Wet Market ≠ Wildtiermarkt – und wie steht es um das Tierwohl?

(© Nicolas Lannuzel, CC BY-SA 2.0

Seit Monaten wird über den mutmaßlich ersten großen Ausbruch des Coronavirus Sars-Cov-2 auf einem so genannten „Wet Market“ im chinesischen Wuhan gesprochen. Und auch das neuerliche Aufkeimen des Virus in China wird auf einen solchen Markt zurückgeführt: den Xinfadi-Markt in Peking, der als größter Wet Market Asiens gilt. Diese Fälle haben auch das Wort „Wet Market“ in Deutschland bekannt gemacht. Was aber ist ein Wet Market wirklich? Inwiefern unterscheidet er sich von einem Wildtiermarkt? Und wie steht es um das Tierwohl?

Autor: Christoph May, Mitarbeit & Recherche: Okke Reuer

Ein Versuch der Einordnung

Was ist ein Wet Market? In den Medien lässt sich zwischen zwei Gegenpolen der Wet-Market-Definitionen unterscheiden, die aber beide jeweils nur ein unvollständiges Bild zeigen: An der einen Stelle werden die Märkte als chaotische und gesetzlose Orte dargestellt, wo exotische Tiere angeboten werden und Hygiene keine Rolle spielt, anderswo werden sie als Wochenmärkte beschrieben, auf denen neben Obst und Gemüse auch frisches Fleisch verkauft wird – genau wie Märkte also, die unter anderem auch in Deutschland zum Alltag gehören. Dabei werden Wet Markets fälschlicherweise oft mit Wildtiermärkten gleichgesetzt, u.a. auch von Entwicklungsminister Müller in einem Gastbeitrag.

Eine universelle Definition für Wet Markets aber kann es nicht geben. Einzelne „Wet Markets“ haben je nach Region sehr unterschiedliche Ausprägungen – von meist gewöhnlichen Wochenmärkten, die der Grundversorgung der Menschen dienen, bis hin zu illegalen Wildtiermärkten. Was viele Wet Markets jedoch gemein haben, ist ein problematischer Umgang mit Tieren.

Wet Markets und der Tierschutz

Die Debatte um Wet Markets ist weiterhin stark mit der Suche nach den Ursprüngen des neuartigen Coronavirus verknüpft. Dabei stehen auch die zum Teil illegal gehandelten und auf Märkten angebotenen Wildtiere als mutmaßlicher Ursprung des Virus im Fokus. Die Bilder vom Wildtiermarkt in Wuhan, auf dem zahlreiche Wildtiere wie Stachelschweine, Schlangen oder Vögel zum Verkauf standen, haben viele Menschen schockiert.

Auch wenn sich solche Szenen garantiert nicht auf jedem einzelnen der abertausenden Wet Markets in Südostasien abspielen, kommen sie in der Region doch in einem Ausmaß vor, das ein konsequentes Vorgehen der Behörden erforderlich machen müsste. Eine Schließung solcher Märkte ist unausweichlich.

Aus Tierschutzsicht ist es außerdem wichtig, den Blick zu weiten und auf die Zustände der Wet Markets in Südostasien (und darüber hinaus) zu schauen, auf denen Tiere lebend gehandelt oder vor Ort geschlachtet werden. Bei der Aufmerksamkeit für die Wildtiere auf den Märkten sollten aber auch Enten oder Hühner nicht in Vergessenheit geraten, die nicht weniger unter tierschutzwidrigen Bedingungen wie engen Käfigen und unkontrollierten Schlachtungen leiden. Bildungsarbeit auf den Märkten, um die Einstellung der Händler*innen gegenüber den Tieren zu ändern – und damit den Umgang mit ihnen auf und jenseits der Märkte –, wäre ein wichtiger Ansatzpunkt für Veränderungen.

Als Welttierschutzgesellschaft weisen wir besonders auf die Betrachtung folgender Punkte hin:

Pauschale Urteile über Wet Markets sind aufgrund der großen Bandbreite der angebotenen Waren und Tierprodukte zu vermeiden. Der Ruf nach einem grundsätzlichen Verbot der Wet Markets zielt ins Leere. Eine Bewertung kann nur für jeden einzelnen Markt und die dort herrschenden Zustände erfolgen.

- Leider trifft es zu, dass eine nicht unbedeutende Zahl an Wet

Markets in Südostasien aus Tierschutzsicht unhaltbare Zustände

aufweisen. Daher sind die Staaten, in denen Wet Markets zum

Alltagsbild gehören, zum Handeln gezwungen. Für die Märkte müssen

klare Tierschutzregeln gelten, zum Beispiel zur Unterbringung der

Tiere und den hygienischen Bedingungen, die dann auch

entsprechend durch die Behörden durchgesetzt werden müssen.

- Erforderlich ist ebenfalls ein konsequentes Vorgehen gegen den

illegalen Wildtierhandel, damit besonders betroffene Tierarten

überhaupt nicht erst den Qualen ausgesetzt sind, die sie auf dem

Weg zu den Märkten und vor Ort erleiden.

- Veränderungen allein auf dem regulatorischen Weg zu erreichen,

d.h. durch das Eingreifen von Gesetzgebern und Behörden, greift

letztlich zu kurz. Der Umgang mit den Tieren ist oftmals eine

seit langer Zeit gelebte Praxis. Durch Bildungsarbeit auf den

Märkten muss überhaupt erst eine Sensibilisierung der

Händler*innen für den Tierschutz erreicht werden.

Erst wenn die dort gehandelten und angebotenen Tiere als fühlende Wesen mit eigenen Bedürfnissen wahrgenommen und entsprechend gehalten werden, können sich die Zustände auf den betroffenen Wet

Markets in Südostasien dauerhaft bessern.

Wir als Welttierschutzgesellschaft möchten einen Beitrag dazu leisten, dass mit mehr Bedacht und Weitblick statt Pauschalisierung auf die weltweiten Tierschutzprobleme geschaut wird – auch in Bezug auf Wet Markets. Denn grundsätzlich alle diese Märkte und die dort tätigen Menschen unter den Verdacht der Tierquälerei zu stellen, ist für den Tierschutz wenig förderlich. Es ist wichtig, die teilweise vorherrschenden Missstände konkret zu benennen und sich dort für Verbesserungen in Sachen Tierwohl einzusetzen.

www.welttierschutz.org

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