Die einzige Förderung meiner technischen Interessen trat mir in Gestalt eines mürrischen Metallwarenhändlers gegenüber, der mal einen ausgab. Das kam so.

Mein Vorhaben, eine elektrische Dampfmaschine aus "Matador" zu bauen, stellte sich als wesentlich schwieriger heraus als erwartet. Das einzige, das relativ wenig Arbeit war: Das Wickeln des Elektromagneten, weil ich nach den ersten paar Windungen mit der Hand auf den Gedanken kam, eine Bohrmaschine zu verwenden. Die erste Fassung funktionierte nicht einmal annähernd. Mir war völlig klar, dass ein Elektromotor überhaupt nicht so funktioniert wie meine elektrische Dampfmaschine, die einfach nur ein Stück Eisen (später Magnet) hob und senkte und über ein Pleuel ein großes Matador-Schwungrad bewegte. Da ein Mann tut, was er tun muss, spielten praktische Erwägungen keine Rolle.

Eine der ersten Erkenntnisse war, dass die Stifte des Holzbaukastens vollkommen unzulänglich waren, dass Metallachsen hermussten. Dazu ging ich in die nächste Metallwarenhandlung, wo ich es mit dem grantigen Inhaber zu tun bekam. Holzstifte hatte ich als Muster mitgebracht. Ich erklärte meine Holzräder im Zusammenhang.

Der nächste Einkauf war der Erwerb einer Metallröhre zur Konstruktion eines Pleuels. Dazu hämmerte ich die beiden Enden flach und ließ sie vom Metallhändler durchbohren. Wir unterhielten uns kurz über Schraubendicke und Gewindebohrungen fürs Holz. Nach und nach kaufte ich auch Magnete in verschiedenen Formen, Beilagscheiben, Draht und Batterien.

Das Projekt zog sich über mehr als zwei Wochen hin, während derer ich an sonst nichts denken konnte. Ich wurde von Mama mehrmals versohlt, unter anderem deswegen, weil ich die Konstruktion am Parkett annagelte und Besteck als Werkzeug missbrauchte und kaputt machte.

Die fertige elektrische Dampfmaschine konnte nur sehr langsam laufen, enthielt aber ZWEI Elektromagnete, ausschließlich Metallachsen, eine kleine knopfförmige Wasserwaage und

eine Lichtschranke. Die Maschine funktionierte nur, wenn sie vollkommen waagrecht stand und brauchte drei 9V-Batterien. Mama war von der Vorführung nicht beeindruckt und äußerte den Wunsch, ich würde ähnlichen Fleiß in Hausaufgaben und Schulbesuche investieren. Die jüngeren Geschwister lachten mich aus. Ich selber wurde das Gefühl nicht los, meine Zeit für eine Erfindung ohne praktischen Wert verschwendet zu haben, aber besser wertlose Konstruktionen als gar keine.

Ich packte die Maschine in einen Karton und suchte die Metallwarenhandlung auf, um dem Inhaber seine Bestandteile im Zusammenhang vorzuführen. Der Mann bemängelte die Ausführung und schloss mit den Worten "nicht schlecht, aber so macht man das eigentlich nicht". Dann ging er nach hinten, um mit zwei Stamperln und einer Flasche Obstler wieder zu erscheinen. Darüber freute ich mich sehr, Prost und danke, allerdings war mein erster Sprit eine eher unangenehme Erfahrung. So endete mein erstes und einziges Mentoring.

Spätere Technik, wie z.B. die Telefonwählscheibe, mit der man Zahlen in einen Computer eingeben konnte, oder Erzeugung von Tönen durch simulierte Spiralfedern, führte ich in der Familie niemandem vor, weil es in meiner Umgebung vollkommen sinnlos war. Ich baute auch mehrere Sampler und killte einen Computer beim Versuch einen Drucker aus dem Pleistozän anzuschließen. Tippen lernte ich auf einer 1000-Schilling-Tastatur aus dem "Bazar", auf ein Inserat mit einem passenden Monitor musste ich fast ein Jahr warten.

Diverse gleichaltrige Techniker- und Erfinder-Freunde machten ähnliche Erfahrungen. Ein Klassenkollege, der von mechanischer Bildabtastung besessen war, verbrachte mehrere Wochen damit, Animationen mit Plastilinfiguren zu erzeugen, deren Schatten gegen starkes Licht er mit einer Maschine mit einer Kurbel und einem Fototransistor auf Papier übertragen konnte. Bei einem Besuch stellte ich fest, dass er innerhalb der Familie eher wenig Prestige hatte, und dass sich seine Frau Mama wunderte, dass ihm in meiner Person ein ähnlicher Spinner begegnet war. Das wurde nicht diskutiert, weil dieser Zustand für Erfinder vollkommen selbstverständlich war. Ein anderer Freund hatte mehrere Elektronik-Baukästen, die er nach und nach mit einer riesigen Sammlung an Bauteilen aus Elektronik-Schrott erweiterte. Eines seiner Geräte konnte Text am Fernseher anzeigen und auf Band speichern. Eines Tages kam er für eine Woche in die Klapse, weil er eine selbstgestellte Aufgabe nicht knacken konnte. Das Problem hatte ihn geknackt. Ein Mann tut, was er tun muss.

Die Beschäftigung mit Computer galt als unpädagogisch und war die meiste Zeit eingeschränkt oder überhaupt verboten. Zwei Freunde aus dem Computergeschäft hatten die gesamte Elektronik ihrer Computer, sowie alle Nummern und Bitmuster, im Kopf. Das war nützlich, um Computerprogramme anderer Leute zu entziffern und Kopierschutz zu entfernen. Elektronik-Kenntnisse waren nützlich, um Schnittstellen zur Modelleisenbahn zu konstruieren, ebenfalls Projekte, die sich über Wochen hinziehen konnten. An Schlaf oder Essen war bei solcher Beschäftigung meistens nicht zu denken. Oft war ich von Freitag früh bis Sonntag Abend munter im Schaffensrausch, eine Angewohnheit, die mir später im Beruf nützlich wurde. Der Freund mit der Computer-Modelleisenbahn hatte einen Plastikbehälter für Pinkeln unter dem Schreibtisch, was ich allerdings erst erfuhr, als ich ihn versehentlich umkippte.

Das Schönste an Computern war vielleicht, dass Lehrer und Eltern nicht die leiseste Ahnung davon hatten und Computern, besonders Computerspielen, misstrauten. Die EDV-Lehrerinnen (eigentlich Mathe) in der Schule konnte man auslachen, weil BASIC die einzige Programmiersprache war, die sie kannten, aber meistens auch nicht richtig, hihi.

Und jetzt gebt mal "Mädchen MINT" in den Google ein und schaut euch das Tammtamm an, das es seit 30 Jahren gibt. Und dann schaut auf die Resultate. Ein Mann, auch ein ganz junger, tut, was er tun muss. Mädchen tun am liebsten gar nichts. Außer sich aufregen, dass sie keiner eingeladen hat.

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