Die neue Wirtschaftsministerin Katherina Reiche erlebt gleich zu Beginn ihrer Amtszeit eine herbe Enttäuschung: Der größte Verband der Energiewirtschaft fordert sie öffentlich auf, nicht mit eigenen Gesetzesinitiativen Zeit zu verlieren, sondern stattdessen den Gesetzentwurf von Vorgänger Robert Habeck zum Bau von Backupkraftwerken umzusetzen. Reiches eigener Vorschlag wurde bereits von der EU abgelehnt, weshalb die Branche nun auf eine schnelle und praktikable Lösung drängt. Für Reiche ist das eine politische Höchststrafe, denn sie muss erkennen, dass ihre eigenen Ideen nicht nur auf europäischer Ebene wenig Chancen haben, sondern auch von den wichtigsten Akteuren der Energiewirtschaft nicht unterstützt werden.
Die Situation ist angespannt: Deutschland braucht dringend neue Backupkraftwerke, um die Versorgungssicherheit in Zeiten der Energiewende zu gewährleisten. Ohne diese Kraftwerke drohen Versorgungsengpässe, die den Kohleausstieg gefährden könnten. Habecks Gesetzentwurf sieht vor, neue Gaskraftwerke zu fördern, die später auf Wasserstoff umgestellt werden können. Dieses Konzept gilt in der Branche als alternativlos, da es sowohl kurzfristig die Versorgung absichert als auch langfristig die Klimaziele erreichbar macht.
Auffällig ist, dass die neue Unionsregierung nicht nur in der Energiepolitik auf die Vorarbeiten der Ampel-Regierung zurückgreift. Auch in anderen Bereichen, etwa bei der Förderung klimafreundlicher Technologien oder der Modernisierung des Stromnetzes, setzt die Union auf die bereits ausgearbeiteten Vorschläge von Habeck und seinem Team. Der Grund dafür ist einfach: Viele dieser Konzepte sind mit europäischen Vorgaben abgestimmt und gelten als die einzig realistischen Wege, die Herausforderungen der kommenden Jahre zu meistern. Ein kompletter Neuanfang würde wertvolle Zeit kosten und die Wirtschaft zusätzlich verunsichern.
So bleibt für Ministerin Reiche wenig Spielraum für eigene Akzente. Der Druck aus Wirtschaft und Politik ist enorm, und die Herausforderungen der Energiewende lassen kaum Raum für Experimente. Die neue Regierung muss anerkennen, dass die fundierte Vorarbeit der Ampel-Regierung in vielen Bereichen alternativlos ist.