Wir waschen Seelen!

Gehirnwäsche ist eine Vorstellung, die allgemein Ablehnung auslöst. Niemand möchte das konkret erleben, obwohl es tagtäglich passiert: die mediale Massagen, all die Vorgaben im Arbeitsleben mit den gebetsmühlenartigen Mantras des Kapitalismus, die stündliche, ja minütliche Fixierung auf den Handteller großen digitalen Schrott, Glück versprechenden Werbebotschaften, nichts sagende politische Statements am laufenden Band. Wir alle sind angeschlossen an den  Kabelsalat der Massen-Beeinflussungs-Maschinerie. Dem zu entkommen, gelingt nicht einmal Asketen. Vor ein paar Jahren besuchte ich einige Klöster in Tibet und musste erschüttert feststellen, dass jeder Mönch ein Handy besitzt. Anstatt zu meditieren, spielen die den ganzen Tag damit herum. Brain-washing macht nicht glücklich.

Seelenwäsche hingegen bringt es! Bei mir setzt wirklich in jeder Begegnung mit Menschen ein unbedingter Reflex ein: Wenn ich eine Seele treffe, fange ich schon zu waschen an. Außer ganz Spröde, Scheue und Ängstliche lassen sich das fast alle gern gefallen. Ich muss dann immer an die Entlausungs-Rituale der Affen denken: Im Fell Millimeter für Millimeter nach Flöhen und anderem Getier suchen. Das ist doch ein Sozialisierungs-Akt der Extra-Klasse! Am Schluss hebt sich für Suchende wie Gewaschene die Stimmung. Entspannte Ruhe tritt ein. Einvernehmen ist hergestellt über das wirklich Wichtige im Leben.

Wenn ich es recht bedenke, so dürfte dies doch die fundamentalste Form der Annäherung zwischen Menschen sein. Aufmerksam beobachtet schlägt dieses Grundbedürfnis bei den meisten von uns durch: Im Friseur-Salon, wo Herzen ausgeschüttet werden. Wenn Leute im Betrieb plaudern, dann kaum über Excel-Sheets und Zahlenfriedhöfe, sondern immer darüber was Herr/Frau XY schon wieder angestellt hat, über verletzende Emails, schmerzende Verächtlichmachung etc. Da geht es immer um die Verschmutzung im Inneren, die durch das Ausweinen weg geschwemmt wird. Ja selbst Obdachlose im Vollrausch suchen Einklang; auch der Gefangene mit seinem Zellen-Genossen - vielleicht in ruppiger Form, aber doch...

Neulich erlebte ich eine Szene am Gemüsemarkt, wo der Händler einer alten Dame beim Weggehen nachrief: "Gnä Frau, gnä Frau! Wie gehts ihrem Uterus?" Die Umstehenden waren schwer irritiert, aber die Angesprochene kehrte freundlich lächelnd zurück und erzählte ihm offenbar Details der Operation. Ich würde sagen: Kundenbindung vom Feinsten!

Die psychohygienische Versorgung der Bevölkerung ist nicht gegeben. Alle sprechen vom Coaching und von Psychotherapie aber kaum jemand geht hin. Daher kann die Seelenwäsche als eine nicht-professionelle Substitution dieses Mangels angesehen werden.

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Silvia Jelincic

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Mindwave

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Herbert Erregger

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fischundfleisch

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mr_mir@live.de

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