Der Eurovision Song Contest, kurz ESC, hat begonnen und Musikerinnen und Musiker sind aufgerufen in Kommentaren und Blogs ihre Meinung zu dem Spektakel abzugeben. Es stimmt, dass man den ESC 2015 nicht ignorieren kann schon gar nicht in Österreich und erst recht nicht, wenn man in Wien oder Umgebung wohnt.

Ich war seinerzeit (in den 80er Jahren) ein glühender Fan des Songcontestes. Ich bin damit sozusagen musikalisch sozialisiert worden und der Songcontestabend (es gab damals ja nur einen pro Jahr) war eine große Party mit viel Essen, Getränken und vielen Freunden der Familie. Da wurde diskutiert und geblödelt und gefachsimpelt. Überhaupt erinnere ich mich, dass damals die gesamte Musikszene der Unterhaltungsmusik auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt wurde. Kein Wunder, dass das so war: zum einen waren unter den Gästen des Abends bekannte und weniger bekannte Menschen aus der österreichischen Musikszene und zum anderen war damals der Anteil an österreichischer Musik im Radio gering. Aber Hoppla: Genau das wird auch heute – 30 Jahre später – noch beanstandet. Hat sich seit dieser Zeit in dieser Hinsicht wirklich nichts geändert?

Zurück zum Songcontest: ich erinnere mich gut an die Gruppen, die in ihrer Landessprache unverständliche Worte mit Begeisterung und Inbrunst vortrugen und ich manchmal das trügerische Gefühl hatte, ich habe jetzt verstanden, um was es geht. Skurile und schablonenhafte Auftritte gab es immer schon, aber heute werde ich das Gefühl nicht los, dass die Musik, die doch bei einem „Liederwettbewerb der Eurovision" das Wichtigste sein sollte, total in den Hintergrund gerückt ist. Natürlich ist auch die Performance wichtig und zumeist fliegen die Falschsinger eh raus (nicht immer, leider!).

Wie es mir beim Songcontest geht? Im Vorfeld so ähnlich wie beim Life Ball: da ist ein großer Hype, ein immenser Aufwand und ich frage mich, ob der das Ergebnis Wert ist. Im Gegensatz zum Life Ball geht es beim ESC aber um Musik oder eigentlich um den Schlager. Um diesen zu retten wurde nämlich in den 50er Jahre ein Format im Fernsehen gesucht. Dem Siegeszug von Elvis Presley und dem Rock'n Roll sollte Einhalt geboten werden und so erfand man einen Wettstreit der Schlagersänger Europas. Mit großem Erfolg!

Der Schlager wurde aber nicht gerettet – im Gegenteil. Heutzutage würde niemand mehr den ESC mit dem Wort Schlager in Verbindung bringen wollen - aber der Erfolg des Songcontests ist unbestritten, auch nach noch so vielen Jahren voll Unkenrufen, Schmähungen und Regeländerungen. Er ist und bleibt für sehr viele Menschen Fixpunkt im Jahreskreis. Dass der Wettstreit heuer in Österreich stattfindet berührt mich eher weniger. Ich werte es eher als einen Zufall. Österreich hat sich jahrzehntelang bemüht NICHT zu gewinnen. Naja, jeder macht einmal einen Fehler.

Aber dass Österreich durch die Austragung des ESC seinem Ruf als „Musikland" festigen könnte ist echter Humbug. Zum einen mag der Begriff ja in der Vergangenheit zur Zeit der „Wiener Klassik" und der Walzerseligkeit seine Berechtigung gehabt haben. Heutzutage leistet Österreich jedoch für die Musik und die Musiker nicht mehr als jedes zivilisierte Land der westlichen Hemisphäre. Der Mythos von dem „Musikland" wird jedoch weiterhin eifrigst gepflegt und oft auch darauf ausgeruht. Zum anderen sind die Lieder beim ESC schon lange nicht mehr das Ergebnis der Kreativität eines Landes. Einige internationale Songwriter bedienen einige Musiker und einige Produzenten suchen daraus passende Stücke aus. Zweifellos eine Folge der Globalisierung und Vernetzung unserer Welt, wo Grenzen aufgehoben werden. Zumeist aber leider nur wenn es ums Geschäft geht...

Ich wünsche dem ESC 2015 viel Erfolg - auch den Veranstaltungen und Veranstaltern, die sich rundherum an das Zugpferd anhängen. Eines zeigt der Eurovision Song Contest nämlich sehr gut: dass mit Musikveranstaltungen ein Geschäft zu machen ist!

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Silvia Jelincic

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