f+f - eine subjektive Analyse

Ich beobachte die Plattform seit nunmehr einem Jahr und nehme nun den Rückzug von Jürgen Heimlich zum Anlass ebenfalls ein paar Gedanken zu formulieren.

Ich arbeite selbst im Online-/Social Media-Bereich, deshalb schien mir die neuartige Idee, die zu Beginn bei f+f formuliert wurde, erfrischend anders und einen zweiten Blick wert.

Im ursprünglichen Mission Statement war da zu lesen von einer Plattform, die allen, die möchten, eine Öffentlichkeit für ihre Texte zur Verfügung stellt. Ich las von Chancen für Nachwuchs-Journalisten, von finanzieller Vergütung für herausragende Autorinnen und Autoren. Alles in allem ein Marktplatz für interessante, gut geschriebene Texte. In der Öffentlichkeit bekannte Journalistinnen und Journalisten schrieben bereits für f+f - auf den ersten Blick ein Zeichen von Qualität. Insgesamt schien mir also f+f eine lohnenswerte Sache zu sein, da ich im deutschsprachigen Raum bisher keine ähnliche Initiative kennengelernt hatte. Schon damals war ich allerdings ein wenig irritiert, da so viel Augenmerk auf die 'Meinungen' gelegt wurde (was auch in dem etwas merkwürdigen 'Wir machen Meinungen' zum Ausdruck kommt) - jede und jeder würde hier schreiben dürfen, was immer er wolle (sofern nicht mit dem Gesetz in Konflikt geratend).

Weltweit zeigt sich, dass es hier Diskrepanzen gibt zwischen völlig offener Plattform und Qualitätssicherung, da ungefilterter Zugang immer auch die Extreme befördert.

Und genau das passierte hier auf f+f. (Rechts)extreme Meinungen, krude Impfgegner-Fantasien und ähnliche radikale Beiträge füllten immer öfter den Stream. Gleichzeitig wurden die qualitativ anspruchsvolleren Artikel deutlich weniger. Ich erinnere mich an f+f-Mitglieder, die über technische Innovationen posteten, hin und wieder über Sport, auch über interessante geschichtliche Themen. All das habe ich hier schon lange nicht mehr gelesen.

Die Flüchtlingssituation schließlich überschattete ab den Sommermonaten alle Einträge. Es wurde immer schwieriger, im Hickhack zwischen Willkommenskultur und Abschottung der Grenzen weitere interessante Blogartikel zu finden.

Doch bis dahin hatten sich vermutlich bereits mehrere an thematischer Vielfalt interessierte Bloggerinnen und Blogger von f+f zurückgezogen. Nicht öffentlich wie Jürgen Heimlich jetzt, sie sind einfach im Laufe der Monate leiser geworden und schließlich verstummt. Das kann man nun mit einem Achselzucken hinnehmen oder vielleicht doch ein wenig betrübt sehen. Es zeigt jedenfalls (in meiner persönlichen Sicht - siehe Überschrift), dass sich f+f von der ursprünglich wohl vorhandenen Intention, auf der Plattform (auch) qualitativ hochwertige Texte zu forcieren, verabschiedet hat.

Es wird immer deutlicher, dass hier 'nur' noch die Meinungsfreiheit als Aushängeschild hochgehalten wird. Nicht falsch verstehen: die Meinungsfreiheit ist selbstverständlich eines der höchsten Güter in entwickelten Gesellschaften, aber es soll doch ein wenig auf die Diskrepanz hingewiesen werden - einerseits Anspruch (es sollen ja tolle Texte weitervermittelt werden), andrerseits wird hier dezidiert (und von der Chefredaktion auch explizit ausgesprochen) Organisationen wie Pegida eine öffentliche Plattform geboten und jegliche Moderation der Beiträge abgelehnt.

Zwei Gegensätze, die wohl nur die allergrößten Optimisten in sinnvolle Kombination zu bringen vermögen.

f+f scheint mir im Moment gewillt, jegliche Inhalte den Klickraten unterzuordnen. Der Wochenrückblick beweist ja, dass allein die Klicks zählen - eventuell vorhandene sonstige gut geschriebene Artikel (die - wie bereits erwähnt - gefühlt ohnehin immer weniger werden), finden hier keinen Platz.

Auch die Wahl der Tagesthemen zielt wohl überlegt darauf ab - Clickbait-Beiträge, die möglichst kontroversielle Diskussion in den Kommentaren erwarten lassen, werden bevorzugt prominent platziert.

Natürlich sind Klicks für Investoren ein wichtiger Faktor, um einem Projekt weitere Unterstützung zukommen zu lassen - gleichzeitig finde ich es auch ein wenig schade, dass hier Grundsätze, die ganz zu Beginn des Starts von f+f vorhanden waren, über Bord geworfen werden.

Das wäre meine kleine, vollkommen subjektive Analyse des f+f Status quo.

Es ist hiermit kein Urteil verbunden - die Idee hinter f+f halte ich nach wie vor für sehr gut. Mich beschleicht nur immer mehr die Gewissheit, dass hier eine Art 'Öffentliches Facebook' entsteht. Jede/r schreibt worüber sie/mag, man applaudiert einander oder spielt den Troll, der Öl ins Feuer gießt. Das ist vollkommen in Ordnung, aber vielleicht eine andere Richtung, als manche, die sich hier angemeldet haben um ein Schaufenster für ihre gut geschriebenen Texte und Blogbeiträge zu finden, erwartet haben.

Aus diesem Grund: volles Verständnis für Jürgen Heimlich und alle anderen, die sich aus welchen Gründen auch immer auf f+f nicht mehr heimisch fühlen.

Und nein: es hat nichts damit zu tun, dass jene, die hier verstummen, die Meinungsvielfalt nicht aushalten würden, es hat viel mehr mit persönlicher Haltung zu tun.

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