Wladimir Ps erster Karriereschritt

Kurz nach der Öffnung im Jahr 1991 eröffneten wir ein Büro in St. Petersburg. Mein damaliger Partner, Kyril Boutousov, lud mich ein, unser neues Büro zu besichtigen. Es befand sich auf einer kleinen, bewaldeten Insel und bestand aus einem Holzblockhaus mit abgeschabten Sitzgarnituren. Kyril war stolz darauf - wahrscheinlich war es seine Absteige - aber ich musste seinen Optimismus dämpfen: "Wie sollen denn da die Bewerber für offene Stellen herkommen? Rudern oder schwimmen?" Er sah es ein und suchte eines im Stadtzentrum.

Zu der Zeit war Anatoly Sobchak Bürgermeister. Er hatte als eine der ersten Maßnahmen die Stadt von Leningrad in St. Petersburg umbenannt. Sobchak freute sich über unser internationales Know-How und beauftragte uns sofort, seinen Vize-Bürgermeister zu suchen. Wir posteten eine Suchanzeige in einer Zeitung und erhielten hunderte von Bewerbungen. Unsere damalige und heutige Psychologin, Dr. Natalia Koulikova, sollte die Vorauswahl vornehmen.

Als sie damit fertig war, rief sie mich an und vermeldete: "Stell dir vor, der Beste für die Stelle des "deputy mayors" ist durch unseren eignungspsychologischen Test ein Arbeiter der Schiffswerft! Ich war ziemlich irritiert und meinte: "Den kannst du doch nicht als Vize-Bürgermeister vorschlagen!" Sie erklärte mir, dass auch in der postkommunistischen Gesellschaft die Arbeiter ein hohes Image hätten, weil "sie arbeiten"... Außerdem präsentierte er sich in den Tests als psychisch einwandfrei, hoch intelligent, integer und politisch motiviert. Ich zog mich aus der Affaire mit der Anweisung: "Wenn du das als Personalberaterin verantworten kannst, dann stell ihn eben vor."

Er bekam den Job! Der Monteur aus der Werft wurde neuer Vize-Bürgermeister von St. Petersburg. Daraufhin rief ich sie alle paar Wochen an und fragte, ob und wie sich unser Mann bewährte. Sie beruhtigte mich und wies auf seine intelligenten Maßnahmen, die perfekte Medienpräsenz und sein unermüdlichens Arbeitspensum hin. Nach etwa einem Jahr erreichte mich ein Anruf von Natalie: "Othmar, etwas Schreckliches ist passiert: Unser Vize-Bürgermeister wurde gefeuert!" Darauf ich: "Hätte ich dir gleich sagen können, dass er das nicht schafft." Sie antwortete: "Da handelt es sich sicher um eine politische Intrige. Seine Stelle erhielt nun ein gewisser Wladimir Putin!" Ich fragte nach: "Wer ist denn das?" Sie vermutete, dass es irgendein KGB-Mann aus Berlin sei... Ein paar Wochen später verstarb Sobchak infolge eines Herzinfarkts und Wladimir war kurz danach schon in Richtung Moskau unterwegs.

Nicht auszudenken, wie sich die Weltgeschichte entwickelt hätte, wäre unser "Hackler" im Amt geblieben.

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Judith Innreither

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