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Da haben wir uns am letzten Freitag aber ganz schön vertan. Wir waren wirklich fest davon überzeugt, daß sich CDU, CSU, Grüne und FDP auf eine gemeinsame Koalition einigen würden – ganz gleich, wie gruselig die gewesen wäre. Daß die FDP hier Courage zeigt und die Notbremse zieht nötigt uns Respekt ab. Man kann eben nicht immer alles mit jedem machen. In über 200 Punkten hätte man selbst bei einer formalen Aufnahme von Koalitionsverhandlungen keine Einigung gehabt; wie soll das vier Jahre durchhalten? Das geht gar nicht.

Nun war ja eigentlich von Anfang an klar, daß so eine Bundesregierung sich allenfalls selbst tolerieren müßte und von politischer Gestaltung könnte keine Rede sein. Joachim Herrmann und Claudia Roth am gleichen Kabinettstisch? Horst Seehofer und Simone Peter im Koalitionsausschuß? Was Erzählungen zufolge in den allabendlichen Gesprächsrunden auf ARD und ZDF ganz lustig sein soll wäre jedenfalls nicht geeignet, um eine Form von Politik zu machen, mit der eine solche Regierung in überhaupt irgendeine Richtung gehen könnte.

Man hat das ja schon anhand der Nachrichten erfahren, die im Rahmen der Sondierungsgespräche so ans Licht der Öffentlichkeit gekommen sind. Wir haben uns gefragt, was um alles in der Welt ein atmender Rahmen sein soll. Ist das eine der Kreaturen aus Dr. Frankensteins Labor? Oder hängen solche Dinger im transsylvanischen Drachenschloß von Graf Dracula an den Wänden? Und welchen Bezug soll das zu einer möglichen Regierungsbildung in der BRD haben? Ein atmender Rahmen als Obergrenzbegrenzung? Das klingt plemplem und das ist es auch.

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Natürlich ist die übliche Medienwalze sofort unterwegs und schreibt den Liberalen die Schuld zu. Wir haben gestern spät abends den Satz gelesen, daß die CDU-Delegation sichwohl im wesentlichen auf die Grünen konzentriert haben soll. Wir können das nicht verifizieren, aber es ist durchaus naheliegend, daß man bei den Unionsgranden davon ausging, die FDP im Sack zu haben – aber was sonst immer geklappt hat, funktioniert diesmal nicht mehr.

Und jetzt?

Zuerst, da bleiben wir beim letzten Freitag: Wahlen sind vom Umtausch ausgeschlossen. Politiker haben nicht das Recht, solange wählen zu lassen, bis das Ergebnis stimmt. Der Bundestag hat zudem – anders als die meisten Landtage – kein Selbstauflösungsrecht. Auch das ist eine der bitteren Lehren der Weimarer Republik. Die Bundesregierung bleibt zudem geschäftsführend im Amt. Die Bundeskanzlerin ist zudem weiterhin aufgerufen, sich eine Mehrheit zu organisieren.

Die Regeln sind klar: Im dritten Wahlgang reicht einem Bundeskanzler eine einfache Mehrheit, um gewählt zu werden. Er kann dann einer Minderheitsregierung vorstehen. Das Problem ist: Bei einer schwarz-gelben oder schwarz-grünen Minderheitsregierung würden wohl alle anderen Fraktionen schlicht gegen Merkel stimmen. Sie bräuchte in jedem Fall eine Fraktion, die sich im dritten Wahlgang zumindest enthält. Ansonsten bleibt dem Bundespräsidenten wohl nichts anderes übrig als den Bundestag aufzulösen und Neuwahlen auszurufen.

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Potentielle Neuwahlen im Februar oder März 2018 würden aber womöglich gar keine anderen Mehrheitsstrukturen bringen. Ja, vielleicht wandern ein paar Mandate von der Unionsfraktion zur FDP und Frauke Petrys Bundestagskarriere wäre wohl außerordentlich kurz gewesen, aber sonst? Gerade nachdem die Bundeskanzlerin angekündigt hat, erneut kandidieren zu wollen, gibt es unserer Ansicht nach keinen Grund zu der Annahme, daß man plötzlich eine stabile schwarz-gelbe oder gar rot(-rot)-grüne Mehrheit im Bundestag hat.

Neue Wahl, altes Problem

Die Parteien würden das Problem damit wohl kaum lösen. Würde man wieder wochenlanges Jamaika-Gezerre haben? Nur, wieso sollte eine solche Koalition nach den Wahlen funktionieren? Oder spekuliert die FDP gezielt darauf, bei Neuwahlen ein paar Mandate mehr zu haben? Vielleicht, aber die Grünen wären in jedem Fall weiter nötig, denn für schwarz-gelb wird es nicht reichen. Gibt es dann vielleicht doch wieder eine große Koalition? Aber wenn die SPD das jetzt ablehnt – und das tut sie – dann wird sie die jetzige Koalition nach einer Neuwahl wohl kaum doch fortsetzen.

Annika Haas https://www.flickr.com/photos/eu2017ee/36683075104/

Hier taucht das entscheidende Problem der Bundeskanzlerin auf: All die, die schon mit ihr regiert haben, möchten das nicht mehr tun. Denn sowohl für die SPD als auch für die FDP endete die gemeinsame Regierung mit ihr tragisch. Zur Erinnerung: Als 2005 Gerhard Schröder abgewählt wurde, hatte die SPD 34,2 Prozent. 2017, nachdem man von zwölf Jahren acht mit Angela Merkel regiert hat, waren es noch 20,5 Prozent. Die FDP mußte nach vier Jahren mit Angela Merkel 2013 sogar den Bundestag verlassen und die CSU hat bei den Bundestagswahlen das schlechteste Ergebnis seit 1949 erlitten – kommt aber mit dem Damoklesschwert einer womöglich auch im Freistaat Bayern antretenden CDU nicht aus der Nummer raus.

Aber wenn die Unionsfraktion wohl geschlossen der Ansicht ist, daß Angela Merkel nach wie vor die richtige ist, nunja – dann können wir es auch nicht ändern. Wir sind uns aber sicher, daß sie nicht von selbst den Weg aus dem Palais Schaumburg finden wird. Noch vor ein paar Jahren machte es den Anschein, daß es sie reizt, irgendwann einfach von sich aus zu gehen. Doch so wie ihre großen Vorgänger Konrad Adenauer und Helmut Kohl am Ende auf die harte Tour lernen mußten, daß ihre Zeit vorbei ist, scheint Angela Merkel auch genau diesen Zeitpunkt verpaßt zu haben. Würde sie jetzt gehen, wären wohl mehr Leute erleichtert als traurig. Das war vor ein paar Jahren noch anders.

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