Ich sollte vorwegschicken, dass ich einen primären Immundefekt (PID) mein Eigen nenne eben deshalb schon in der Kindheit eine Systemmykose erwarb. Das darf man sich jetzt nicht wie eine klassische Infektion, etwa eine Grippe, vorstellen, deren Symptome primär die Immunantwort verursacht. Denn diese bleibt ja großteils aus. Vielmehr ist das so ein schleichender Prozess, mit subtilen Symptomen, wobei der Körper fortlaufend durch die Mykotoxine seines Gastes vergiftet wird. Es kam dann jedenfalls so weit, dass die Leber nicht mehr wollte und ich unter schrecklichen Schmerzen im Sterben lag.

Eine "glückliche" Wendung nahm der Fall, der ja mit der angebotenen palliativmedizinischen Morphiumtherapie schon auf terminalen Schienen stand, als ich dank meines Verstandes einfach mal unterstellte, dass alle bisher aufgesuchten Ärzte ahnungslos waren, und einzig meine eigene Verdachtsdiagnose einen Ausweg bot. Dann schaffte ich es schließlich noch, einem Arzt ein Rezept für systemische Antimykotika abzutrotzen: Dem Argument, sowas verschreibe man ja schon bei Nagelpilz, sei in meinem Fall aber vielleicht lebensrettend, konnte er sich trotz fehlender offizieller Indikation beugen. Das war Ende 2009.

Gut, einige Monate später war ich wieder unter den Lebenden. Die Leberwerte waren die Besten seit über 10 Jahren, die "Leberverfettung" war verschwunden, ich konnte erstmals wieder Alkohol trinken, und selbst die "idiopathischen" Herzrhythmusstörungen, die mich seit der Kindheit plagten, gingen weg..

Im Nachhinein ist ja alles oft ganz einfach und klar. Das war es davor freilich nicht. So war ich 2007 etwa am AKH zu Gast, wegen Verdacht auf ein chronisches Erschöpfungssyndrom (CFS). Der PID war zu dem Zeitpunkt schon bekannt. Von der zuständigen Internen Abteilung wurde ich zum Zweck der Ausschlußdiagnose zum Psychiater geschickt. Der urteilte schon nach wenigen Minuten Gespräch, dass alles nur eine psychische resp. psychiatrische Störung sei. Dann wurde ich, der Herr Psychiater weilte inzwischen auf Urlaub, gründlichst psychologisch ausgetestet.

Unter Berücksichtigung dieser Testergebnisse lautete der Befund schließlich auf: schizoide Persönlichkeitsstörung, hochgradige Alexithymie, Somatisierungsstörung. Außerdem seien die Wahnkriterien erfüllt und der Pat. zu "keiner kritischen Betrachtung seiner Vorstellungen fähig", sodaß nichtmal eine psychiatrische Therapie andenkbar sei.

Während mir der Herr Psychiater diesen Befund mit einem Lächeln im Gesicht aushändigte, musste er mir das Ergebnis der psychologischen Testung verwehren. Das sei in meinem Zustand nicht zumutbar. Auch mein Insistieren half da wenig. Was hingegen half, war einfach öfter vorbei zu schaun und am Schalter nach dem Befund zu fragen. Als der Psychiater grad mal nicht für eine Rücksprache erreichbar war, erhielt ich das Testergebnis anstandslos.

Das las sich dann so: "Zusammenfassung: Weit überdurchschnittliche intellektuelle Leistungsfähigkeit; zum Testzeitpunkt keine Zeichen einer akuten Psychose im Sinne einer groben Denk-, Realität-, oder Kontaktstörung fassbar..". Das Wort "keine" übrigens fett hervorgehoben.

Der Herr Psychiater hat mir also eine psychiatrische Diagnose angedichtet, die zugleich jede Berücksichtigung einer eventuellen körperlichen Erkrankung obsolet machte. Wenn man schwer, ja todkrank ist, ist das eine etwas peinliche Situation. Denn man möchte ja gerne überleben.

Ich hatte also keine Wahl als alle Möglichkeiten auszuschöpfen mich gegen dieses Vorgehen zu wehren. Nur anstatt mich auf die Erkrankung zu konzentrieren, musste ich jetzt auch noch gegen Lügen und Politik kämpfen. Ich wandte mich an den Patientenanwalt, damals noch Brustbauer. Dort wurde ich freilich schon von Beginn an abgeschasselt. Nachdem ich alle Unterlagen und Formalitäten beigebracht hatte, und entgegen anderslautender Zusagen, informierte man mich auf Anfrage, dass man nichts getan habe, weil eh alles in bester Ordnung sei. Mit Ach und Krach leitete man meine Sachverhaltsdarstellung ans AKH weiter, die freilich für "meinen" Patientenanwalt, nicht für die Gegenseite gedacht war.

Im Antwortschreiben des Herrn Psychiaters, drohte dieser mit rechtlichem Vorgehen gegen meine (gegenüber meinem Antwalt abgegebene!) Sachverhaltsdarstellung, die aufgrund der psychischen Störungen des Pat. wohl nicht ahndbar seien. Allerdings relevierte er auch, dass die Interne Abteilung an ihn eine Zuweisungsdiagnose "Schizophrenie" erteilte.

Unterstellt die Interne etwa allen Patienten die mit Verdacht "CFS" vorstellig werden eine psychiatrische Erkrankung? Und bietet sich dann die Psychiatrie als Erfüllungsgehilfe hierzu an?

Ich hatte dort, also an der Internen, selbst schon vernommen, dass man grundsätzlich die Diagnose CFS nicht erteile. Etwas seltsam für eine "Ambulanz für CFS". Und ich kannte einen Fall der doch diese Diagnose bekam, allerdings erst nach Protest und einer ebenfalls psychiatrischen Ausschlußdiagnose (ASD). Man hätte ihr die Diagnose "nur mit Bauchweh" erteilt, weil man schon sieben Jahren kein CFS mehr diagnostiziert hätte.

Wenn seit Jahren systematisch psychiatrische ASDs fingiert wurden (mit potentiell tödlichen Nebenwirkungen), dann müsste sich das ja in der Statistik niederschlagen. Also initiierte ich eine parlamentarische Anfrage. Gesundheitsminister Stöger lieferte ua. folgende Antwort:

https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/AB/AB_06287/fname_199299.pdf#page=6

Demnach wären zwischen 2003 und 2010 also 30 Patienten mit Verdacht auf CFS vorstellig geworden, wovon dann doch 5, nicht bloß eine(r) die Diagnose erhalten hätte. 18 psychiatrische ASDs wären aber immer noch eine auffallend hohe Zahl. Allerdings stimmt mit dieser Statistik offenbar einiges nicht.

So sind 5/30 nicht 3,3%. Nein, das würde vielmehr auf 1/30 zutreffen. 5 + 4 + 19 ergibt ebenfalls nicht 30. In der Spalte fragliches CFS finden sich 6 Einträge, nicht 4. Und tabellarisch sind lediglich 15 psychiatrische ASDs eingetragen, nicht 18...

Kann es also sein, dass tatsächlich bei allen Patienten, bei denen keine körperliche ASD gefunden werden konnte, pauschal eine psychiatrische ASD erteilt wurde? Denn das wurde ja selbst bei der einen Ausnahme kolportiert versucht. Und hat Gesundheitsminister Stöger mit dieser erbärmlich zurecht frisierten Statistik seine schützende Hand über diese verbrecherische Praxis gehalten? Es sieht jedenfalls ganz danach aus.

Das war indessen nicht das Ende meiner Mühen. Natürlich wandte ich mich an das Büro von Gesundheitsstadträtin Wehsely, wo die Reaktion bestenfalls als höhnisch zu bezeichnen war. Und an die Volksanwaltschaft, zuständig dort abermals ein Sozialdemokrat, Herr Kostelka.

Bei der Volksanwaltschaft zeigte man sich sehr verständnisvoll, wollte abermals alle Unterlagen und versprach sich in der Causa an AKH und Gesundheitsministerium zu wenden. Etwa alle drei Wochen fragte ich nach, ob es denn schon Neuigkeiten gäbe. Das ging etwa ein halbes Jahr so dahin. Es war immer die selbe Auskunft: man habe der Volksanwaltschaft noch nicht geantwortet. Und ja, man könne halt nichts machen, wenn nicht geantwortet würde..

Mir ging indessen der gute Glauben aus, und fragte wo man denn konkret angefragt hätte, ich wolle da nachbohren. Eine solche Auskunft wurde mir freilich verweigert. Auch war die Anfrage ans AKH offenbar schon unter den Tisch gefallen. Jedenfalls verlangte ich etwas Konkretes.

Eine Woche später etwa schrieb ich das Gesundheitsministerium an, und behauptete es gäbe eine (etwa 5 Monate alte) Anfrage durch den VA, mit einem von mir frei erfundenem Datum. Das Ministerium antwortete prompt, und stellte empört fest, dass diese Anfrage eben erst eingegangen sei. Kurzum, die Volksanwaltschaft hat mich also ebenso über Monate hinweg belogen und hingehalten. Womit sich auch jede Hoffnung auf Hilfe erübrigt hatte.

Als ich mich etwas später zu "Dr. Hanf", Kurt Blaas, als Patient begab, meinte dieser ob der ganzen Sauerei, ich solle mich an Herrn Kostelka persönlich wenden. Er sei ein guter Freund von ihm, und er könne sich nicht vorstellen, dass dieser so etwas mittragen würde.

Also tat ich wie mir empfohlen und bekam eine einstündige Audienz. Leider weiß ich wenig Positives über dieses minder konstruktive Gespräch (zumindest seitens Kostelkas) zu berichten. Am besten fasst es wohl jene Botschaft zusammen, die mich Kostelka bat seinem Freund Herrn Blass auszurichten. Er solle sich nicht in die Gesundheitspolitik einmischen, und "Schuster bleib bei deinen Leisten".

Schließlich, bereits nach der Überwindung der kritischten Phase meiner Erkrankung, gab es in Wien eine neue Patientenanwältin. Frau Pilz war ja zuvor schon als Kritikerin der Wiener Psychiatrie aufgetreten, und ich hatte sie auch schon früher kontaktiert. Würde sie sich nun dieser skandalösen Zustände annehmen? Nein, natürlich nicht. Ich möge mich da doch nicht so reinsteigern, es gäbe ja gar kein Problem, und die Patientenanwaltschaft sei für Diagnosen ja sowieso nicht zuständig.

Wahrscheinlich hat sie da sogar Recht. Nur weil ein paar Menschen hops gehen und Existenzen zerstört werden, insbesondere die eigene, möge man sich daran nicht weiter stören. Wichtig ist das Wohlergehen unser sozialen, solidarischen Genossen.

PS. Ich habe diesen Artikel schon einmal gepostet, als Kommentar, nicht als Artikel. Tatsächlich war es der absolut erste Beitrag den ich hier auf FuF gepostet habe. Ich wollte das Thema auf jeden Fall bringen, und hatte beabsichtigt die Sache noch deutlich ausführlicher darzustellen, insbesondere weil wir hier ständig mit vermeintlichen "Problemen" konfrontiert werden, die alle nur einem politischen Zweck dienen. Darüber hinaus ist das natürlich keine theoretische Abhandlung, sondern ein Supergau der mich so persönlich (be)trifft wie es nur denkbar ist. Ich musste den Beitrag jedenfalls erst sehr mühsam suchen, was an diversen technischen Verschlechterungen hier liegt.

Am Ende gefiel mit der Artikel aber so wie er war am meisten. Er steht für sich selbst, und braucht keinen aktuellen Bezug. Gerade weil ich ihn vor knapp zwei Jahren so verfasst habe, ohne auf all den Blödsinn hier auf FuF einzugehen, ist die Aussage um so stärker.

#MeToo sollte nicht dem korrupten politischen Opportunismus dienen, sondern der unverschämten Aussprache der Realität, gerade wenn sie einen selbst peinlich betrifft.

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