DER VIEHISCHE DRANG, SICH WEITERZUBILDEN

Die Menschen lernen gern, weil die Freude am Lernen ererbtes anthropologisches Verhalten ist. Es gibt zahlreiche Tierarten mit verblüffender Intelligenz und Mitteilsamkeit. Alle haben folgendes gemeinsam:

- leben in sozialen Gebilden (es gibt keine solitär lebenden Tierarten von verblüffender Intelligenz und Mitteilsamkeit)

- sind neugierig (fühlen sich von Vorgängen und Gegenständen angezogen, die sie nicht kennen)

- können Kommunikations- und Technikprobleme lösen, etwas bis zur Perfektion üben und voneinander Handgriffe abschauen

- Lebenslange Freude am Spielen ist ebenfalls ein angeborener Instinkt dieser Tierarten

LERNEN IST SPIELEN, UND UMGEKEHRT

Das Wort "spielen" hat (im Deutschen) mehrere Bedeutungen, die einander auf den ersten Blick völlig unähnlich sind:

- ein Fußballmatch gegeneinander spielen

- "Tic Tac Toe" gegeneinander spielen

- mit dem neuen Thermostat spielen

- zocken

- Mit dem Kaufmannsladen spielen

- Cowboy und Indiander spielen

SPIELEN, UM ZU LERNEN WAS ERWACHSENE MACHEN

Bei typischen Kinderspielen wie Kaufmannsladen oder Wilder Westen ist offenkundig, dass "spielen" hier bedeutet: In einer vorgestellten, also unzerstörbaren und vollkommen ungefährlichen Übungs-Simulation Verhalten von Erwachsenen nachzuahmen, Rollenverhalten von Erwachsenen zu üben, vielleicht schon die ersten Handgriffe vom Beruf der Eltern auszuprobieren oder Werkzeug selber in die Hand zu nehmen und zu verwenden, z.B. Bohrmaschine in Möbeln. Das machen alle Kinder gerne: Lernen durch Nachmachen.

SPIELEN ALS WETTBEWERB

Die Beispiele "Tic Tac Toe" und "Fußball" sind Turniere, die es auch bei Tieren gibt, um Brünftigkeits- oder Immobilienbelange möglichst gewaltfrei zu lösen. Es ist nicht im Interesse der Gattungsgene, dass sich ihre kostbarsten Exemplare im besten Alter gegenseitig verletzen oder umbringen statt Beutetiere oder Fressfeinde zu erlegen. Solche Turniere machen Tieren Spaß, besonders, wenn sie gewinnen. Auch ein Turnier ist eine Übungssituation, in der nichts ernsthaft kaputt gehen soll an Leib und Leben, trotzdem kann man wunderbarerweise gewinnen und sich etwas darauf einbilden. Man kann seinen Erfolg bei solchen Turnieren verbessern, indem man etwas darüber lernt, indem man es übt und sich etwas überlegt. Menschliche Turniere, vor allem Kampfsportarten, sind Spielen/Lernen und Nachahmung für den weniger harmlosen Fall, dass sich der Stamm oder die Republik gegen andere Menschen, darunter bewaffnete, verteidigen muss.

SPIELEN ALS FORSCHUNGSPROJEKT

"Mit dem Thermostat zu spielen" legt entweder ungewöhnliches technisches Interesse oder einen Notfall nahe, aber beide Fälle dienen dem Erlernen der Funktionsweise des Thermostats, sind daher Forschungsprojekte, das heißt, Lernprojekte. Nicht jeder Mensch freut sich über unfreiwillige Forschungsprojekte für Haushaltselektronik, aber viele Menschen freuen sich über eine erfolgreiche Fehlerbehebung oder sogar darüber, dass sie auch beim Scheitern etwas über Technik gelernt haben.

Forschungsprojekte gibt es auch bei Tieren, z.B. Entfernung der Kindersicherung, Umstellen von Möbeln, Zerlegen von Elektronik, usw.

GLÜCKSPIEL IST EINE LERNATTRAPPE

Zocken kann zur Sucht werden, weil jeder Mensch tatsächlich lernsüchtig ist. Beim Zocken wird der Spieler zum Opfer einer zynischen Angelegenheit, die Verhaltensforscher "eine überoptimale Attrappe" nennen. Ein Beispiel für eine überoptimale Attrappe wäre eine Gummipuppe mit übermenschlicher Oberweite und Figur, sowie 2,30m-lange Beine. Bestimmte Merkmale sind übernatürlich übertrieben, daher ist die ererbte Geilheit darauf ebenfalls vollkommen übertrieben geil. Eine ähnlich überoptimale Attrappe ist Glücksspiel um Geld. Der Rausch des Zockens sieht für das lerngeile Hirn des armen Zockers in sehr übertriebener Weise so aus, als würde der Spieler Muster erkennen, Intuition für zukünftige Nummern oder Farben erwerben, bessere Reflexe entwickeln und AHA-Erlebnisse haben. Aha-Erlebnisse sind im Lernbereich so etwas wie ein Orgasmus und erfordern Kreativität. Dabei werden im Gehirn Botenstoffe auf die Reise geschickt, die eigentlich als chemische Aha-Quittierungen gedacht sind, tatsächlich aber durch eine zynische überoptimale Aha-Attrappe irrtümlich, unter Hypnose, erzeugt wurden. Im Zocker erkennt man aber den prinzipiellen Willen aller Menschen, etwas zu lernen und sich am Lernerfolg zu freuen.

SO GEIL IST LERNEN

Kurz gesagt: Der Zocker lernt beim Glückspiel nichts, aber sein Gehirn glaubt, dass er es tut. Lern-Erlebnisse sind für das Gehirn wichtig und werden belohnt, beim Glücksspiel durch eine Täuschung.

Ähnlich rauschvolle Erlebnisse wie der Zocker hat jeder Mensch bei Turnieren, egal ob körperlich oder geistig oder geschicklich. Man kann etwas gewinnen, wen besiegen, aber auch etwas erlernen und nachher besser können. Technische und wissenschaftliche Berufe kennen auch den Schaffensrausch, wenn sich eine neuartige Idee oder Kunstgriff als märchenhaft produktiv herausstellt oder neue Möglichkeiten erkennbar werden. Das sind meistens Lernprozesse, bei denen man einen unsichtbaren Gegner besiegt.

Umgekehrt ist jedes Lernen ein kreativer Akt, weil man Sachverhalte in seine bisherige Innenwelt eingliedern muss und überprüfen, ob alles zusammenpasst. Manchmal kann man eine Eselsbrücke oder Merkhilfe erfinden, oder man kommt dahinter, dass man etwas ähnliches schon früher gelernt hat. Es ist sinnlos, einer Erklärung zuzuhören, die keinen PAUSE-Knopf hat, damit man einen neuen Sachverhalt überdenken und einreihen kann.

SPIELENDE KINDER = LERNENDE KINDER

Ähnlich freudvolle Erlebnisse wie der Zocker, der Ritter oder der Bastler haben Kinder im Vorschulalter mit Ballfangen lernen, Sternbilder finden, Sachen mit dem Mikroskop anschauen, zeichnen, was im Mikroskop ist, Schwimmen lernen, Trommeln lernen, etwas abzeichnen, Papier falten, usw.

Aber schon ganz kleine Kinder befassen sich zur Vorbereitung sehr gerne mit dem zukünftigen Material, z.B. durch Bälle beißen, Mikroskop beißen, am Klavier trommeln, Papier zerreißen, usw. Kleine Kinder erleben das auch sehr freudvoll, weil sie dabei lernen, was Papier ist oder wie man vom Aussehen einer Oberfläche auf ihre Beschaffenheit schließen kann. Auch das ist Spielen, daher Lernen. Kleine Kinder täten das nicht, wenn sie es nicht gern täten.

SCHLUSS

Die Unterschiede zwischen Mensch und Tier sind relativ gering, allerdings ragt Homo Sapiens mit seiner einmaligen Lernbereitschaft und Lernfähigkeit heraus und hat sich die Erde dermaßen untertan gemacht, dass die Natur, die früher mal die absolut unbarmherzige und brutal-tödliche Bedrohung für die menschliche Existenz war, heute ziemlich in den Seilen hängt und vor dem Menschen geschützt werden muss. Wer nicht gerne lernte im Laufe der Evolution von Homo Sapiens, wurde schon früher aus dem Gen-Pool ausgesondert.

Nicht für die Schule, für das Leben lernen wir? Menschen sind genetisch für Lernen als Selbstzweck programmiert. Und hier ist noch eine Bedeutung von Spielen versteckt: Spielen gilt als Selbstzweck, der einfach nur so zum Spaß betrieben wird, oder Neugierde, oder um zu schauen, was passiert. Die Ergebnisse aus diesen zweckfreien Spaß haben Homo Sapiens zum Gipfel der Nahrungskette werden lassen und Milliardenvermögen geschaffen. Es ist vor allem das augenscheinlich zweckfreie Lernen und, im weiteren Sinn, die zweckfreie Bildung, die oft am lukrativsten für Individuen und Gesellschaft ist.

Zweckfreie Bildung gerät im Expertenstreit darüber, was Bildung eigentlich ist oder wie weit sie gehen darf, völlig außer Betracht.

Kinder, vor allem Buben, sollten am Arbeitsplatz des Vaters heranwachsen. Sie sollten Gehen und Reden in der Werkstatt oder im Stall oder im Atelier oder auf der Baustelle lernen. Solche Kinder wollen gerne mithelfen, da ist es leicht, ihnen einfache Arbeiten beizubringen, und dass man sie immer sorgfältig und richtig machen sollte.

Diese Praktik ist in unserer Superzivilisation Science Fiction, weil die meisten Arbeitsplätze absolut nicht das sind, was man sich für seine Kinder wünscht.

Kinder lernen nicht nur gern von den Eltern und Erwachsenen, sondern auch von Geschwistern und älteren Kindern. Dreißig Kinder in eine Klasse zu setzen, die alle gleich alt sind und alle nur gleich viel wissen dürfen, ist ein haarsträubender Witz. Es ist wie im "Mad"-Heft mit dem Erfinder des Haarschneide-Automaten am Patentamt. "Aber die Leute haben doch alle verschiedene Köpfe?" - "Ja, VORHER!" Ha, ha, ha! In der Schulklasse leider nicht so lustig, wenigtens nicht für eure Gschroppen.

Anders als Massenkäfighaltung geht es im modernen Bildungswesen nicht, angeblich, weil zu teuer oder von gestern oder nicht pädagogisch oder alles zusammen.

Privatschulen sind übrigens um nichts besser, dafür sorgen Gesetze. Die beste Ausbildung gibt es bei kenntnisreichen älteren Vorbildern, möglichst in der Familie, die sich freuen, dass sich wer für ihre Arbeit oder ihr Steckenpferd interessiert, sogar wenn es ein Dreijähriger ist. Ich wäre mit drei auf jeder Baustelle richtig glücklich gewesen, mich hat aber keiner lassen. Über solche Privilegien redet keiner. Es interessiert einfach niemanden.

Wenn es wo Kinder (ausgerechnet!) gibt, die nichts lernen wollen, hat jemand einen GROSSEN Fehler gemacht, aber sicher nicht die Kinder.

OTTER BINGO: GELERNT IST GELERNT

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berridraun

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