Als wir Anfang August im Erstauffanglager in Traiskirchen waren und die Zustände geprüft haben, waren diese desaströs! Natürlich sind sie nicht zu vergleichen mit der Situation der Menschen, die sich auf der griechischen Insel Kos zwischen Meer und überfülltem Stacheldrahtlager eine Nische suchen. Doch für ein Sekundärland, das Österreich in diesem Fall ist, war und ist die Situation in Traiskirchen inakzeptabel.

Menschenrechte – und das muss klar sein – sind etwas eindeutig Normiertes. Unmenschliche Behandlung in Syrien fällt in keine andere Kategorie als unmenschliche Behandlung in Österreich, Deutschland oder Schweden – so es diese gibt. Hier gilt eine Norm. Doch bei der Wahrung der Menschenwürde geht es auch darum, was in einem Land „normal“ ist – und die Zustände Mitte August in Traiskirchen waren das in keinem Fall! Massenobdachlosigkeit, völlig unzureichende medizinische Betreuung – all das ist nicht nur höchst Menschenunwürdig, sondern tritt jegliche Menschenrechte – wie das Recht auf Unterkunft oder auf Nahrung – mit Füßen. Und es sind Mängel, die in keiner Form aus der Ressourcenlage eines reichen Staats wie Österreich erklärbar wären.

Nein, Traiskirchen ist kein Ressourcenproblem. Es ist ein Management- und Haltungsproblem.

Für mich herrscht ein enormes Spannungsverhältnis zwischen dieser skandalösen Basissituation in Traiskirchen und der raschen gesellschaftspolitischen Reaktion auf die unerträgliche Situation in Ungarn. Da ist Österreich sofort und ohne Wenn und Aber eingesprungen, hat die Grenzen geöffnet, ohne kleinkarierten Irrsinn zu betreiben. Da war eine unglaubliche Hilfsbereitschaft vorhanden – nicht nur in der Bevölkerung, auch bei den beteiligten Institutionen und Organisationen. Für mich war das Beispiel des burgenländischen Polizeidirektors maßgeblich, der händeringend im Fernsehen steht und nicht versteht, wie die ungarischen Behörden die Busse nicht bis zum Busparkplatz in Österreich bringen kann, damit die Menschen ohne Probleme und ohne in den Regen zu geraten umsteigen können. Das ist eine menschenwürdige Haltung, die wir uns von den Behörden erwarten sollen! Das Fingerspitzengefühl, Dinge zu Ende zu denken, rasch zu reagieren, so zu handeln wie bei der Grenzsperre in Ungarn, das hat Österreich wieder einen guten Platz in der Wahrung der Menschenrechte gesichert. Dass unser Nachbar Deutschland dabei ebenfalls tatkräftig mitspielt, schmälert die rasche Hilfshaltung Österreichs keineswegs. All das ist gut, schön und richtig – und mit dieser Haltung wären die Probleme von Traiskirchen längst positiv erledigt! Wenn das Eine geht, dann kann das Andere doch kein Problem sein.

Noch scheint sich aber seit unserem Bericht nicht viel verändert zu haben. Das Innenministerium gibt weiterhin an, dass 600 Menschen kein fixes Bett haben, nicht unter einem Dach schlafen. Nein, die Situation ist längst nicht erledigt.

Wir zeigen solche Missstände aber nicht aus Lust und Laune heraus auf, sondern um der Regierung Hinweise auf Verbesserungen zu geben. Zwar würde ich mir wünschen, dass die Missstände im Erstauffanglager bereits geklärt werden oder die Verteilung zumindest schneller realpolitisch in die Tat umgesetzt werden würde. Denn jetzt kommt der Winter und wenn wir erst am 1. Oktober anfangen, die Flüchtlinge auf die Bundesländer weiter zu verteilen, ist das etwas zu spät. Schließlich leben noch immer 1000 Leute in Zelten – das mag für eine kurze Zeit bei mediterranen Temperaturen zumutbar sein, aber auf Dauer nicht und bei Regen sowie Kälte schon gar nicht. Doch offenbar müssen wir den Verantwortlichen noch etwas Zeit geben, die Mängel in Ordnung zu bringen. Drei Tage später wieder nach Traiskirchen zu fahren und eine Lösung der Situation zu erwarten, wäre auch nicht sinnvoll gewesen. Eines ist aber klar: Wir werden die Lage nach einer gewissen Zeit aber sicher wieder prüfen. Wenn wir bei Amnesty International für etwas stehen, dann ist das unsere Hartnäckigkeit – im Aufdecken von Missständen, die gelöst werden müssen. Das gilt auch für Österreichs Erstauffanglager in Traiskirchen.

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