Nun, Nell KIMBALL (ihre Memoiren wurden aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt von Reinhard KAISER, gesprochen auf CD von der deutschen Schauspielerin Marlen DIEKHOFF) erlebte ihren Erfolg als Autorin mit ihren "Memoiren aus dem Hurenhaus" nicht mehr; leider, aber der Herausgeber Stephen Longstreet beschrieb sie als weltläufige, wohlwollende, großartig herzensgebildete und außerordentlich ehrliche Frau, der wir diesen Einblick in Sex und Mann-Frau-Beziehung vor und um die „Fin de siecle – Zeit“ verdanken. Wie sie z.B. ihre erste Nacht mit Charly beschrieb, das ist außergewöhnlich, es wurde diese Nacht von ihr beschrieben – wie eine Einführung in Intimität, die jedem Menschen zu gönnen wäre: es könnte eine zeitloses Dokument bleiben, das ich hier noch einmal verkürzt zusammenfasse, vieles wörtlich aus der Übersetzung von KAISER übernehmend:

„Wenn ich auf mein Leben zurückblicke, und in eine andere Richtung kann ich heute gar nicht mehr blicken, dann stelle ich fest, dass bei mir nichts so gelaufen ist, wie es sich die meisten Menschen für ihr eigenes Leben wünschen würden. Mit 15 habe ich in St. Louis in einem guten Haus ohne irgendwelche Pläne als Freudenmädchen angefangen, damals mit nichts anderem im Kopf außer dem Wunsch was Anständiges zu essen zu bekommen und was Ordentliches zum Anziehen. Aber am Ende wurde ich Geschäftsfrau, Freudenhaus-Madame, warb Huren an, brachte ihnen das Nötige bei, und führte ein paar erstklassige Häuser. Immer habe ich mich gefragt, warum alles so kam, wie es kam, - heute kann ich zumindest sagen, wenn ich auch manchmal Gewissensbisse hatte, bereut' aber hab ich jedenfalls nie etwas. Als ich mein letztes Hurenhaus hatte – in New Orleans, da war ich so rasend stolz auf den Laden, die Mädchen und die Gäste dort, wie J.P. MORGAN auf seine Wallstreet, oder Buffalo Bill, wenn er – mit Bourbon voll – auf seinem Schimmel sitzend die in der Luft schwebende Glaskugeln zerschoss.

Gern hätte ich Bilder von meinem letzten Haus; ein besseres Publikum als bei mir – gab es in keinem Laden in der ganzen Stadt, die Gaslampen waren aus Moranoglas, die Vorhänge waren aus blutrotem Samt und reichten bis auf den Fußboden, und die acht Mädchen hatte ich selbst ausgesucht, manche aus St. Louis, San Francisco, und zwei sehr „Hellhäutige“ gab ich als Spanierinnen aus. Und niemand scherte sich woher sie waren, wenn es zum Bumsen oder einer Runde 69 nach oben ging.

Ein Freudenhaus einzurichten – und ich habe drei davon aufgezogen bevor ich mich 1917 zur Ruhe setzte – erfordert einiges an Überlegung wie man es dem Kunden bequem machen kann, und Einfühlung in seine Gewohnheiten und Vorlieben. Bei mir kam immer nur das Beste auf den Tisch; ich hatte eine Köchin, Leissy Bell, sie war jahrelang bei mir, sie machte die Einkäufe – jeden Tag am Markt, und zwei Schwarze trugen das frisch Eingekaufte nach Hause. Sie kaufte immer nur das Beste; sie kochte französisch oder extravagant ala Jim Braidy oder einfach solid amerikanisch; - aber nie habe ich meinen Gästen irgendeinen Fraß vorgesetzt, die Mädchen und die Gentlemen bekamen nur das Beste. Das Silber und das Geschirr waren schwer und gut, die Weine waren in verstaubten Flaschen, mit den richtigen Etiketten für Männer, die wussten was sie wollten. Für jene Männer, die von Wein nichts verstanden, hatten wir jede Menge Flaschen mit eindrucksvoll beklebten Etiketten, die wir von Zeit zu Zeit mit Rot- oder Weiß-Wein aus den Fässern eines französischstämmigen Farmers auffüllten …

Nicht alle Freier, die in ein „Cathouse“ kommen, sind scharf auf Mösen; manchmal sind sie nur einsam oder suchen menschliche Nähe, auch wenn sie dafür zahlen. - Der Whiskey in meinen Laden war jedenfalls bester Kentucky Bourbon, und mein Kutscher und Haus-Faktotum, Harry, konnte Gin-Fizz oder Tom Collins mixen, - kurz, alles was ein Kerl verlangte, der zeigen wollte, dass er schon in Saratoga, beim Kentucky Rodeo…. oder Hot Springs gewesen war.

Bettwäsche ist ein ganz wichtiger Punkt; ein Haus kann daran kaputt gehen, wenn man sie nicht zählt, markiert, … und immer nur zur besten Waschfrau in der Stadt gibt, die für die besten Hurenhäuser in der Stadt arbeitet. Ich habe die Bettwäsche nach jedem Kunden gewechselt, aber es gab auch Hurenhäuser, die wechselten die Wäsche nur einmal am Tag, und in den Billigpuffs hatten sie oft nur ein graues Lacken über den Strohsack, und wechselten es nie; sie warfen es weg, wenn sich niemand mehr drauflegen wollte.

Von der Vorstellung Huren hätten ein goldenes Herz hab ich nie was gehalten. Aber ich habe auch nie ein Mädchen abgelehnt, weil sie schreckhaft oder zappelig war, was man später neurotisch nannte; die waren manchmal die besten Huren. Wenn eine Madame mit den Mädchen nicht klarkommt, sollte sie sich einen anderen Beruf suchen. Ein Haus steht und fällt mit den Mädchen; und die brauchen eine feste Hand; man musste immer aufpassen, ob Lesben dabei sind. - Ich hatte nichts dagegen, wenn die Mädchen manchmal miteinander kuschelten und schmusten, sich küssten oder sich die Rille wetzten, - aber wenn ich einen Dildo fand, ging mir das zu weit...Mädchen, die sich untereinander auf Ausschweifungen einlassen, befriedigen die Kundschaft nicht, weil sie viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind. Ich hatte auch Mulattinnen,…

Bei mir verkehrten nur die vornehmsten Leute, - Abgeordnete, Stadträte, Schauspieler, Gäste von auswärts, - für den Vater von Jim Barrymore habe ich mal den Zylinder, den er bei mir vergessen hatte, ein Jahr lang aufgehoben… Gegen halb Zehn kam dann der erste Hurenbock angetappt und fragte nach einem Mädchen; - wenn er mir nicht gefiel, sagte ich – wir hätten einen Todesfall, und also geschlossen…

Wenn ich mich noch weiter in die Vergangenheit zurückfallen ließ, erinnerte ich mich an meine Kindheit auf der Farm. Mein Vater war ein deutschstämmiger Amerikaner, tiefgläubig katholisch, und schwafelte andauernd von Himmel und Hölle, und den verfluchten Protestanten, die alle in letztere kämen … und den sündigen Menschen, und war schnell mit der Koppel und dem Rasierriemen um uns Kinder zu züchtigen, – damit wir bessere Menschen würden… Bei Tage arbeitete er unproduktiv auf den Feldern, wo noch immer die Baumstrümpfe vielmals aus den Boden ragten, bei Nacht bumste er meine Mutter, so dass diese jedes Jahr ein Kind bekam. Die meisten davon starben vor oder bei der Geburt, wenige überlebten ihr erstes Lebensjahr…

Das Drugstore war vier Meilen von der Farm entfernt, dort war auch ein kleines Post-Office. Und es gab Nachbarn, auch Farmer, jeweils ein paar Meilen entfernt...Als ich 14 Jahre alt war, ging ich wieder einmal zum Drugstore und zum Post-Office. Dort traf ich – wie immer – Charly, einen jungen Soldaten, der nach dem Ende des Bürgerkrieges, wo er eine Hand verloren hatte, die Verwaltung des Post-Office bekam, - gleichsam als staatliche Belohnung dafür, dass er für den Erhalt der Union mitgekämpft hatte.

Als ich 14 Jahre als war, sagte er lächelnd zu mir – ich sollte doch nach dem Einbruch der Dunkelheit zu dem Jagdhaus am Bach kommen, wo er sein Lager für die Fallen hatte, mit denen er sich auch beschäftigte… Ich fragte ganz erstaunt, „wozu denn?“ - Er antwortete nur, „das wirst Du schon sehen!" - Ich sagte „das muss ich mir noch überlegen!“ Aber ich spürte, dass ich neugierig war, und sicher kommen würde. - Dass die Welt größer war als die Farm und das Drugstore … das konnte ich mir vorstellen, aber wissen tat ich praktisch nichts. Dieses verdammte Unwissen, wie wo was die Welt denn sein könnte, und was hinter all den Hügeln war, die ich noch nie Gelegenheit hatte zu überqueren, machte mich schon seit Jahren kribbelig. - Und selbst das wusste ich mir nicht zu erklären…

„Er sagte: Abend, Nelly, - und ich sagte: Da bin ich!“ - Charly Owens war schon hinter mir her, als ich noch ein Kind war; er war einer dieser Kerle, die ständig beweisen mussten wie unwiderstehlich sie waren: Jetzt war er aus dem Krieg zurück… - Ich hatte inzwischen Figur bekommen und war ziemlich scharf, und er war ein gut gebauter junger Mann der im Krieg überall herumgekommen war. - Im Bootshaus hatte Charly eine Strohlager vorbereitet: ich setzte mich neben ihn – „Also?“ - Aber er fackelte nicht lange, er küsste meine Schulter, meinen Hals, und dann meinen Mund: Also, das war es; ich fühlte wie mir überall heiß und kalt wurde, und ich musste seinen Kuss erwidern, - und das fiel mir gar nicht so schwer, - ich konnte es wie von selbst… Und bald war er mit seiner Hand - der einen die er noch hatte, an meinem Kleid, und machte vorne die Knöpfe auf, und tappte hinein, und zog sanft meine Brüste hervor, - küsste sie und begann an ihnen zu saugen: Mich durchströmte ein Glücksgefühl, ein Grummeln von tief unten, von den Eingeweiden herauf, wie ich es noch nie gekannt hatte...Bald war auch sein Riemen in mir und ich begann es immer mehr zu genießen, es war wunderbar, er war in mir und ich begann immer heftiger zu atmen, und schließlich kamen wir – beide ziemlich knapp nacheinander… So etwas hatte ich noch nie erlebt, nicht annähernd hatte ich Derartiges erlebt, es war wunderbar, und ich konnte nicht genug bekommen. - Als wir danach ruhiger wurden, und nebeneinanderlagen, sagte ich bald: Charly, kannst Du das noch einmal machen? Hmmm, ich weiß nicht, Du musst mir etwas Zeit lassen. … Aber bald war er wieder in mir, und ich massierte ihn mit den Muskeln meiner Pussy. Er begann sofort heftig zu atmen, sagte nur „Dam'nd, Dam'nd, ...- was Du da kannst…!“ Ich hatte gedacht jede Frau könnte dies, aber ich lernte schließlich überall –, dass dies nur ziemlich wenige Frauen können, und dass dies etwas Besonderes und Seltenes wäre… „Jetzt verstand ich endlich was Tante Letti meinte, als sie sagte, - „manche Frau sitzt auf ihrem Reichtum…“ - - Bald trieben wir es so jede Nacht. Unsere Münder waren überall, ich lernte mit ihm und allen seinen Dingern zu spielen und“ihn“ immer und immer wieder „steif“ zu machen…

Schließlich meinte Charly eines Tages, er wollte schon immer nach Brasilien, wo er Land kaufen und ein Plantage aufmachen würde, die Einheimischen würden für ihn arbeiten – für eine Schüssel Suppe am Tag… Und er wolle nun aufbrechen und würde mich mitnehmen, - wir sollten zunächst einmal immer neben dem Fluss nach Süden gehen, und schließlich mit einem Schiff nach Brasilien übersetzten… Woher er auch immer diese Vorstellungen über Brasilien hatte, - wir rissen tatsächlich eines Tages – es war das Jahr 1869 – aus dem Flecken mit dem Farmhaus, dem Drugstore und dem Post-Office aus, und landeten zunächst in St. Louis.

Ich war dort ganz erstaunt und ergriffen von den Straßen, der großen Stadt, den farbig angestrichenen Wänden, dem vielen Glas überall… und wagte mich anfangs nur zögerlich aus unserer kleinen Pension, wo wir ein Zimmer hatten und es wieder jeden Tag und jede Nacht trieben… Aber Charly ging dann einmal vormittags weg, und ging dann immer öfter allein weg, und kam oft erst spät. Es war das Kartenspiel, wie er mir bald gestand, dass er wieder betrieb, und eines abends sagte er zu mir: Ja, im Krieg, hatten wir immer Karten gespielt; - ich denke es waren Jahre des Kartenspielens, - nur von einigen lästigen Schlachten unterbrochen...Und nun hatte es ihn wieder gepackt: Ein Laster, eine Sucht, - man wird es nicht mehr los, meinte er, - wie den Alkohol und den Tabak…

Eines Tages war Charly dann ganz weg, und er hatte alles was nicht niet- und nagelfest war, aus unserem Pensionszimmer mitgenommen, auch alle meine Sachen, - und er war und blieb spurlos verschwunden. Ich wurde aus der Pension gewiesen...und wanderte verstört in der großen Stadt herum, bis mir einfiel was Tante Letti mir gesagt hatte: Das beste Hurenhaus in St. Louis wären die Flenners, wo sie selbst gewesen war, und beim Abschied die goldene Uhr von dem Flenners bekommen hätte, die sie mir an ihrem Todestag geschenkt hatte, und die sie seither immer unter ihrem Kleid bei sich trug. Das einzige was sie also damals noch hatte, war was sie am Leibe getragen hatte.

Sie suchte einwenig in der großen Stadt herum, - und sie fand das Haus der Flenners, und zeigte dort die Uhr und erzählte alles ganz wahrheitsgetreu von ihrer Tante Letti. Bald war sie aufgenommen und eingeführt. „Und ich wurde eine großartige Hure, - ja warum soll ich es nicht sagen, ich war eine „großartige Hure“, weil auch General Ulysses Grant sagte, er war ein großartiger General, - und ja, weil es wahr ist...“ #

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