Das meiner Meinung nach hervorragende Monatsmagazin "Datum" hat zuletzt drei Anzeigenkunden verloren. Kann passieren, zumal 2015. Print und so, Sie wissen schon. Die Zeiten waren einmal besser.

Besagte Stornos aber sind anders zu sehen, sie seien die Reaktion auf einen kritischen Bericht über gefakte Jubelpostings in Internetforen, sagt Chefredakteur Stefan Kaltenbrunner. PR-Experten halten diese Bestrafung für bedenklich. Ja, eh.

Es ist nur so, dass wir uns damit mitten im Alltag befinden. Die in relevantem Ausmaß in wirtschaftliche Defensive geratene Zeitungsbranche muss immer öfter mit Anzeigenkunden zu Rande kommen, die ihre Schaltungen davon abhängig machen, wie das Medium berichtet. Und ganz ehrlich: Warum sollten Unternehmen dies auch nicht tun? Sie haben das Geld, sie haben die Wahl, sie sitzen am längeren Ast. Dass dies nicht die feine Art ist? Geschenkt. Die freie Wirtschaft ist kein Ponyhof.

99 Prozent der Stornos kommen nie ans Tageslicht. Weil sie den Medien unangenehm sind. Und weil die meisten einen Weg finden, das Unternehmen wieder an Bord zu holen. Mit Gratis-Inseraten oder redaktionell unsauberen Aktionen. Damit werden diese Storno-Kunden letztlich nur genauso behandelt wie fast alle Lifestyle-Konzerne, deren Inserate beinahe grundsätzlich von Produktfotos umrahmt werden, die sich zufällig in die redaktionelle Berichterstattung über die, sagen wir, "10 wichtigsten Haaarpflegeprodukte" verirren. "Bessere" Magazine stellen Produktfotos und Inserat wenigstens nicht nebeneinander auf die gleiche Doppelseite. Nach drei Mal Umblättern hat der geneigte Lesern den Zusammenhang ohnehin aus den Augen verloren.

To cut it short: Das Anzeigengeschäft ist ein grobes. Und das nicht nur von Seiten der Kunden.

"Datum"-Chefredakteur Kaltenbrunner bleibt wenigstens der Trost, dass sein Magazin die Inserate in Folge echter Investigation verloren hat. Oft genug hat schon weit weniger "Anlass" genügt. Ich war einmal Chefredakteur eines regionalen Monatsmagazins, das einen freiheitlichen Landesrat mit gut dotiertem Werbebudget als Anzeigenkunden verloren hat, weil auf einem Foto seine Bürochefin besser zu sehen war, als er selbst. Dieser Fall und die Causa "Datum" zeigen die Bandbreite des täglichen Inseraten-Wahnsinns.

Man muss keine nennenswerten seherischen Fähigkeiten haben, um prognostizieren zu können: Die Position der Anzeigenkunden verbessert sich von Quartal zu Quartal, viele (Print-)Medien werden erpressbarer. Dieses wachsende Ungleichgewicht ist eine moralische Herausforderung - für Kunden und für Medienmacher.

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Bernhard Torsch

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Silvia Jelincic

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fischundfleisch

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