"Ich hol mir, was mir zusteht" - die Herbeibeschwörung des Klassenkampfes

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Österreich steht erneut vor Wahlen und die Parteien bringen sich in Position. Nachdem der ursprüngliche Hype um Christian Kern verblast ist und die SPÖ mit internen Lagerkämpfen zu kämpfen hat, versucht Bundeskanzler Kern erneut auszuholen. Diesmal mit einem Slogan, bei dem man nicht genau weiß, ob es sich um ein politisches Programm oder einen Kampfaufruf handelt.

Neuer Hype: Kernwählerschaft mobilisieren

Nachdem die SPÖ ihre ursprünglichen Positionen bezüglich der Mittelmeerrouten-Schließung aufgegeben hat, setzt man vor allem auf zwei Themen: Sebastian Kurz und die Herbeibeschwörung eines Klassenkampfes à la "Robin Hood". Bermerkenswert ist jedenfalls, dass sich die SPÖ nicht durch eigene Inhalte definieren will, sondern sich als Gegenpol zum Sebastian Kurz sieht. Dabei ziehen sogar innenparteiliche Ideologie-Kontrahenten wie Niessl und Häupl an einem Strang. Mit Polarisierung und gegenseitigem Anpatzen lässt sich natürlich auch wahlkämpfen, vor allem wenn man die eigene Kernwählerschaft mobilisieren will.

Ursozialistische Instinkte: Herbeibeschwörung des Klassenkampfes

Trotzdem bedauernswert, wenn man den Klassenkampf erneut herbeibeschwören muss und fast schon ursozialistische Instinkte ins Spiel bringt. Ich dachte, dass sich auch die Sozialdemokratie weiterentwickelt hat, doch die Forderung hätte glatt aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts kommen können. Aus der Zeit der Revolutionen... damals, als in Russland Matrosen aufgefordert wurden das zu nehmen, was ihnen zusteht. Und das taten sie auch... mit Mistkabeln, Hauseinbrüchen und Selbstjustiz. Zugegeben, der Vergleich ist etwas zugespitzt.

Die Opfer-Täter-Umkehr

Schade, dass wir uns auch im 21. nichts gönnen. Leistung wird nicht honoriert. Nein, im Gegenteil: Jene, die etwas aufgebaut haben, ihre Steuern gezahlt haben und womöglich sogar Arbeitsplätze geschaffen haben, werden als Ausbeuter des Systems und fast schon als Kriminelle dargestellt. Und jene, die "märtyrerhaft" gegen das kapitalistische System kämpfen (wörtlich gemeint), den Neid zum Lebensmotto gewählt haben, gelegentlich Fahrzeuge verbrennen, werden heroisiert. Eine Art Opfer-Täter-Umkehr. Zweifelsohne ist der Kapitalismus nicht perfekt, dennoch ist es nicht "sozial" Menschen gegeneinander auszuspielen und alle in einen Topf zu werfen.

Ich hol mir, was mir zusteht

Auch wenn an dem Slogan auf den ersten Blick nichts falsch ist, ist die Kontextualisierung ausschlaggebend. Man muss sich in erster Linie zwei Fragen stellen: Was steht mir überhaupt zu? Wie hole ich es mir? Auf Kosten von anderen etwas zu holen, was einem nicht gehört, ist nicht solidarisch. Lohnsteuersenkungen und Abbau von Steuern im Allgemeinen wären der richtige Weg, damit jeder das bekommt, was einem tatsächlich zusteht. Wie lässt sich das aber mit neuen Steuern, konkret der Erbschaftssteuer, vereinbaren?

Die falsch verstandene Solidarität

Wir sudern zu viel und machen zu wenig. Ich denke dennoch, dass das kein Alleinstellungsmerkmal der österreichischen Mentalität ist. Egal wo man hinblickt, überall jammern die Menschen. Und umso wohlhabender die Länder sind, desto mehr Menschen jammern. Das ist menschlich... Menschen, die schlecht leben, wollen gut leben. Und jene, die gut leben, wollen noch besser leben. Dennoch wäre etwas mehr Wertschätzung gegenüber all den Errungenschaften und dem Wohlstand, den Österreich erzielt hat, wünschenswert. Natürlich müssen wir etwas dafür tun, damit es auch weiterhin so bleibt. Das bedeutet aber im Umkehrschluss nicht, dass wir umverteilen oder zusätzliche Steuern einführen müssen, um die aus meiner Sicht falsch verstandene Solidarität sicherzustellen. Für mich ist das nicht solidarisch, sondern egoistisch, wenn versucht wird auf Kosten einer Gruppe die andere zu begünstigen.

Immerhin weiß ich nun, dass auch linker Populismus in Europa fruchtet. Ich wünsche mir dennoch mehr inhaltlich-relevante Vorschläge seitens der SPÖ und weniger "Vollholler", wie es der Bundeskanzler sagen würde.

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