werden kann.

Das Interessante ist nicht nur der Vorfall selbst, sondern vor allem die kognitive Dissonanz in der Empörungscommunity. Während ähnliche Taten von vermeintlichen Muslimen in der Vergangenheit großflächig medial ausgeschlachtet und politisch instrumentalisiert wurden, herrscht bei dieser Tat eines offenbar einfachen ostdeutschen Mannes auffallende Zurückhaltung – das Thema interessiert kaum, Empörung bleibt aus. Kein Aufschrei, keine moralische Entrüstung in den üblichen Kreisen, keine mediale Dauerberichterstattung.

Es scheint also, dass die gesellschaftliche Empörung, die sich sonst mit großer Vehemenz in den sozialen Medien entlädt, selektiv ist: Kein Muslim, keine mediale Empörung. Der Fahrer, ein sogenannter „Ossi“, löst nicht die erwartete Empörungskaskade aus. Dabei ist egal, ob es sich um eine vorsätzliche Tat handelt oder nicht, die Verletzten bleiben verletzte Menschen, das Leid ist das gleiche.

Diese Doppelmoral offenbart, wie sehr Empörung oft weniger auf der Tat als auf der Herkunft oder dem vermeintlichen Motiv beruht. Die Empörungscommunity zeigt sich hier erstaunlich gleichgültig, wenn es nicht ins narrativ passt. Offenbar wird nur dann auf die moralische Pauke geschlagen, wenn jemand einer bestimmten Gruppe angehört – ein klarer Beweis, dass wirkliche soziale Gerechtigkeit und unvoreingenommene Empathie bei vielen ein Fremdwort geblieben sind. Ein trauriges Spiegelbild der selektiven Moral unserer Zeit.

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