Eliten sind scheiße, das weiß doch bitte heute jeder. Diese furchtbare Arroganz, die Borniertheit, diese unsägliche Besserwisserei der intellektuellen "Elite", die noch nie wirklich etwas gearbeitet hat in ihrem Leben. Schluss damit. Das Volk weiß es besser. Immer. Das praktische daran: WIR sind das Volk.

Was haben sie uns schon gebracht, die Eliten? Elektrischen Strom. Na gut, elektrischen Strom, und sonst? Schulbildung für alle. Ja, ok. Elektrischen Strom, Schulbildung für alle, aber sonst Fehlanzeige. Krankenversicherung, Alterspension, Kindergeld, PCs, Smartphones, Flugreisen ans Ende der Welt, Autos, Supermärkte, ... Die Liste ist schier endlos. Über siebzig Jahre Frieden hier bei uns, könnte man noch hinzufügen, übrigens die längste Friedensperiode seit es in unseren Breiten Zivilisation gibt.

Ich bin das Produkt und das Kind einer Leistungs- und Wissensgesellschaft. Ich habe mich durch Schule und Studium gebüffelt, was oft sehr anstrengend und überaus öde war, und habe nebenher an Wissen aufgesaugt, was immer mir möglich war. Ich bin völlig fassungslos über den offenbaren Zustand der Gesellschaft, der sich mir hier auf F+F, aber auch auf anderen Plattformen auftut.

Wenn die Friseurin am Blinddarm operiert

Am meisten verwundert mich dabei die vollkommen unsinnige Idee, dass uninformierte und halbinformierte Menschen bessere Entscheidungen treffen sollten als informierte, gebildete und die damit verbundene Verachtung der "Eliten". Das ist als würde man einen Benzinmotor, je nach Bauchgefühl mit Diesel oder Kerosin betanken. Man sollte niemals Menschen entscheiden lassen, die die Folgen ihrer Entscheidung nicht abschätzen können. Genau dafür braucht es Eliten. Menschen, die sich durch harte Arbeit Wissen und Fähigkeiten erarbeiten, an denen es anderen mangelt.

Ist das arrogant? Bedingt. Ich bin sehr für Gleichberechtigung, aber Gleichberechtigung heißt vor allem Chancengleichheit - und jeder hat die gleiche Chance sich durch harte Arbeit Bildung anzueignen. Wer das verabsäumt, soll sich bitte hinterher nicht darüber beschweren, wenn er sich in Sachen Volkswirtschaft (Themenkreise Euro, EU, CETA, ...) nicht auskennt und Leute, die davon Ahnung haben arbeiten lassen. Ich sage ja auch dem Mechaniker nicht wie er mein Auto reparieren muss. Warum? Ganz einfach, weil ich davon nichts verstehe und das auch weiß. Dem Griechen Sokrates wird der Satz: "Ich weiß, dass ich nichts weiß." zugeschrieben - und diesen Moment der Erkenntnis müsste man sich für viele Menschen wünschen. Oder würden Sie sich gerne von der Friseurin ums Eck am Blinddarm operieren lassen. Schließlich kann sie ja mit Scheren umgehen...

Postfaktische Gesellschaft und Demokratisierung des Wissens

Heute sprechen bereits viele von der postfaktischen Gesellschaft, also einer Gesellschaft, in der es nicht mehr darauf ankommt, ob etwas wahr ist, sondern nur darauf, wie viele es anklicken oder teilen. Natürlich ist Wahrheit ein relativer Begriff. Ich definiere Wahrheit für mich nach einem einfachen Prinzip: Gibt es Belege dafür? Kann man das reproduzieren, wenn man sich an eine diesbezügliche Anleitung hält? Ist es widerlegbar? Wahrheit ist der gegenwärtige Stand des Irrtums könnte man sagen. Aber ist sie deshalb irrelevant, unbedeutend, vernachlässigbar? Ich sage nein. Die einzig vertretbare Regel für Entscheidungen ist, sie nach dem aktuellen Stand des Wissens zu treffen und sie daher, ebenfalls basierend auf diesem, regelmäßig zu evaluieren.

"Ich habe mein Wissen aus dem Internet", höre ich nur all zu oft. Und ja, Recherche im Internet ist gut und schön, auch ich nutze das Internet gerne. Aber hier muss man eben die Quellen auch dementsprechend vorsichtig beurteilen. Wie wahrscheinlich sind (von der Regierung gesteuerte) Chemtrails, nur weil es im Internet steht? Wie wahrscheinlich ist eine weltweite Verschwörung bei der tausende Menschen Stillschweigen bewahren müssten, angesichts der Tatsache, dass es die NSA nicht mal schafft, alle ihre Mitarbeiter zu kontrollieren? Wie wahrscheinlich ist es, dass ein von Putin finanzierter Fernsehsender oder eine Website tendenziell Dinge berichtet, die den Zielen Putins nutzen? Wieviel Wahrheit enthalten Kampagnenseiten von Parteien wie unzensuriert.at?

Endlich einer, der so denkt wie ich

Wie oft lese ich unter Blogs: "Danke. Endlich einer der die Wahrheit ausspricht", wo doch eigentlich gemeint ist: "Super, endlich jemand, der meiner Meinung ist." Dem US-Senator Patrick Moynihan wird das berühmte Diktum zugeschrieben: „Sie haben jedes Recht auf Ihre eigene Meinung. Aber Sie haben kein Recht auf Ihre eigenen Fakten.“ Ich habe gegenüber F+F schon des öfteren moniert, dass ich es falsch finde, Artikel auf Facebook zu teilen oder zum Top-Blog zu machen, deren Inhalt auf falschen Fakten beruht. Ich halte das für gesellschaftlich gefährlich. Es ist ja kein Problem auf Grundlage der selben Fakten zu unterschiedlichen Schlüssen zu gelangen, und diese auch öffentlich kund zu tun - aber der (oft bewusste, zumindest aber fahrlässige) ungenaue Umgang mit Fakten führt nur dazu, dass die Verunsicherung in breiten Teilen der Gesellschaft weiter wächst und wächst.

Überall wabern nebulose Emotionen durchs Netz. Da "fürchten" sich die Rechten vor Ausländern, Islamisierung, Drogen (außer Koks), linksnaiven Gutmenschen, dem Kapitalismus und (selbstredend) Eliten - und die Linken vor Faschisten, Nazis, Polizei, dem Kapitalismus und (erraten) Eliten. Dabei bezieht man sich auf (bestenfalls) Halbwahrheiten aus dem Internet oder einen Onkel eines Freundes eines Bruders des Cousins eines der es ja wissen muss, weil er da arbeitet, oder einen Freund, Verwandten oder ein Haustier hat, das da arbeitet. Wichtig ist dabei nur eines: Jeder Beitrag soll möglichst die eigene Meinung widerspiegeln. Widerspruch - nicht erwünscht. Dabei gilt gerade in der Bildung die Regel: Beschäftige Dich mit jenen Dingen, die Du nicht glauben kannst. Entweder du findest heraus warum sie doch stimmen könnten, oder Du kannst Sicherheit gewinnen, dass sie nicht stimmen. Aber dieser Grundsatz scheint eine abnehmende Bedeutung zu haben.

Fazit

Ich meine: Wir brauchen Eliten. Wir brauchen mehr Eliten - Menschen, die sich anstrengen, weiterbilden, über bestehende Grenzen hinwegdenken. Menschen wie Albert Einstein, Gallileo Gallilei, Leonardo Da Vinci, Thomas Edison, Charles de Gaulle, Konrad Adenauer, Viktor Adler, Ludwig Erhard. Und wir brauchen weniger Menschen wie Lugner, Strache, Höcke, Storch, Le Pen, Grillo, Faymann und Lopatka. Und was wir am allerwenigsten brauchen sind jene, die sich für die einfachen Menschen halten und in Begeisterungsstürme ausbrechen, wenn ein verirrter Politiker den nächsten Bürgerkrieg an die Wand malt.

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