Wenn es zum guten Ton gehört, die Welt in „links“ und „rechts“ einzuteilen – wen wundert es, dass die konstruktive Kraft der Mitte für ein Miteinander verschwindet?

Wenn im Supermarkt, im Vorzimmer der Arztpraxis, in der Werbung oder hinter dem Lenkrad des Busses, der einen alltäglich ins Büro bringt, nahezu ausschließlich junge Menschen anzutreffen sind – wen wundert es, dass Pläne zur weiteren Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters in vielen Menschen ein unwohles Gefühl aufkommen lassen?

Wenn Menschen, die einander einmal in Liebe verbunden waren, nicht einmal davor zurückschrecken, die eigenen Kinder als Schutzschild und Waffe gegen den ehemaligen Partner beziehungsweise die ehemalige Partnerin einzusetzen – wen wundert es, dass die Bedeutung von Familie als Keimzelle der Gesellschaft immer mehr verschwindet?

Wenn es trotz regen Treibens stundenlang unbemerkt bleibt, dass ein Obdachloser, welcher an einem öffentlichen Platz in einer Ecke liegt, verstorben ist – wen wundert es, dass soviel Leid auf dieser Welt mit einem Achselzucken zur Kenntnis genommen wird?

Wenn die kleinste Meinungsverschiedenheit bereits dazu führt, dass Menschen mit Abwertung bis hin zu Beschimpfungen reagieren – wen wundert es, dass der Umgang miteinander immer rauer wird und die Bereitschaft, einander zuzuhören und so zu sehen, wie man wirklich ist, immer seltener anzutreffen ist?

Wenn den Menschen, die Angst haben vor Einbußen in ihrer Sicherheit und ihrem Wohlstand, lediglich das sympathische Lächeln eines über kühles Nass glücklichen Mädchens mit dem Vorwurf entgegengehalten wird, unmenschlich zu sein, statt darüber zu diskutieren, wie den Menschen, die in Europa Zuflucht vor Krieg in ihrer Heimat suchen, geholfen werden kann mit einhergehender Integration und möglichem Mehrwert für alle Beteiligten – wen wundert es, dass die Bereitschaft zu offenen Grenzen trotz aller damit gleichzeitig aufgegebenen eigenen Freiheiten sinkt?

Wenn Milliarden von Euro aufgebracht werden, um eine in Schieflage geratene Bank zu sanieren, gleichzeitig allerdings wegen eines vergleichsweise lächerlichen Betrags über Einschränkungen und Schikanen in der Bedarfsorientierten Mindestsicherung diskutiert wird – wen wundert es, dass der Glauben der Menschen daran, dass seitens der Regierung gerechte Lösungen geschaffen werden, immer mehr schwindet?

Sartre schloss sein Werk „Huis clos“ mit den Worten: „Na gut, dann machen wir halt weiter.“ Macht Europa ebenfalls so weiter? Oder erkennt man, dass der eingeschlagene Weg vielleicht doch wenig geeignet ist, ein jenen Werten entsprechendes Ziel zu erreichen, welche man mit so viel Stolz von anderen einfordert? Kurskorrekturen sind möglich – und beginnen bereits mit den Beiträgen jedes einzelnen Menschen.

12
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Erkrath

Erkrath bewertete diesen Eintrag 31.05.2016 14:03:54

Elena Laggner

Elena Laggner bewertete diesen Eintrag 31.05.2016 13:46:57

Herbert Erregger

Herbert Erregger bewertete diesen Eintrag 30.05.2016 20:56:32

irmi

irmi bewertete diesen Eintrag 30.05.2016 20:51:39

FraMoS

FraMoS bewertete diesen Eintrag 30.05.2016 12:47:53

Die Tempeltänzerin

Die Tempeltänzerin bewertete diesen Eintrag 30.05.2016 11:09:20

Matthias Wolf

Matthias Wolf bewertete diesen Eintrag 30.05.2016 06:32:16

Eveline I.

Eveline I. bewertete diesen Eintrag 29.05.2016 15:41:44

baur peter

baur peter bewertete diesen Eintrag 29.05.2016 15:15:56

Zauberloewin

Zauberloewin bewertete diesen Eintrag 29.05.2016 15:08:42

liberty

liberty bewertete diesen Eintrag 29.05.2016 13:24:10

fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 29.05.2016 12:26:07

10 Kommentare

Mehr von Hansjuergen Gaugl