Die Notstandsverordnung ist ein potemkinsches Konstrukt

Nur kurz einige wenige Worte zu meiner Person. Mein Name ist Heinz Patzelt, ich bin Generalsekretär von Amnesty International Österreich. Es ist mir ein Anliegen, mich zur viel diskutierten Notverordnung zu Wort zu melden. Um die Umsetzung dieser Notstandsverordnung und alles was danach noch folgen wird, zu verstehen, muss man zwei Schritte zurückgehen.

Politik und Wirtschaft sind schwer vergleichbar. Aber keine Managerin, kein Manager könnte es sich leisten, ein in seinen Grundzügen gut funktionierendes Unternehmen derart mies zu machen, wie es unsere Regierung derzeit tut. Der Notstand, der herbei geredet wird, ist keiner.

Begonnen hat es mit der willkürlichen Obergrenze von 37.500 Asylanträgen pro Jahr. Es gab und gibt keinen legitimen Rechtsgrund, diese einzuführen. Schon beim rechtsfreien „Privatbeschluss“ der Regierung und der Landeshauptleute wurde ja die Frage gestellt, was mit dem 37.501. Antrag passiert.

Ein anlassfrei und wohlüberlegt diskutiertes Notstandsrecht ist grundsätzlich ein sinnvolles und notwendiges Werkzeug in den Händen einer kompetenten Regierung. Kommt es etwa zu einer Naturkatastrophe, dann ist es sinnvoll, wenn kurzfristig statt demokratischer Entscheidungen „auf kurzem Dienstweg“ Krisenmanagement betrieben wird. Das als Grundlage für die geplante Notverordnung beschlossene Ermächtigungsgesetz erfüllt keine dieser Bedingungen.

Erst mit dieser rechtswidrigen Grenze und dem Husch-Pfusch-Ermächtigungsgesetz kann dann im dritten Schritt ein Pseudo-Notstand ausgerufen werden. Da bricht dann von den Ressorts der Regierung über die Landeshauptleute bis in die Gemeinden auf einmal beeindruckende Kreativität aus, um diese Not zu legitimieren. Noch nie wurden beispielsweise Bauordnungen so eng ausgelegt wie bei der Verhinderung angebotener Asylquartiere.

Der menschenrechtlich bedenklichste letzte Schritt ist nun das proaktive Handeln. Auf Obergrenze und „Notstand“ folgen Maßnahmen, die noch weniger Grundlage als die ersten Schritte haben. Auf Basis dieser im besten Fall als politischen Populismus zu bezeichnenden, kreativ konstruierten Umstände wird nun eine Verordnung beschlossen, die das Asylrecht de facto abschafft und damit das Menschenrechtssystem massiv einschränkt.

Ein Menschenrecht ohne Asylrecht ist ein Zweiklassenrechtssystem, Menschenrechte exklusiv für die Upperclass. Wenn es die Weltgemeinschaft derzeit nicht schafft, in manchen Krisenregionen Menschenrechte durchzusetzen, dann muss es doch wenigstens nach einer in vielen Fällen lebensgefährlichen Flucht vor Mord, Terror und Folter einen neuen, sicheren Platz zum Überleben geben.

Das aber wollen wir nicht mehr, nicht in der EU und nicht in Österreich. Es geht nur noch um die Frage, wie weit die Verantwortung weggeschoben werden kann. Man strengt sich ja sonst auch nicht mehr an, notwendige Reformen umzusetzen. Die Ungarnkrise 1956 oder die Fluchtbewegung im Zuge des Zerfalles von Jugoslawien wurde in wirtschaftlich wohl schlechteren Situationen gut gemanagt. Damals wollten wir noch, heute behaupten wir, nicht mehr zu können.

Wir haben keine „Asylkrise“. Das Verhalten der Verantwortlichen ist schlichtweg eine politische Bankrotterklärung, ein Aufruf, ein funktionierendes Land zum Ramsch zu erklären, um nicht handeln zu müssen.

Flüchtlinge am Budapester Ostbahnhof (Keleti pu), in Erwartung einer Zugfahrt nach Wien und München (4. September 2015) Elekes Andor - https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Migrants_at_Eastern_Railway_Station_-_Keleti,_2015.09.04_(1).jpg

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