Kriminelle Ausländer einfach ausweisen? Willkommen, Rassismus!

Es ist beinahe immer die erste Reaktion, wenn irgendwo irgendetwas passiert und wir erfahren, bei dem oder der Täter*in handelt es sich um Nicht-Österreicher*innen oder Nicht-Deutsche: "Raus mit ihnen, hinfort!" Herzlich Willkommen, Sie haben gerade eine rassistische Äußerung getätigt.

„Ausländerkriminalität“ ist ein schönes Wort für Wahlkämpfe, vor allem für Parteien rechts der Mitte. Law and order sind Schlagworte der politischen Rechten. Dabei darf man sich aber nicht in die Irre führen lassen. Oftmals basieren solche Aussagen letztlich auf Anzeigenstatistiken. Nur sagen Anzeigenstatistiken letztlich nicht alles aus, was es zu wissen gilt. Dens angezeigt werden kann schon einmal alles und sagt auch nichts darüber aus, wie viele Täterinnen und Täter es in Wahrheit gibt. So wurde beispielsweise in Horn im Februar eine Einbrecherbande dingfest gemacht, auf deren Konto mindestens 14 Einbrüche gehen sollen. Insgesamt sollen es sechs Täter gewesen sein. Oder jene Bande, die im Raum Salzburg im April festgenommen wurde; auf ihr Konto gehen 90 Dämmerungseinbrüche. Das sind 90 Anzeigen, aber ein Haupttäter. Wie sagte nicht neulich Kriminalsoziologe Norbert Leonhardmair im Kurier: „Kriminalstatistiken sagen wenig über Kriminalität aus, sondern belegen, was die Polizei tut.“

Wenn es also eher drum geht, was die Polizei macht, dann sind Kriminalstatistiken über Anzeigen also mit Vorsicht zu genießen. Vor allem, weil Österreicherinnen und Österreicher eine Reihe an Delikten aus dem Fremdenrecht schon gar nicht einmal begehen können. Laut einer (zugegeben etwas älteren Untersuchung) werden straffällige Nicht-Österreicher*innen sowohl eher verurteilt, als auch drei Mal eher in Haft genommen. Im Jahr 2011 betrug der Bevölkerungsanteil ohne gerichtliche Verurteilung bei Österreicher*innen 99,6 Prozent, bei Ausländer*innen 99 Prozent. Die überwältigende Mehrzahl der Bürger*innen ist also unbescholten. Berücksichtigt werden muss zudem, dass die Altersgruppe der 15- bis 40-jährigen Männern bei Ausländer*innen um 40 Prozent höher ist als in Österreich. Diese Gruppe von jungen bis mittelalten Männern wird herkunftsübergreifend eher straffällig.

Rechtsnormen und ob sich Verbrechen auszahlt

Wo immer eine Gemeinschaft Rechtsnormen einführt, wird es dazu kommen, dass diese gebrochen werden. Sagt der Staat Österreich: „Wir erachten diese Tat als Straftat“, dann bedeutet das, dass es Personen gibt, die diese Norm missachten. Gewisse Delikte wie Mord, Diebstahl oder Raub sind hingegen weltweit Straftaten. Natürlich gibt es so etwas wie „Grenzkriminalität“. Das ergibt sich laut Berichten über ein hohes Maß an Mobilität in Europa, etwa durch die Personenfreizügigkeit. Und natürlich auch aus dem Umstand, dass Reichtum halt nicht sonderlich fair verteilt ist. Laut einer Fachseite verdient beispielsweise ein Hausarzt nach ein paar Jahren in etwa Rumänien lediglich knapp 600 Euro. Das ist von der Kaufkraftparität her schon recht viel. Ein nagelneues Macbook verscherbelt man also beim Pfandleiher um den Monatslohn und mehr als den Monatslohn eines Arztes (!) ein paar hundert Kilometer weiter östlich. Oder jemand, der trotz Aufenthalts in Österreich kein Einkommen hat und es mit dem Gesetz nicht so genau nimmt, kann mit Straßenkriminalität wie Diebstahl oder Drogenverkauf schon durchaus noch ein paar Euro mehr verdienen.

Wenn, dann

Wenn es also einerseits fast mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit nur unbescholtene Bürger*innen gibt, egal woher sie kommen und andererseits der Umstand, Rechtsnormen zu haben bedingt, dass es Menschen gibt, die diese brechen, entschärft sich die Aussage zur „Ausländerkriminalität“ deutlich. Zudem hängt ein Rechtsbruch auch von den Möglichkeiten ab. Ein etwa Obdachloser kann halt eher schwer bei der Einkommenssteuer bescheißen. Stiehlt ersterer, dann ist es eine Straftat. Wer sich zwar dumm, aber noch nicht im Rahmen des Finanzstrafrechts bewegt, zahlt halt nach. Wer seine Kohle offshore vor dem Zugriff des Fiskus illegal versteckt, wird nicht unbedingt in Grammatneusiedl einen Dämmerungseinbruch machen müssen. Natürlich bedingt Armut nicht notwendigerweise Kriminalität – aber das sagt sich halt auch leicht, wenn man im Speckgürtel Wiens im Grünen wohnt und nur ab und an U-Bahn fährt.

Bekannte Täter

Festzuhalten ist des Weiteren, dass Verbrechen gegen Leib und Leben zu einem großen Teil innerhalb des sozialen Umfelds begangen wird. Mord und Vergewaltigung – also besonders schwere und aufsehenserregende Straftaten – geschehen aber in der traurigen Regel im Bekanntenkreis. „Ein Fremder“ im Wortsinne ist bei diesen Verbrechen in lediglich zehn bis 20 Prozent der Fällen der Täter. Zudem verzerrt natürlich der moderne Hysterieboulevardjournalismus die Wahrnehmung der Realität. In Wien geschahen 2015 20 Morde. Rund 70 Prozent der Morde werden im Familienkreis verübt. Die Wahrscheinlichkeit in Wien überhaupt ermordert zu werden, liegt gemessen an der Einwohner*innenzahl bei 0,001 Prozent, bereinigt durch Morde im Familienkreis bei einer 0,003 Promille (!). Bei Vergewaltigungen liegt die Sache schwierig. Hier stammen 80 bis 90 Prozent der Täter aus dem direkten sozialen Umfeld der Opfer, aber es wird aus veschiedenen Gründen nur jede fünfte bis zehnte Tat angezeigt. Das Strafrecht hilft dabei nicht. Die Beweislast liegt oft beim Opfer, der Mindeststrafrahmen ist mit einem Jahr (bis zu zehn) bei Vergewaltigung auch äußerst gering im Vergleich zu anderen Verbrechen.

Rassismus

Nach Durchsicht all dieser Statistiken kann man ja nur zu dem Schluss kommen, dass anlassbezogenes Schreien nach Ausweisung von kriminellen Ausländer*innen blanker Populismus ist. Insbesondere bei Kapitalverbrechen ist das rein statistisch, bei aller individueller Tragik, grober Blödsinn. Wer dann noch fordert, einen Kriminellen aus dem Land zu werfen, meint auf jeden Fall, wäre er nie hergekommen, hätte es das Verbrechen nicht gegeben. Vielleicht hätte er es woanders begangen, aber der Brunnenmarkt ist uns halt näher als der Basar in Kabul, oder etwa nicht? Wenn wir für das Gedankenspiel aber voraus setzen, der Täter hätte das Verbrechen ohnehin begangen, dann ist die Aussage, dass er es woanders hätte machen sollen, einfach nur rassistisch; denn dann sind uns die Opfer in Kabul oder Kenia weniger wert als am Brunnenmarkt.

6
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
4 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Grubo84

Grubo84 bewertete diesen Eintrag 17.05.2016 00:00:21

PMP

PMP bewertete diesen Eintrag 16.05.2016 22:43:32

sradvanyi

sradvanyi bewertete diesen Eintrag 16.05.2016 21:29:08

Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 13.05.2016 23:28:24

Zauberloewin

Zauberloewin bewertete diesen Eintrag 13.05.2016 16:25:50

Serano

Serano bewertete diesen Eintrag 13.05.2016 16:23:33

100 Kommentare

Mehr von Georg Sander