Wem gehört der öffentliche Raum?

Der öffentliche Raum ist ein Spiegel der Gesellschaft und ihrer Werte. Ist unser höchster Wert, unsere allerheiligste Kuhdas Auto?Wem gehört der öffentliche Raum in unseren Städten? Uns Menschen oder den Autos?

Jetzt ist ein Großteil des öffentlichen Raumes in Städten dem Fließverkehr und dem Platz zum Parken für private Kraftfahrzeuge gewidmet. Andere öffentliche Bedürfnisse wie die nach Grün- und Erholungsflächen, Begegnungszonen, „langsamen“ Räumen für Kinder und ältere Menschen etc. sind nachrangig. Hat der Mensch zu Fuß die gleichen Rechte wie der Mensch im Auto? fragte ich mich schon im Artikel „Das Recht von Kindern auf Mobilität – eine Schikane?“, weil mich ein aktuelles Pro-Autofahrer-Plakat der ÖVP so aufregt. „Es ist äußerst wichtig, dass der öffentliche Raum auch in öffentlicher Hand bleibt und allen Menschen offensteht“, sagt der Stadtforscher Ash Ami.

Er plädiert aber auch klar für die Regelung des öffentlichen Raumes, hier kann nicht grenzenlose Freiheit des einen auf Kosten des anderen herrschen: „Ein komplett unregulierter öffentlicher Platz ist problematisch, weil er von bestimmten Gruppen kolonialisiert wird. Die Stärksten, Lautesten, Gewalttätigsten, Arrogantesten nehmen den Platz ein.“ Und da möchte ich ergänzen: mit dem Auto bin ich nun mal stärker und lauter. Und potenziell tödlicher.

Was passiert, wenn wir öffentlichen Raum zurückerobern und so viel Raum einnehmen wie ein Auto?

Das können wir z.B. untersuchen in Experimenten wie"Knoflachersche-Bewusstseinsmaschine“: Wir schnallen uns uns ein „Gehzeug“ um und bewegen uns so raumgreifend in der Stadt wie ein Auto. Ein Gehzeug ist ein Holzrahmen mit Trageriemen, genau so groß wie ein Auto, entwickelt vom Institut für Verkehrstechnik und Verkehrsplanung, TU Wien. Das kann einen neuen Blick auf die scheinbar selbstverständliche allgegenwärtige Präsenz von Autos eröffnen, statt dass wir dies wie eine Naturgewalt unhinterfragt hinnehmen.

Wem gehört der öffentliche Raum? Nur den AutofahrerInnen?

Ein weiteres Experiment ist Parkingday, ein von San Francisco ausgehender weltweiter Aktionstag. Hier wird  öffentlicher Raum kurzfristig – z.B. für die Dauer eines Parkscheines – in ein Kunstwerk wie z.B. eine temporäre Grünfläche verwandelt. So wird erforscht, welche Handlungsspielräume im öffentlichen Raum möglich sind. Und es soll Bewusstsein dafür schaffen, die Werte kritisch zu hinterfragen, die unseren öffentlichen Raum formen.

Das Auto ist die Heilige Kuh unserer Zivilisation. Das Recht auf ein eigenes Auto scheint das vorrangigste Recht zu sein. Wehe, da trauen sich grüne PolitikerInnen dran zu kratzen! Autos haben FußgängerInnen und RadfahrerInnen immer mehr an den Rand gedrängt und Straßen für Mensch und Tier zu einem oft lebensgefährlichen Ort gemacht (Verkehrsunfälle, Feinstaub, etc.). Na und? Zwei Drittel der Straße gehören dem motorisierten Verkehr, obwohl nur 1/3 der Menschen motorisiert sind. Na und? Stundenlanges Parkplatzsuchen? Na und?

Hoffnung geben sinkende Umsatzzahlen der Autobranche: Junge Menschen investieren scheinbar lieber in Smartphones als in Autos. Auch die Zahl jener, die den Führerschein machen, sinkt deutlich. Verliert das Auto seine Position als Statussymbol bei jungen Menschen? Gibt es hier wirklich einen Trendwechsel? Ein Umdenken in Richtung mehr Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum?

Dieses Umdenken erfordert Radikalität, sagt die Architektin und Stadtforscherin Angelika Psenner von der TU Wien: „Solange wir den öffentlichen Raum, den Straßenraum, dem Auto zur Verfügung stellen kommen wir nicht wirklich weiter.“ Psenner fordert die Änderung der Straßenverkehrsordnung, z.B. den Straßenraum nicht mehr als Verkehrsraum zu definieren! Das ist der Ausgangspunkt für ein Neu-Denken der Stadt!

Und nein, ich bin keine fanatische Autohasserin und ich wünsche unsere Zivilisation nicht vor die Erfindung des Rades zurück. Um mit Moreau zu sprechen:

„Nichts gegen das Auto, das gewiss nützlich ist für den einen oder anderen Zweck. Aber solange wir die Besetzung unserer Dörfer und Städte und Straßen und Plätze durch das Auto hinnehmen und solange wir nicht dafür sorgen, dass unsere Kinder da, wo wir zu Hause sind, wieder gefahrlos auch auf der Straße spielen können, solange gehört unser Herz dem Auto.“ (Moreau: Das Gehzeug oder why don´t we do it in the road)

Bildquelle: parkingday.org

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Tim Uppi

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