Zu billiger Warentransport auf der Straße tötet Menschen!

Deutsche Familie bei der Rückkehr aus den Ferien ausgelöscht

Bei der Eröffnung des Gotthard-Straßentunnels am 5. September 1980 versprach Bundesrat Hürlimann der betroffenen Bevölkerung, der Tunnel werde «niemals ein Korridor für den Schwerverkehr werden».

Am 26.07.2016 - 16:23 Uhr berichtete die Zeitung Südostschweiz: »Ein Auto mit deutschem Kennzeichen wurde zwischen einem vorausfahrenden und einem nachfolgenden Lastwagen eingequetscht. Wie viele Todesopfer es gibt, ist unklar.«

Weshalb das so lange unklar war (bis zur aktualisierten Meldung, am 26.07.2016 um 21.36 Uhr, durch die Schweizerische Depeschenagentur), zeigt dieses Bild auf bluewin.ch: ein auf einen stehenden Lkw aufgefahrener Schwertransporter. Zur Erklärung: Der zweite Lkw scheint unmittelbar in den davor sthenden verkeilt. Die Reste des Personenwagens befinden sich irgendwo dazwischen, sind aber praktisch nicht mehr sichtbar.

Weshalb wurde das vor 36 Jahren abgegebene Versprechen nicht eingehalten? Die siebenköpfige eigenössische Regierung ist bei genügend längerfristigem Druck aus dem Inland (Lastwagen-Lobby) – und aus dem Ausland bzw der EU – schon mehr als einmal eingeknickt. Aber nicht nur die Schweizer sind geldgeil.

Erinnern Sie sich an den Brand im Mont-Blanc-Tunnel (1999)? Auf http://de.atropedia.net/article:eaba1d lässt sich dazu Folgendes lesen: »Zu den schlimmsten Tunnel-Unglücken in Europa zählt sicher die Feuerhölle vom 24. März 1999 im französisch-italienischen Mont-Blanc-Tunnel. 39 Menschen wurden teilweise bis zu Asche verbrannt. Die Brandkatastrophe vom Mont-Blanc hatte auch ein langes gerichtliches Nachspiel, bei dem klare Schuldzuweisungen am Schluss ausblieben.

Vermutlich war es eine weggeworfene Zigarette, die am 24. März 1999 eine der verheerendsten und höllischsten Tunnelbrände in Europa ausgelöst hatte. Sie war in den Luftfilter eines ... LKWs gelangt und versetzte dessen Motor in Brand. Nachdem der belgische Fahrer des mit 20 Tonnen Mehl und Margarine beladenen Lasters den Brand bemerkte, hielt er mitten im Tunnel an und verließ seinen Wagen. Ein wohl fataler Fehler. Wäre der Lkw-Fahrer einfach weiter gefahren, so hätte er die brennende Fracht vermutlich aus dem Tunnel schaffen können und 39 Menschen wären jetzt noch am Leben.«

Mehl und Margarine unterwegs von Belgien nach Italien? Handelte es sich um eine Liebesgabenaktion, weil den Italienern im März 1999 Mehl und Butter ausgegangen waren? Mitnichten! Man vernahm damals, dass es für diese Produkte eine Börse gab und der Preis für den Straßentransport so günstig war, dass sich dank der von Land zu Land ungleichen Nahrungsmittelpreise eine Stange Geld verdienen ließ. An Währungsunterschieden dürfte es kaum gelegen haben, denn auf Google liest man bezüglich des Euros: »Der Euro wurde am 1. Januar 1999 als Buchgeld ... eingeführt.«

Die Liste der »Produkte«, die wegen unterschiedlicher Warenbörsenkursen über tausende von Kilometer verschoben werden, ließe sich beinahe endlos fortsetzen: Ziegel aus Catania (Sizilien) werden nach Hamburg transportiert, Schafherden aus Schottland (darum zuvor »Produkte« in Anführungs- und Schlusszeichen) ans Ende des italienischen Stiefels. Natürlich fügt man vor der Abfahrt einen bestimmten Prozentsatz Tiere bei, weil man im voraus weiß: Sie werden nicht alle lebend ankommen.

Vor Jahren konnte man von der Odyssee lesen die Krevettenkonserven hinter sich hatten: Von deutschen Fischern vor Grönland gefangen, wurden diese Meeresfrüchte von Hamburg nach Polen transportiert, um in Akkordarbeit geputzt und geschält zu werden. Die Einschweißung in Konservenbüchsen erfolgte dann in Griechenland. Gegenüber dieser unverbürgten Geschichte habe ich aber die folgenden selbst erlebt.

Im Berner Jura, wo die Tanne der verbreitetste Baum ist, bauten wir ab 1959 ein Haus und erweiterten es 1982. Was für Holz für die Täfelung verwendet wurde, liegt wohl auf der Hand. Ein Sturm legte Mitte der Achtzigerjahre den Wald eines Nachbarberges um. Die Kapazität der einheimischen Sägereien genügte nicht mehr, um dieses Fallholz zu verarbeiten. Ganze Güterzüge wurden damit beladen und die Fracht nach Italien geschickt. Als ich ein paar Jahre später weiteres Tannentäfer benötigte, entdeckte ich beim Auspacken, dass es aus Skandinavien kam.

Einige Monate später beabsichtigte ich Eichenschwarten für die Außenverkleidung eines Holzschopfs zu verwenden, wie ich einige Zeit zuvor schon welche gekauft hatte. Als ich zur Sägerei ins Nachbardorf fuhr, musste ich vernehmen: Die örtliche Sägerei gab es nicht mehr!

Ein Freund aus dem Tessin erwarb vor ein paar Jahren in einem nahen Steinbruch bei einem Steinmetz einen Brunnen aus Granit. Als er ihn in seinem Garten aufstellte, bemerkte er, dass das Produkt aus China kam! Vermutlich auf einem der Holzpalette importiert, mit welchen in der Südschweiz vor einiger Zeit ein asiatischer Schädling ins Land gebracht wurde, der vielen Kastanienbäumen das Leben kostete.

Wie lange soll dieser Irrsinn noch weitergehen? Wer auch nur bruchstückhafte Kenntnisse der Volkswirtschaft hat, wird zur Überzeugung gelangen, die Warentransporte sind zu billig und schuld an der Ausmerzung der einheimischen Produktion. Ich habe einmal gelesen, dass zu Napoleonszeiten viele Gebiete, deren Grenzen im Laufe eines Tages – mit einem Fuhrwerk hin und zurück – erreichbar waren, weitgehend autark zu leben imstande gewesen wären. Natürlich wären damals an Weihnachten keine Erdbeeren als Nachspeise servieren worden. Und Spargeln hätte man wohl im Januar noch vergeblich gesucht. Aber, muss das sein?

Ab un zu gibt es einen schwachen Lichtblick am Ende des Lochs, in das wir uns selbst manövriert haben. Im Dezember wird der Gotthard-Basistunnel für den Schienenverkehr freigegeben. Er wird einen Teil des Frachtverkehrs von der Straße nehmen.

Bertrand Piccards Flugzeug Solar-Impulse hat soeben die Welt umrundet, ohne einen Tropfen Kerosin zu verbrennen.

Einstweilen herzliches Beileid an die Hinterbliebenen der deutschen Familie, die am Gotthard ausgelöscht wurde!

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robby

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Margaretha G

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