Das Demokratiedefizit der Europäischen Union (EU) rückte in den vergangenen Jahren in den Hintergrund. Der Grund dafür ist nicht etwa, dass sich das Problem erledigt hätte und die demokratische Legitimation der EU-Eliten hergestellt worden sei. Nein, vielmehr ist das Brüsseler Utopia-Projekt damit beschäftigt, ein Problem nach dem anderen zu verursachen und zu lösen – zumindest zu versuchen.

Mit Demokratie nehmen es die Damen und Herren in Brüssel ohnehin nicht so wichtig. In dieser Woche kritisierte EU-Ratspräsident Jean Asselborn die nationalkonservative polnische Regierung scharf: „Eigentlich müsste Polen mit seiner Geschichte dafür stehen, alle undemokratischen Tendenzen abzulehnen“, mahnte Asselborn im „Spiegel“. „Aber offensichtlich nimmt sich die neue Regierung ein Vorbild am ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán“, so Asselborn weiter. Nun ist sowohl die erst vor kurzem neu gewählte polnische Regierung als auch Orbán vom Volk gewählt. Dass Asselborns Genossinnen und Genossen im Europäischen Rat oder in der Kommission in ihrer Funktion in der EU nicht vom Volk gewählt wurden, stört den Ratspräsidenten offenbar nicht.

Seit 2010 werden Milliarden EU-Gelder nach Hellas gepumpt, das selbstverständlich nie bei den Bürgern ankam und ankommt. Je nach Tag und Quelle ist von 230 bis 320 Milliarden Euro Schulden zu lesen. Trotz der Hilfen. Allein Deutschland hat rund 80 Milliarden nach Athen überwiesen. „‘Das Geld ist weg‘, sagen die einen; nein, es sei nur "langfristig" angelegt und bringe sogar Zinsen, meinen die anderen“, schreibt Henryk M. Broder dazu. Was zutrifft, werden wir wohl in nächster Zeit nicht erfahren dürfen.

Denn obwohl die Euro- und Griechenlandkrise von immenser Bedeutung für das Projekt EU ist und diese vor Jahren schon als Zerreißprobe für die EU betitelt wurde, droht spätestens seit dem 10. September dieses Jahres („keine Obergrenze“, Angela Merkel) ein neues Thema die Friede-Freude-Eierkuchen-Blase platzen zu lassen. Die Asylkrise lässt die Mitgliedsstaaten auf schmerzliche Weise erfahren, dass das „Friedensprojekt EU“ gescheitert ist. In Griechenland und Italien sieht man in der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel die Nachfolgerin Adolf Hitlers. Unliebsame Regierungen in den osteuropäischen Staaten werden regelmäßig getadelt, was bei der Bevölkerung dazu führt, dass die Großmächte der EU wie Deutschland und Frankreich als Aggressoren wahrgenommen werden und schließlich sind die EU-Mitgliedsländer nun endgültig gespalten in jene Länder, die die vorwiegend muslimisch geprägten Asylbewerber ohne Einschränkung und Obergrenze willkommen heißen und diejenigen, die mit einer durch ihre jüngste Vergangenheit geschulten Skepsis auf die Migrationsströme blicken.

Dieser Riss quer durch Europa führte am Donnerstag sogar soweit, dass Österreichs Bundeskanzler Faymann, der in Sachen Asylkrise das ganze Jahr über sein Maul nicht aufbrachte und in der öffentlichen Wahrnehmung völlig unterging, Staaten, die sich weigern, Asylbewerber aufzunehmen, mit finanziellen Sanktionen gedroht hat. „Wer unter dem Strich mehr Geld aus dem EU-Haushalt erhält, als er einzahlt, sollte sich bei einer fairen Verteilung der Flüchtlinge nicht einfach wegducken“, sagte der SPÖ-Politiker der Tageszeitung „Welt“. Wer sich weigert, „stellt die gesamte Finanzierung des EU-Haushalts in Frage und macht es den Nettozahlern wie Österreich künftig sehr schwer, weiterhin so viel Geld einzuzahlen“, so Faymann weiter.

Blickt man auf seine Untätigkeit während der Asylkrise kann eine Drohung wie diese nur als völlige Bankrotterklärung wahrgenommen werden. Ganz nach dem Motto: Ich schaffe es nicht, mit dem Problem umzugehen, also bürde ich es anderen Staaten auf. Ein wichtiges Lösungsmittel sei laut Faymann die Türkei. Wenn diese ihre Grenzen gut bewache und kaum mehr Asylbewerber über die Türkei in die EU kämen, sollten die „Europäer bereit sein, etwa 40.000 bis 50.000 Menschen im Rahmen einer engen Zusammenarbeit mit dem UNHCR auf legalem Weg in die EU zu holen“, schlägt der Bundeskanzler vor. Er forderte alle EU-Staaten auf, Asylsuchende freiwillige und direkt aus der Türkei zu holen. Wir werden sehen, ob Faymann das mit Nichtstun oder mit der Androhung von Geldentzug durchsetzen wird.

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