ÖBB gegen Yüksel Yilmaz: Rassismus-Aufdecker wird systematisch zerstört

Als langjähriger Bahnreisender auf der Westbahn-Strecke habe ich einiges erlebt an Begegnungen mit Zugbegleitern u -innen und bin eigentlich dabei nie offenem Rassismus oder Sexismus gegen KundInnen oder Andere begegnet.

Rassismus- und Sexismus-Vorwürfe gegen ÖBB-Mitarbeiter

Was der Ex-Zugbegleiter Yüksel Yilmaz aus Idealismus und weil ihm das Unternehmen am Herzen lag aber an deutlichem Rassismus, Sexismus und rechtem, teils rechtsextremem Gedankengut und Aktionen Vorgesetzten bis hin zu Vorständen der ÖBB Personenverkehr und zuletzt der Politik meldete und berichtete spielte sich auch nicht nur gegen Kunden und offen ab.

Dass die Orte der Vorfälle und Missstände auch in internen Bereichen und Räumen der ÖBB lagen, wendet sich nun eher gegen ihn, denn die ÖBB kann so Mißstände zumindest dort kleinreden, beschönigen und verschleiern.

Mit dem Wissen um diese schockierenden, für mich unfassbaren Vorfälle die mir in Yüksels von sehr Vielen geteilten und sehr präzisen und sachlichen Postings entgegensprangen, entschloss ich mich, der Sache konkret nachzugehen und ihn so gut es geht zu unterstützen.

Was er mir aber in einem mehrstündigen, sehr intensiven, sachlichen und wertvollen Gespräch über seinen Kampf für das Abstellen dieser Mißstände erzählte, verschlug mir endgültig den Atem.

Nur Wochen nach Bekanntwerden seiner Vorwürfe in der Öffentlichkeit wurde Yüksel, der türkische Wurzeln hat und in Österreich geboren und aufgewachsen ist, zunächst dienstfrei gestellt und einige Wochen danach ohne Angabe von Gründen fristlos entlassen.

Harter Weg zum Arbeitsgericht nach Entlassung

Bei seinem Ansinnen, diese für ihn willkürliche Entlassung zu bekämpfen hätte man erwartet, daß er starke Hilfe und Unterstützung zumindest vom Betriebsrat und der Gewerkschaft “vida” bekommt, eventuell auch von Antirassismus-Stellen wie “Zara”. Doch dem war nicht so, er wurde überall vertröstet und weiterverwiesen. Zynische Standard-Aussage war seiner Angabe nach “Jetzt können wir nichts tun für dich, aber wenn du erst den Prozess gewonnen hast…”. Etablierte Zeitungen waren bis auf eine Ausnahme (Bericht im KURIER) nicht bereit, seine detaillierte, stichhaltige Darstellung genauer zu recherchieren und als Beitrag abzudrucken.

Ob es da eine Rolle spielte für diese Zurückhaltung, dass die ÖBB über ein riesiges Inseratenvolumen verfügen, das Zeitungen brauchen wie das täglich Brot? Ob es da eine Rolle spielte, dass Unternehmensführung, Gewerkschaft “vida” und das übergeordnete – die ÖBB ist formal ausgelagert – Infrastruktur-Ministerium alle fest in Roter (SPÖ-)Hand sind? Ein Schelm wer da klare Zusammenhänge vermutet.

Jedenfalls eine “tröstende” Aussicht, fast völlig alleine – nur unterstützt von einem Pflichtverteidiger – gegen den übermächtigen Gegner ÖBB kämpfen zu müssen, aber dann im Sieg von allen zitiert und vereinnahmt zu werden.

Obwohl er durch die Kündigung auch die eigene Wohnung verloren hatte und es ihm natürlich schwerfiel in seinem Bereich – sein Traum ist weiter, wieder als Zugbegleiter zu arbeiten – einen Job zu finden, entschloss sich Yilmaz, den Kampf doch weiterzuführen und seine Kündigung vor dem Arbeitsgericht zu bekämpfen.

Durch das Verfahren war die ÖBB zwar letztlich doch gezwungen, einen Kündigungsgrund zu nennen, der verschlug aber auch mir den Atem ob der Kaltblütigkeit der Wortwahl in der Darstellung des zur Kündigung führenden Sachverhaltes: Yüksel Yilmaz sei entlassen worden weil er ein “.. schwieriger Charakter … und besessen gewesen … Vorgesetze und Kollegen grundlos zu melden…” sei. Weiters “Er ist der Täter und nicht das Opfer, als das er sich darzustellen versucht.” wird in einem vorbereitenden Schriftsatz von den Anwälten der “ÖBB Shared Services Center GmbH”, die den Fall für den Konzern ausficht, skandiert.

Diese Begründung in der Stellungnahme der ÖBB-Anwälte, die Yüksel Yilmaz wie auch weitere gut organisierte Beweisstücke mir vorlegte, wurde fast noch übertroffen durch eine Reihe weiterer Vorwürfe und Angriffe, mitsamt zugehörigen ZeugInnen.

Systematisch wurde im vorbereitenden Schriftsatz vom August 2013 Vorfall für Vorfall dem Aufdecker und Whistleblower genau das unterstellt, was er aufgezeigt hatte: Sexismus gegen eine Kollegin, Verletzung von Dienstpflichten, Nationalismus aus seiner Herkunft aus der Türkei heraus, Vernaderung und Mobbing von KollegInnen durch grundlose Meldungen.

Das Problem all dieser Vorwürfe: sie stimmen nicht, sind wohl konstruiert, imExtremfall mitunter fingiert, bestehen aus Handlungen und Fakten die aus dem Zusammenhang gerissen sind. Beweise sind nach Aussage von Yilmaz nachträglich getürkt worden.

Geduldig und mit hoher Detailtreue konnte Yüksel daher die gegen ihn erhobenen, konstruierten Fälle, Vorwürfe und ZeugInnen entkräften und für mich nachvollziehbar widerlegen:

  • Lupenrein saubere Personalakte Yüksel Yilmaz

Kurz vor seiner Dienstfreistellung war es Yüksel Yilmaz noch möglich, im Intranet der ÖBB bzw dem betriebseigenen SAP die für ihn einsehbaren Teile seiner Personalakte zu sichern, und die ist absolut frei von irgendwelchen Verfehlungen, daraus resultierenden Abmahnungen, Mitarbeitergesprächen, gar Suspendierungen. Das interne Meldesystem der ÖBB hätte fast zwangsweise zu Einträgen in dieser Akte führen müssen, die ÖBB-Anwälte arbeiten massiv mit solchen Meldungen, die aber immer nur handschriftlich vorliegen.

Frage: “Wenn Meldungen von Vorfällen gegen Yüksel Jahre zurück existieren, wurden sie im elektronischen System wie alle anderen erfasst? Wenn nein, liegt dann nicht Vermutung nahe dass sie nachträglich handschriftlich angefertigt wurden?

  • Behauptete “Arbeitsverweigerung”

Am 24. Dezember 2012 soll Yilmaz mit der Begründung “Es ist Weihnachten” den Dienst in einem Railjet von Hegyeshalom nach Wien Westbahnhof als “Zugbegleiter ohne betriebliche Aufgaben” verweigert haben. Das wäre für einen Katholiken und Protestanten ja fast vertretbar dass der Dienst etwas lockerer abgeht am Weihnachtstag, Problem nur: Yüksel Yilmaz gehört diesen Religionen nicht an, sein Argument wäre also niemals stichhaltig und sinnvoll gewesen.

  • Angebliche “Vorschriftswidrige Verwendung des MFT-Gerätes”

Die Abrechnung der KundInnen durch die Zugbegleiter erfolgt über sogenannte MFT-Geräte, die erwiesenermassen fehlerhaft sind und regelmässig abstürzen und in der Folge vom Bediener – dem Zugbegleiter – neu gestartet werden müssen, durch den Neustart wird quasi eine neue Abrechnungsperiode begonnen.

Auch Yilmaz mußte in seinem Dienst das Gerät wiederholt neu starten, daraus wurde gegen ihn der Vorwurf konstruiert, er habe vorzeitig den Dienst beendet (!).

Dass nur eine neue Abrechnungsperiode begonnen wurde, wurde bewußt verschwiegen, um ihm eine Dienstverfehlung unterzuschieben. Auch diese angebliche “äußerst mangelhafte Dienstleistung” ist nicht in seiner Personalakte vermerkt, wen wunderts.

  • Behauptete “Arbeitsverweigerung und geschlechtsbezogene Diskriminierung”

Im Schriftsatz der ÖBB-Anwälte wird unterstellt, Yüksel Yilmaz habe bei einer Dienstfahrt auf einer Zuggarnitur des zweiteilig geführten Railjet-Typs einer ihm vorgesetzten Zugbegleiterin klargemacht, “… dass er nicht willens war, sich von einer Frau Weisungen erteilen zu lassen…”.

Das Problem dieser Unterstellung ist glasklar belegbar: Yilmaz konnte diese Aussage ihr gegenüber gar nicht getätigt haben, denn er war tatsächlich an diesem Tag im anderen Teil des Railjet 260/660 – von dem aus der Zugteil der fraglichen Zugbegleiterin gar nicht erreichbar ist – eingeteilt.

  • Angebliche “Diskriminierende Äußerungen und Belästigung gegen Kollegin”

Diese für den offensichtlichen Versuch der ÖBB-Anwälte den Aufdecker Yüksel Yilmaz unglaubwürdig zu machen sicher zentrale Beschuldigung ist schlicht und einfach konstruirt, die Aussagen der Zeugin in denen sie seine Äußerungen zitiert, werden von Yilmaz klar bestritten. Es steht also Aussage gegen Aussage.

Auch hier gibt es zahlreiche Widersprüche, die belegen könnten, dass die unfassbaren Vorwürfe konstruirt, fingiert und die Zeugin manipuliert wurde: Die Gespräche mit der Kolegin sollen in einem Zeitraum stattgefunden haben, in dem Yilmaz bereits gekündigt (!) war, tatsächlich aber gab es in dieser Zeit nur zwei Gespräche mit dem Ziel, die Zeugin zu den gemeldeten Schmierereien zu befragen.

Schon am ersten Verhandlungstag des Verfahrens, dem 26.09.2014 verstrickten sich laut Protokoll die ZeugInnen in Widersprüche, zogen teilweise ihre Anschuldigungen zurück und bestätigten die Sicht und Fakten von Yüksel Yilmaz, etwa in Bezug auf die Unmöglichkeit, diskriminierende Aussagen zu machen, wenn die Zeugin gar nicht im selben Zugteil mitfährt.

Insgesamt entlarvt die Argumentationslinie der Anwälte so sie denn stimmen würde die Zustände in den ÖBB in extrem deutlicher Weise: Konnte doch Yüksel Yilmaz angeblich ÜBER JAHRE (!) ohne Entlassung seine ihm nun vorgeworfenen Verfehlungen und Taten begehen, ohne jegliche negative Konsequenzen bis zur Entlassung. Wie in Kleists “Der zerbrochene Krug” liefern so die ÖBB-Anwälte durch ihre Argumentation die besten Beweise für die Schuld ihres Mandanten ÖBB: jahrelange Toleranz gegen Sexismus, Diskriminierung und Dienstverfehlungen.

Schlussfolgerung: Zerstörender Umgang mit Aufdecker in ÖBB und gelähmtes Compliance System

Die ÖBB rühmt sich, einen “Compliance Manager” und “-system” zu haben, dieses scheint aber nur auf dem Papier zu bestehen. Weder kommt irgendein Kontakt mit dieser Stelle bei den konkreten von Yüksel Yilmaz gemeldeten Vorfällen selbst vor, noch in der Phase, als die Vorwürfe bereits in den Medien waren. Das Vorhandensein eines Compliance Managers ist auch im Unternehmen selbst bei den MitarbeiterInnen vor Ort scheinbar wenig bekannt.

Das Meldewesen scheint in einem katastrophalen Zustand zu sein, wenn es aus handgeschriebenen Zetteln, die gegen nachträgliche Manipulation nicht gefeit sind, zu bestehen scheint. Tatsächlich werden diese Meldungen angeblich in ein IT-System übergtragen, fragt sich ob sie dort auffindbar sind.

Das erklärte Ziel der ÖBB aber in diesem an sich arbeitsrechtlichen Verfahren gegen die Entlassung von Yüksel Yilmaz ist wohl klar erkennbar: durch dieses Stakkato an Vorwürfen eine völlige Diskreditierung des Aufdeckers und Whistleblowers Yilmaz bezüglich seinen Vorwürfen zu erreichen.

Dabei nimmt der Konzern nicht nur die ökonomische – Yilmaz ist arbeitslos und muss aktuell ein unbeheiztes Kellerabteil bewohnen – sondern auch offensichtlich die psychische Zerstörung eines engagierten Mitarbeiters und Aufdeckers in Kauf. Welch Belastung ein jahrelanger Rechtsstreit, in dem mit den oben aufgezeigten untergriffigen Vorwürfen und Anschuldigungen die genau diametral seiner Aufdeckungsarbeit gegen ihn selbst gerichtet werden, gearbeitet wird für den Betroffenen ist, ist unschwer zu erkennen.

Dabei wirkt der Ausgang dieses ungleichen Konfliktes weit über das Schicksal von Yilmaz selbst hinaus auf die Unternehmenskultur der ÖBB zurück. Wenn zukünftig allen engagierten, an korrekten Abläufen interessierten MitarbeiterInnen klar sein muss, dass der Konzern sie schon bei der kleinsten Meldung und Kritik mühelos wie Yilmaz durch mitunter fast fingierte, manipulierte Vorwürfe zerstören kann und wird – Wer wird es noch wagen, irgendeinen Mißstand aufzuzeigen?!

Dabei geht es in einem Verkehrsbetrieb wie den ÖBB nicht “nur” um kritische aber abstrakte Dinge wie Rassismus und Sexismus.

Was wenn reale, gravierende Sicherheitsmängel verdeckt weiterbestehen, auch hier kein Feedback kommt. Zugbegleiter sind weit mehr als nett Tickets kontrollierende ÖBB-Mitarbeiter in korrekt und streng wirkenden Uniformen. Sie haben vielfältige Aufgaben, auch im Sicherheitsbereich und bei der Abfertigung von Zügen.

Letztlich zeichnet das Verfahren eine fatale Machtkonzentration durch die Marktmacht der ÖBB als Anzeigenkunde der Medien, bei Gewerkschaften und bis hinein ins Infrastuktur-Ministerium auf, die wirklich extrem gefährliche Ausmasse annimmt. Wenn Medien aus Angst um Anzeigen-Budgets nicht berichten, erfüllen auch sie ihre Aufgaben als “vierte Macht” nicht mehr, versagt jede Kontrolle.

Der nächste Verhandlungstag im Verfahren ist schon der kommende Freitag, 12. Dezember 2014, ich werde garantiert versuchen, in meinem Blog weiter detailliert darüber zu berichten.

Als Einer, der in seinem Kampf gegen rechtsextreme Umtriebe und unfassbare Hetze auf Facebook klar ebenfalls als Anzeiger und Aufdecker sich engagierte werde ich es niemals hinnehmen und dabei zusehen, wie Yüksel Yilmaz – einer wie ich – für sein Engagement wirtschaftlich und sogar psychisch von einem übermächtigen, zu allem bereit scheinden Konzern zerstört wird.

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