„Ich weiß nur das eine: Ich (…) hab mich meinem Gott nie näher gefühlt, als wenn ich – die Büchse über den Knien – in der goldenen Frühe des einsamen Hochgebirges oder in der rührenden Stille des abendlichen Forstes saß.“ Der das 1912 schrieb oder (wahrscheinlicher) schreiben ließ, der deutsche Kronprinz Wilhelm, sorgte 4 Jahre später als Kommandant der nach ihm benannten Heeresgruppe dafür, dass Hunderttausende Menschen aus der Hölle von Verdun unfreiwillig näher, ganz nah zu ihrem Gott rückten, indem sie zerfetzt, lebendig begraben oder von Kugeln durchsiebt wurden. Ich frage mich, ob der Kronprinz, aus dessen Buch „Aus meinem Jagdtagebuch“ der eingangs zitierte Satz stammt, das kommende Menschenschlachten ahnte, als er vor einem erschossenen Tiger posierte. Sein Tropenhelm wirft einen Schatten auf seine gelösten Gesichtszüge, die Flinte hält er in Höhe seines Geschlechtsteils, seine indischen Gehilfen bilden, in einigem Abstand, einen Halbkreis um ihn. Sie hatten ihm, der um die halbe Welt gereist war, um einen Tiger zu töten, das Tier zugetrieben, das ihn weder angegriffen noch bedroht hatte. Selbst im Tod – es sieht wie schlafend aus – nimmt sich dieses Tier würdevoller aus als der bewaffnete Depp, der sich so stellte, als wisse er bereits, dass er dieses Bild auf den Umschlag seines künftigen Steady-Sellers (29. Auflage 1976) drucken wird.

Springen wir zu den adligen Jägern der Gegenwart: Am 26.12.2025 jubelte Lucas von Bothmer, Verleger des Jagdmagazins „Der Überläufer“ und Mitherausgeber des „Deutschen Waffenjournals“, in der „Welt“ darüber, dass Wölfe nun wieder deutschlandweit bejagt werden dürfen, dass also „das Raubtier endlich zum Abschuss“ freigegeben sei und „all die verzweifelten Bauernproteste“ und „Fackelmärsche“ zum Erfolg geführt hätten. Ein „Gesamtabschuss von mindestens 1000 Wölfen“ sei „ab Juli 2026 dringend geboten“, also die Reduzierung des Bestandes in Deutschland um ein Viertel, um den „Herdenschutz, der (…) 100 Millionen Euro Steuergeld vernichtet“ habe, langsam überflüssig zu machen. Da putzt wohl jemand voller Vorfreude seine Flinten im Waffenschrank, und natürlich ist es bedauerlich, dass gelegentlich Weidentiere von Wölfen (und anderen Tieren) gerissen werden. Zu fragen wäre aber, ob eine Begegnung mit Jägern nicht gefährlicher sein kann als eine mit den menschenscheuen Wölfen, zumindest legt das eine Chronik von Peta nahe (https://www.peta.de/themen/jagdunfaelle/). Und dabei rede ich nicht einmal von den Gefahren, die sich daraus ergeben, dass Jäger (wie Sportschützen) jederzeit Zugriff auf ihren Waffenschrank haben: Ende November 2025 erstach im Saarland ein Mann, der eine Rune als Tattoo trug, mit einem Jagdmesser einen Gerichtsvollzieher. Glimpflicher ging ein Fall in Crailsheim aus: ein 26jähriger, der wegen seines Jagdscheins legal Waffen besaß, hatte damit gedroht, möglichst viele Geflüchtete zu töten, er hatte sich die Landesaufnahmestelle in Ellwangen als Ziel ausgesucht. Wenige Tage später tötete ein 63jähriger im Kreis Reutlingen seine zwei Söhne, seine Schwester, seine Ehefrau und anschließend sich selbst. Als Jäger besaß er seine Schusswaffen ganz legal. Wäre es nicht an der Zeit, diese Herrschaften zu entwaffnen? Das, was sie als eine ihrer Hauptaufgaben bezeichnen, die Reduzierung des Wildbestands um kranke Tiere, erledigen doch eh die Wölfe.

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Stinktier

Stinktier bewertete diesen Eintrag 31.12.2025 16:20:01

berridraun

berridraun bewertete diesen Eintrag 31.12.2025 15:20:00

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