Tote Flüchtlinge – oder die Hölle, das sind wir

Ein Kollege erzählte mir unlängst von seiner zwölfjährigen Tochter, die ihr Taschengeld zusammenkratzte, um ein Hilfspaket für Flüchtlinge zu kaufen.

Andere konnten kaum noch schlafen, nachdem sie von den 71 Flüchtlingen erfuhren, die in einem LKW mitten in Europa qualvoll ihr Leben aushauchen mussten.

Ihre Betroffenheit ist echt – ebenso wie ihre Hilflosigkeit.

Hilflos sind auch viele – vielleicht gar alle – Regierungspolitiker der EU-Staaten angesichts von hunderttausenden Menschen, die vor Krieg und Vernichtung auf unseren Kontinent flüchten (wollen). Auch sie zeigen sich betroffen, berührt und entsetzt.

Niemand will Politikern ihre Emotionen, ihre Empathiefähigkeit absprechen. Doch wie glaubwürdig sind sie? Wer hat denn erst den Schleppern ihr blutiges Business aufbereitet? Wer hat es bislang verabsäumt, das gescheiterte Dublin II (Copyright: Angela Merkel), wonach Asylanträge für EU-Staaten nur noch in einem EU-Land und nicht mehr im Herkunftsgebiet erlaubt sind, so lange aufrechtzuerhalten?

Die Betroffenheit hat daher einen Hautgout. Das huit Clos – die acht Nägel eines Sarges – der Flüchtlinge, die von üblen Schleppern transportiert wird, ist made in Germany, France, Austria und den übrigen EU-Staaten. Die Hölle, das sind – frei nach Jean-Paul Sartre – nicht die anderen, das sind wir.

Außenminister Sebastian Kurz sagt im ÖSTERREICH-Interview zu Recht, dass „Europa aufwachen“ müsse. Auch Kanzler Werner Faymann liegt richtig, wenn er sagt, dass er „den Druck in der EU erhöhen“ wolle.

Bloß sind WIR auch die EU.

Von Frau Merkel abwärts müssen jetzt alle EU-Regierungschefs Lösungen gegen die Flüchtlingskrise finden und umsetzen: Asylanträge müssen wieder vor Ort – oder in benachbarten Staaten von Kriegsländern – gestellt werden können. Damit entzieht man Schleppern bereits teilweise ihre tödliche „Attraktivität“. Wenn es legale Wege nach Europa gibt, braucht man sich nicht mehr Mördern anzuvertrauen.

Die übrigen Menschenhändler müssen aufgespürt und hart von Gerichten bestraft werden.

Alle 28 EU-Staaten müssen gemeinsam eine neue „Quote“ für die Aufteilung dieser Ärmsten der Armen finden. Kasernen, leerstehende Immobilien der Republiken gehören als Quartiere geöffnet. Pensionierte Lehrer sollten gebeten werden Europas neue Bürger in Sprache und politischer Bildung zu schulen. Die zivile Gesellschaft – ja, auch wir Journalisten -  ist ebenso gefordert wie die Politik. Wir alle können und müssen helfen.

Wir können nicht alle retten. Aber wir haben nicht nur nach der Genfer Konvention die Verpflichtung Kriegsflüchtlinge aufzunehmen. Schärfere Grenzkontrollen oder utopische Mauern um Europa werden daran wenig ändern. Wir müssen jetzt handeln und Sofortlösungen umsetzen.

Und dann muss sich die EU-Politik – und auch die USA – endlich um die Ursachenbekämpfung kümmern. Seit 2011 schaut die ganze freie Welt zu, wie zunächst der syrische Diktator und dann auch noch barbarische Islamisten wie ISIS das syrische Volk abschlachten. Sich jetzt verwundert die Augen überzigtausende Flüchtlinge zu reiben, ist mehr als zynisch. Pseudo-Pazifismus gegen Kriegsverbrecher war seit 2011 eine schlicht verfehlte Politik.

Die politische Ignoranz – vor allem von US-Präsident Barack Obama und schlagkräftigen EU-Staaten – von damals, hat die Flüchtlingstragödien von heute verursacht. Wie lange wollen wir noch wegschauen und uns und anderen eine Hölle bereiten?

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Silvia Jelincic

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fischundfleisch

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Gudrun Krinzinger

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