g.novak

Bei den vielen Ängsten, die man uns einreden möchte, sollten wir eine gewisse Auswahl treffen und uns auf Wesentliches beschränken. Also keine Angst vor einer Migrationswelle, Überfremdung und Auslöschung unseres alpenländischen Brauchtums – einfach weil die Zahlen seit einiger Zeit stark rückläufig sind und die einstige Willkommenskultur endgültig tot ist. Ähnlich unnötig ist die Angst vor der nächsten Wirtschaftskrise, weil wir sie weder als Einzelperson, noch als kleines Land, das Österreich nun einmal ist, verhindern können und im Übrigen derzeit keine Anzeichen dafür zu sehen sind. Über das Vermeiden einer Klimaänderung katastrophalen Ausmaßes ernsthaft nachzudenken, macht da schon eher Sinn, aber was diese Welt, relativ zeitnah in Unordnung bringen wird, ist das zunehmende Ungleichgewicht zwischen Armen und Reichen, das durch die beharrliche Zunahme populistisch agierender Regierungen – Rechter wie Linker, nicht gelöst, sondern verstärkt werden wird. Weil die Kluft zwischen Arm und Reich der Nährboden ist, auf dem populistische Politik eben ganz besonders gut gedeiht.

Man muss junge Menschen vielleicht daran erinnern, aber es gab tatsächlich eine Zeit, in der sich Politiker nicht von Meinungsumfragen und Trendforschern leiten ließen, sondern persönliche Überzeugungen und Meinungen hatten, deren Verwirklichung ihnen Ziel und Anliegen war. Auch diese Politiker von damals waren nicht fehlerlos und natürlich gab es auch politische Skandale, daher war und ist es unverzichtbar, unsere Demokratie als funktionierende offene Gesellschaft zu erhalten und sie keinesfalls zum Diktat manipulierter Mehrheiten verkommen zu lassen. Eben weil wir keine perfekten Volksvertreter finden werden, müssen wir darauf achten, dass die in der Verfassung vorgesehenen Kontrollmechanismen funktionieren und Fehlbesetzungen aus ihren Ämtern wieder entfernt werden können.

Ich gehe davon aus, dass man in einer Zeit, die sich Informationszeitalter nennt, nach einem Jahrhundert in dem viele Millionen Menschen in fürchterlichen Kriegen um Leben und Existenz gebracht worden sind, klug genug ist, die Macht der Volksvertretung nicht in die Hände von Diktatoren und anderen Psychopathen zu geben. Obwohl natürlich auch ich Länder aufzählen könnte, die sehr nah an solchen Abgründen agieren. Ich habe ein gewisses Verständnis dafür, dass jungen Leuten der Geschichtsunterricht, meist aus guten Gründen, egal war und sich kaum jemand darum kümmert, Politik in Rechts und Links zu unterscheiden. Da auch die Politiker selber nicht mehr eingeordnet werden möchten und neuerdings wahlwerbende Gruppierungen sogar vermeiden, sich als Partei zu bezeichnen, ist ein diesbezügliches Unterscheidungsmerkmal auch tatsächlich egal geworden.

Was leider nicht egal ist, ist die Auswahl des politischen Personals, dem wir unsere Vertretung anvertrauen. Während Politiker in früheren Zeiten zumeist eine Vorgeschichte im Sinne eines über Jahre, mehr oder weniger erfolgreich ausgeübten Berufes hatten, erneuert sich die politische Kaste heutzutage fast gänzlich aus sich selber. Womit nicht nur Töchter und Söhne (offenbar eine österr. Spezialität), sondern auch andere politische Seilschaften gemeint sind.

Für die Spalte beruflicher Erfahrung müssen dann tatsächlich Ferialpraxiszeiten und Volontariate herhalten. Während man außerhalb politischer Freunderlwirtschaft sehr rasch einsehen muss, dass sich ohne ordnungsgemäßen Bildungsabschluss kein Blumentopf gewinnen lässt, sieht es so aus, als ob Parlament und Landtage immer mehr zu Verwahranstalten für Bildungsgescheiterte verkommen würden. Wichtiger als ein Studienabschluss scheint das große Seminar in Neuro-Linguistischem-Programmieren, womit man dann in der Lage ist, jedem Gegenüber ein X für ein U vorzumachen.

Um Missverständnissen vorzubeugen, ich sehe nicht die fehlenden Titel als das Problem, sondern die Art und Weise, wie sich unsere angeblich vorbildlichen Vertreter die Karriereleiter hinauf dienen. Nicht selten nämlich wird gehäufte Inkompetenz durch besonders willfähriges Verhalten kompensiert und zwar gegenüber jenen, die sich auf der Leiter des Erfolges bereits eine Sprosse weiter oben befinden. Internalisierte Unterwürfigkeit als Karriereschmiermittel – In Wien kennt man dafür einige unschöne Ausdrücke, die ich hier unerwähnt lassen möchte, aber durchaus salonfähig ist die Bezeichnung „Taschlträger“ und wenn man sich die politischen Kader ansieht, dann findet man fast nur noch Taschlträger der 2. oder 3. Generation. Was bedeutet, dass auch deren ehemaligen Chefs bereits durch gekonntes Liebedienern in ihre Positionen gekommen waren.

Ich habe nichts dagegen, wenn jemand seine Chancen zu nützen versteht, in dem er sich besonders höflich und angepasst präsentiert, aber es entspricht meiner Erfahrung, dass von solchen Personen, im Falle des meist unvermeidlichen Vorrückens an die Spitze der Pyramide, keine großen Ideen und Umsetzungen zu erwarten sind. Im Gegenteil. Diese gelernten Apparatschiks werden ihrerseits weichgespülte Kriechernaturen um sich scharen, weil sie Widerrede mental nicht verkraften und niemals verstehen, was die Aufklärung schon vor mehr als 200 Jahren gefordert hat. Auch weil sie niemals versucht haben, ein freies, unabhängiges Leben zu führen.

Populismus, rechter wie linker, ist der Politikstil, der diesen Karrieren entspricht. Dazu findet sich in einem bekannten Wörterbuch der Satz: „…ist eine von Opportunismus geprägte, volksnahe, oft demagogische Politik, die das Ziel hat, durch Dramatisierung der politischen Lage die Gunst der Massen und damit Wahlen zu gewinnen.“ Damit einher geht die Ablehnung von Machteliten, die Berufung auf das gesunde Volksempfinden, der Anspruch als Stimme des Volkes zu agieren. Und wenn man sich auf der Welt umschaut, dann sieht man, dass das Wahlvolk es zunehmend genauso sieht. Dank der weltweiten Erfolgsgeschichte von Werbung und NLP.

Ich möchte hier nicht darüber diskutieren, was denn die Gründe für das Desaster sein könnten. Ob es die linke Politik und die linke Politikerkaste waren, die ihre Pfründe schamlos ausgeweitet und als logische Reaktion den Rechtspopulismus heraufbeschworen haben. Ob es die perverse Sehnsucht nach einem Dasein als Herrenmensch ist, die all die rechten Schreckgespenster aus den Gräbern kriechen läßt. Die ewige Hoffnung der Linken, jetzt endlich den neuen Menschen zu schaffen, oder die Hoffnung auf ein friedliches Paradies in dem nur noch nichtrauchende Vegetarier zugelassen werden. Es ist aber auch egal, warum das so gekommen ist.

Wovor wir uns alle in Acht nehmen sollten, ist die Ausbreitung der Rattenfänger- Mentalität bei Wahlwerbenden und Wählern. Populistischen Parteien machen sich längst nicht mehr die Mühe, für irgendein Problem tragfähige Konzepte oder Lösungen zu entwickeln. Warum auch? Damit wären sie überprüfbar und könnten in kurzer Zeit entlarvt werden.

Noch glaubt das Volk, dass die Populisten die Meinung des Volkes vertreten, weil der Begriff von populus kommt und das bedeutet Volk. Tatsächlich aber ist diese sog. Volksmeinung („wir sind das Volk“) geschürt und manipuliert und alle anderslautenden Meinungen werden Mantra artig als Fake-News der Lügenpresse abgetan. Dass alle diese Polit-Parvenüs, genau wie ihre Lehrmeister, die Taschlträger der ersten und zweiten Generation nur an ihren eigenen Karrieren interessiert sind, möchte das Wahlvolk bis jetzt geflissentlich überhören und übersehen.

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