Shoa-Opfer: Gedenken gibt es auch im Kleinen

Um nicht mißverstanden zu werden: Die ausführliche Berichterstattung in den Medien und die TV-Live-Übertragung der 70-Jahr-Gedenkfeier zur Befreiuung des Vernichtungslagers Ausschwitz durch die Rote Armee war in dieser Dimension auch angebracht, weil 1,1 Millionen Menschen durch den Holocost dort ihr Leben verloren. Und sie war wichtig, weil vermutlich das letzte Mal mit rund 300 Holocost-Überlebenden die Naziopfer noch in der Mehrheit gegenüber 40 Staats- und Regierungschefs waren, was sich aufgrund des hohen Lebensalters der Überlebenden bei der 80-Jahr-Feier dramatisch ändern wird.

Die Übertragung war auch deshalb gelungen, weil bei den Reden die ganz persönlichen Erfahrungen von Shoa-Überlebenden im Vordergrund standen, und nicht glatte, salbungsvolle Phrasen von Politikern. Die Schilderungen der individuellen qualvollen Tortur der Holocost-Überlebenden klingen eindringlicher, übezeugender und authentischer und treffen dem Nerv des Zuschauers.

Wie bei dieser zweieinhalbstündigen Feierstunde in Auschwitz, sind auch in allen Medienberichten dieser Tage andere Konzentrations-, bzw. Vernichtungslager der Nazis bestenfalls nur Randnotizen gewesen. Das ist schade. So ist nach Erkennntnis namhafter Historiker, die Opferzahl getöteter österreichischer Juden im Vernichtungslager Maly Trostinez, das nur wenige Kilometer der weißrussischen Hauptstadt Minsk liegt, größer als in Ausschwitz.

Es geht um das Vergessen, das wurde in den Feiern oft betont. Bedrückend daher die Tatsache, dass immer weniger Österreicher Zeit für einen Besuch in Ausschwitz finden.

Es gibt aber auch in der Bundeshaupstadt Wien Orte des Gedenkens an die Opfer der Shoa. Sie können zwar nicht jenes Grauen vermitteln wie die Vernichtungslager. Doch sind es Orte im Kleinen, um den Verbrechen der Nazis und deren vielen Opfern zu Gedenken. Es sind "Steine des Vergessens" und sie sind in einem Viertel der Leopoldstadt zu finden, das eher als Quartier der Huren bekannt ist, als jenes der Holocost-Opfer: das zwischen Lassallestraße auf der einen und Wurstelprater auf der anderen Seite gelegene Stuwerviertel. Man muss dort nur mit offenen, zu Boden berichteten Augen durch die Straßen streifen, um diese kleinen Messingplatten zu studieren, die an die Shoa-Opfer erinnern sollen. Es waren allesamt Wiener Juden, die in dem Viertel gewohnt haben, ehe die meisten in das Vernichtungslager Maly Trostinec deportiert wurden.

Gönnt man sich eine Stunde Zeit, das Stuwerviertel zu durchwandern, werden einem die Ausmaße der menschlichen Auslöschung, vorr allem aber die grausamen Einzelschicksale bewusst. Es ist kein angenehmer, aber ein lehrreicher Spaziergang, und es war eine sehr emtionale Gedenkfeier, zu der auch viele Juden, vor allem aus Amerika, angereist sind, und der ich im Oktober des Vorjahrs beiwohnen durfte.

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fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:16:59

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