Beschluss “Sektorales Bettelverbot” für Salzburg Stadt – Offener Brief

Dieser offene Brief von mir zum drohenden Beschluss des sektoralen Bettelverbotes für Salzburg Stadt ging heute, Montag 18.05.2015 via Email an alle GemeinderätInnen des SPÖ-Klubs im Gemeinderat der Stadt Salzburg persönlich und an Bürgermeister, Vizebürgermeisterin u. den SPö-Klub:

Werter Herr Bürgermeister Dr. Schaden,

Werte Gemeinderätinnen u. Gemeinderäte des SPÖ-Klubs,

Werte Genossinnen u. Genossen,

fassungslos und entsetzt muss ich endgültig zur Kenntnis nehmen, dass sie bzw. ihre Fraktion geschlossen planen, Mittwoch einem sektoralen Bettelverbot, für weite Teile vor allem der Altstadt von Salzburg, im Gemeinderat der Stadt Salzburg zuzustimmen, in der Form wie es gerade den Stadtsenat passiert hat.

Mit der Situation der Notreisenden u. BettlerInnen in der Stadt Salzburg habe ich mich seit einiger Zeit aktiv und von mehreren Seiten auseinandersetzt: durch ehrenamtlichen Dienst in der Notschlafstelle für Notreisende, in vielen Gesprächen mit Notreisenden selbst, mit engagierten StreetworkerInnen, AktivistInnen und NGO-VertreterInnen wie etwa der Caritas, des Malteser Hilfsdienstes. Durch Medienberichte über das Herkunftsland der meisten Notreisenden, Rumänien, durch Vergleich mit Situation und Lösungen in anderen österreichischen Städten.

Das recht auf stilles, friedliches Betteln im öffentlichen Raum ist ein absolutes Grundrecht und oft letzter Ausweg in absoluter Notsituation. Bevor sie am Mittwoch endgültig mit dem Bettelverbot für alle sichtbar in der Menschenrechts-Stadt (sic!) Salzburg sektoral Menschen- und Grundrechte ausser Kraft setzen, hören sie bitte meine fünf kurzen Argumente an, warum sie Mittwoch GEGEN ein Bettelverbot stimmen sollten:

1. Eine Menschenrechtsstadt darf Not niemals ausblenden u. Arme bekämpfen

Durch das Verschwinden der still Bettelnden zu den Geschäftszeiten der Altstadt werden scheinbar oft verstörende Not und Armut aus unserem Blick verbannt. Als Kommune und Gesellschaft müssen wir uns aber auch den Schattenseiten unserer Stadt stellen. Wer durch sektorale Verbote Menschen aussperrt bekämpft offen Betroffene, nicht den Missstand Armut selbst. Ist dieses Tabu einmal gebrochen werden diesem Teufelskreis wohl weitere Randgruppen als Opfer folgen: SandlerInnen, Arme, Alte, Behinderte, AusländerInnen, Alternative, usw. die klar den Scharfmachern auch beim aktuellen Thema nicht zu Gesicht stehen.

Der Titel und die Standards als Menschenrechtsstadt verpflichten und bringen hohe Verantwortung. Wollen sie wirklich riskieren, ihn mit Füssen zu treten?

2. Sektorale Bettelverbote sind verfassungswidrig

Der öffentliche Raum in der Stadt Salzburg muss allen Menschen Raum und Möglichkeit sich öffentlich mitzuteilen geben, auch Möglichkeit geben, auf ihre extremen Notsituationen aufmerksam zu machen. Nach meiner Meinung zu recht hat daher der VfGH das erste Bettelverbot als verfassungswidrig in diesem Punkt aufgehoben.

Wollen sie ein 2. Mal vom Verfassungsgerichtshof als Mitbeschliesser von verfassungswidrigen Beschlüssen in Salzburg am Pranger stehen?

3. Ein sektorales Bettelverbot gefährdet bereits eingeleitete Lösungen

Gerade sektorale Verbote mit oft unklaren Grenzen und Regeln kriminalisieren Bettelnde mMn weiter. Damit wird das Klima weiter radikalisiert und Übergriffen Tür und Tor geöffnet im Vollzug, anstatt wie erhofft entspannend zu wirken. Es werden auch klar gute, sachliche, deeskalierende Lösungen wie Information, Abbau von Vorurteilen und Ängsten, wie von Vizebürgermeisterin Hagenauer bereits eingeleitete, ad absurdum geführt. Gewonnenes Vertrauen und erste Schritte werden zunichtegemacht.

Statt hasserfüllt hetzende Scharfmacher unter Fraktionen und Medien zu Sachlichkeit und Deeskalation, also in Schranken zu zwingen werden sie durch ein JA zum Bettelverbot bestätigt und zu weiteren Aktionen ermutigt.

4. Auch ohne sektorales Bettelverbot hat Exekutive genug Instrumente

Bereits jetzt ist agressives Betteln, Betteln mit Kindern, Betteln unter Vortäuschung von Behinderungen usw. klar verboten und wird von der Exekutive auch bekämpft. Durch detaillierte Informationen an Bettelnde werden diese Regeln auch immer mehr eingehalten und akzeptiert. Sektorale Verbote dagegen beschränken nicht ein mögliches Zuviel an Bettelnden, sie bringen extremen Totalstopp.

Werden bereits eingeleitete Maßnahmen durchs Bettelverbot torpediert und vernünftigere Modelle für Begrenzung unmöglich liegt das an ihrer Zustimmung zu dieser Regelung.

5. Sektorales Bettelverbot ist reine Symptombekämpfung und wirkungslos

Erfahrungen aus anderen Städten beweisen, dass sektorale Verbote wenig bis nichts bringen. Notreisende weichen aus, finden neue Wege um um Almosen und Hilfen zu bitten. Armut und Not werden durch Verbote niemals ausgeblendet werden können oder gar verschwinden.

Durch diese einschneidende sich abzeichnende Verbotskultur entsteht ein Klima der Ausgrenzung und Angst in Salzburg, wollen sie diese Entwicklung und damit Verschlechterung für uns alle verantworten?

Für alle GemeindevertreterInnen gilt das freie Mandat, sie sind durch ihr Gelöbnis einzig dem Wohl der Stadt Salzburg, nicht aber einer Fraktion oder dem Fraktionszwang verpflichtet. Die Entscheidung über das Bettelverbot ist mMn. eine Grundsatz- und Gewissensfrage, wo sie frei vom Klubzwang persönlich entscheiden sollten und dürfen.

Letztlich sind GemeindevertreterInnen BürgerInnen wie mir stärker verpflichtet als der Fraktion, ich hoffe meine klare Position und Argumente GEGEN dieses sektorale Bettelverbot sind da Hilfe in ihrer Entscheidung.

Mit freundlichen Grüßen

Freundschaft

Mag. Martin Borger, Anif und Schruns

SPÖ-Ortspartei Anif, aktuelle SPÖ Salzburg Zukunftsakademie

SPÖ Gemeindevertreter in Schruns, Vorarlberg

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