Hilfe, der Staat beraubt mich!

Oder vielleicht doch nicht? Vor allem von wirtschaftsliberaler Seite her werden Steuern immer wieder als etwas bezeichnet, das „uns weggenommen“ wird. Dabei sind Steuern eine grandiose Erfindung, eventuell sind es die Verwalter*innen, die daraus etwas Schlechtes machen.

Ich habe keine WG-Erfahrung. So richtig null. Also außer Besucher, der vor allem während des Studiums dort hin ging, wenn mir daheim fad war und das Geld fürs Lokal gefehlt hat. Dosenbier und Sackerlchips also. All diese Wohngemeinschaften mussten ihr Zusammenleben freilich regeln, vor allem die Allgemeinheit betreffend. Wer putzt den Dreck der Schnorrer, die wegen keines Geldes zum Dosenbiertrinken erschienen sind? Wessen Bier war das im Kühlschrank, dass eben jener Schnorrer weg gesüffelt hat?

Nun, der Grundsatz einer Wohngemeinschaft ist ja meistens, dass das Leben zu mehrt mehr Spaß macht. Ferner oder näher auch, dass es einfach billiger ist. Das Aufteilen der gemeinsamen Ausgaben beginnt also bei der geteilten Miete und geht zumeist auch bis zu einer gemeinsamen Kassa für allgemeine Ausgaben. Das können Putzmittel sein und im Kühlschrank pickt dann am Sechsertragerl ein „Hansi“-Post-It – oder es wird gemeinsam mit einem gemeinsamen Budget eingekauft. Dazu schmeißt dann jede*r Bewohner*in einen Beitrag ins Körberl, in einigen WGs hat sich dieser Beitrag sogar am Einkommen der Menschen orientiert.

Wenn man so will, handelt es sich dabei um Steuern, weil alle einen Teil ihres Geldes hergeben, um Dinge, die für alle da sind, zu kaufen. Kein*e WG-Bewohner*in würde auf die Idee kommen, sich darob beraubt zu fühlen. Außer vielleicht, der Hansi hat fürs Wochenende statt Brot, Butter und Marmelade ausschließlich Bier und Magic-Karten gekauft. Zumindest hat man in Österreich angesichts des Hypo-Debakels genau diesen Eindruck: Dass das Geld der Allgemeinheit nicht sinnvoll eingesetzt wird. Aber belassen wir es einmal beim sinnvollen Einsatz der solidarisch eingezahlten Mittel.

Steuern an und für sich sind keine Erfindung der Neuzeit. Vermutlich kann man das Aufteilen der erjagten und ersammelten Güter in sehr alten Gemeinschaften bereits als Solidarabgabe im Sinne der Gemeinschaft verstehen. Es wäre für die Gruppe ja nicht gut, wenn die, die Beeren sammeln, nur jene essen und die, die gejagt haben, nur ihr Fleisch essen. Die ersten Belege gibt es aus Ägypten und Mesopotamien, Rom und Athen sind sehr bekannt für frühe staatliche Organisation; den Eurozentrismus beiseite gelassen ist aber davon auszugehen, dass Tribute, Zölle, Zehnte oder sonstige Abgaben überall eingehoben wurden, wo Menschen zusammen lebten. Das war nicht immer freiwillig, aber im Ansatz vergleichbar.

Ich bin sicherlich einer der letzten Menschen, die den modernen Staat und die heutige, repräsentative Demokratie an sich als ideale Form des Zusammenlebens erachten, allerdings haben wir einfach nichts Besseres. Da sollte man es sich, gerade als Europäer*in, mit Winston Churchill halten: „Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen - abgesehen von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind.“ Jetzt müssen wir eben damit leben. Jeder verdient etwas und zahlt davon seine Abgaben. Mit diesen werden sinnvolle Dinge finanziert. Und weniger sinnvolle. Gerade in Österreich haben wir oftmals einen Haufen an Hansis und Hannas gehabt, die statt dem Brot lieber irgendeinen anderen Scheiß gekauft haben.

Aber sei es wie es ist: Die Steuern, die wir zahlen, lassen Straßen entstehen. Die Sozialversicherungsabgaben bedingen, dass ich – ungeachtet der darbenden „Zweiklassenmedizin“ - jederzeit zum Arzt gehen kann. Und natürlich zahlen auch überzeugte Fußgänger*innen die Straßen der anderen, natürlich zahlen Menschen, die kerngesund sind, die Kosten derer, die öfters zum Arzt müssen. Aber wenn in der WG für das Frühstück aus der Gemeinschaftskassa Nutella, Butter und Marmelade fürs Brot gekauft wird, dann wird das auch nicht in gleichen Teilen auf alle aufgeteilt.

Für das Zusammenleben in der WG „Österreich“ (oder wo auch immer) ist es unerlässlich, dass jeder Mensch seinen Beitrag zum Gemeinwohl abliefert. Ja, das ist zu hoch. Nein, zuviel Magic-Karten, zu wenig Effizienz. Alle wünschen sich weniger Abgaben, notwendig sind sie trotzdem und sie sind vor allem eines: Kein Raub.

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Bernhard Juranek

Bernhard Juranek bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:06

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