Wer jemals auf einer Kaffeefahrt war, der kennt den Ablauf. Trainierte Verkäufer machen den Teilnehmern anhand von Schreckensfotos deutlich, was sich so alles in ihren Matratzen bewegt: jede Menge Milben mit deren Kot. Die Abhilfe: neue Matratzen zum „Sonderpreis“. Um sich die aufwendigen Busfahrten zu ersparen, greift mittlerweile ein Unternehmen mit mehreren Filialen im süddeutschen Raum zu einer kostensparenden Veranstaltung: zur Kaffeefahrt im Wohnzimmer.

Es beginnt mit einem harmlosen Anruf: „Wie geht es Ihnen? Sind Sie gesund? Können Sie gut schlafen? Prima. Wir schenken Ihnen ein Kissen für 77 € als Belohnung, wenn Sie uns sagen, was Sie von unseren neuen Produkten halten, OK.? Sie müssen nichts kaufen, wir sind nur an Ihrer Beurteilung interessiert“. Tage später kommt eine individuell gestaltete Postkarte mit der Ankündigung eines Anrufs. Telefonisch erfolgt die Vereinbarung eines Besuchstermins. Dann erscheinen zwei strahlende Mitarbeiter mit einer großen Tasche. Sie übergeben das versprochene Kissen, mit aktiver Atmung und voll waschbar. Nun, für sieben 77 € kann man schon etwas erwarten. Von den zu testenden Produkten ist allerdings keine Rede, dafür das Angebot, mittels des mitgebrachten Geräts die Matratze des Auserwählten zu röntgen. Auf das „Nein“ des Besuchten erfolgte die Reaktion: „Das war‘s dann wohl“.

Auf die Frage, was die Besucher denn sonst so anzubieten hätten, wurde klar: nichts. Man wollte nur Matratzen verkaufen. Auf mehrfaches Nachfragen nach dem Preis kommt die ausweichende Antwort: „Wenn Sie eine orthopädische Matratze kaufen, liegt die bei 2500 €. Wir sind da bedeutend günstiger, weil wir keine Zwischenhändler einschalten“. Schön, aber wer kauft schon ohne ernsthafte Gesundheitsprobleme eine orthopädische Matratze?

Fragen nach technischen Daten werden nicht beantwortet. Das sei sehr komplex. Ob es einen Vorführraum gebe, wo man das Produkt mal testen können? Nein, für einen solchen Raum brauchte man eine Versicherung, die sich aber nicht lohne, wenn kaum Besucher kämen. Die Situation erinnert irgendwie an die Fernsehsendung „Versteckte Kamera“. Vor der Verabschiedung der „Berater“ wird noch ein Hightech-Reinigungstuch für 35 €, anschließend für 20 € angeboten.

Der Besuchte lehnt ab und erkundigt sich anschließend im Internet über das Unternehmen. Es handelt sich laut dem deutschen Franchiseportal um einen Strukturvertrieb, der 4850 € als Startkapital, eine Gesamtinvestitionssumme von 9850 € sowie eine Franchisegebühr von 150 € erwartet. So viel Geld muss erst einmal verdient werden.

Auf der Webseite des Unternehmens werden mit tollen Fotos und Storys neue Partner angelockt: „Menschen entwickeln und fördern (Wohlbefinden und Erfolg für alle)“.

Wer da mitmacht hat selber Schuld - genauso wie derjenige, der sich dort einlullen lässt.

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