Die Politik vermittelt heute den Eindruck, alle sogenannten sozialen Aufgaben sind durch sozialstaatliche Institutionen bewältigbar: Wohlfahrt, Armen- und Krankenversorgung und die Pensionen sind die Bereiche, die der Staat bzw. die Sozialversicherungen übernommen haben. Wo früher Almosen und persönliche und/oder familiäre Hilfe waren, da walten heute anonyme Apparate und Strukturen, über die das Materielle und die pekuniären Zuwendungen für jene abgewickelt werden, die ihrer bedürftig sind oder die zumindest so erscheinen.

Quer durch alle Parteien sind die jeweils mit der Verwaltung des Sozialstaates betrauten politisch Aktiven mehr oder weniger stolz auf diese Apparate. Naturgemäß ist der Stolz bei den linksideologisch geprägten Verantwortlichen deutlich größer als bei den Leuten, die eine bürgerliche und wirtschaftsliberale Weltanschauung ihr eigen nennen. Linke sehen im Staat seit jeher die Rettung der Menschen. Für sie liegen die Erlösung des Einzelnen und die Stillung all seiner Bedüfnisse in der Verantwortlichkeit des Kollektivs.

Die bürgerlich Orientierten hingegen schauen genauer hin und sehen das Individuum als zentralen Akteur und Verantwortlichen des Sozialen. Bürgerliche sind der Ansicht, dass die sozialstaatlichen Strukturen so klein wie nur irgendwie möglich und so groß wie nur unbedingt notwendig gehalten werden müssen. Freilich gibt es frei nach Hayek aber "Sozialisten in allen Parteien" - und die wollen den Sozialstaat ständig aufblähen. Deswegen ist bei kritischer und klarer bürgerlich-liberaler Betrachtung der Sozialstaat immer zu groß, zu überbordend und zu generös.

Das Grundproblem eines jeden anonymen, für das Soziale konzipierten Apparates besteht darin, dass ein Apparat an sich gar nicht sozial sein kann: Sozial im Wortsinne bedeutet ja, hilfsbereit, empathisch, altruistisch und interessiert am Wohle der anderen zu sein. Das kann ein lebloser und bürokratischer Apparat nicht, denn diese Eigenschaften können nur lebendige Menschen haben. Realiter benützen wir daher immer Euphemismen, wenn wir vom "Sozial"-Staat und den sozialen Strukturen sprechen.

Der Beweis für den Euphemismus ist schnell erbracht: Wenn wir uns einmal bemühen, den apparativen Charakter der Sozialsysteme ehrlich zu benennen, werden seine Ingenieure und Apologeten bezeichnenderweise sofort wütend. Wir haben das soeben erlebt, als in der Pensionsdebatte der "Pensionsautomatismus" diskutiert wurde: Aus sachlicher Sicht ist so eine Automatik völlig gerechtfertigt, da sie der technischen Konstruktion entspricht und in der Logik des Versorgungs-Automaten auch sinnvoll ist. Aus sozialistischer Sicht ist das natürlich nicht der Fall, weil die Sozialisten immer so tun (müssen), als wären die Sozialsysteme warmherzige und kuschelige humanitäre Wesen, die mit Automatik nichts zu tun haben. Man will doch nicht von einem Computer errechnen lassen, wie hoch gerade die Pension ist, sagte dazu sinngemäß der sozialdemokratische Bundeskanzler.

Aus dem strukturellen Grundproblem des Sozialstaates entstehen auch all seine weiteren Mankos: Ein staatlicher Apparat kann nicht zielgenau und empathisch bedürftigen Menschen helfen, denn er muss immer abstrakte Funktionen erfüllen. Ergo dessen wird über jede sozialstaatliche Struktur zwar fraglos etwas Gutes getan werden können, aber dieses Gute kann nie ohne gleichzeitige systemimmanente Unsinnigkeiten geschehen. Daher wollen die Verfechter des Sozialstaates in einem ungeheuren Trugschluss denselben immer mehr ausbauen und ausdifferenzieren, weil sie von der irrigen Annahme ausgehen, "more of the same" könnte das Grundproblem lössem.

Das Gegenteil ist der Fall: Je mehr der Sozialstaat ausgebaut wird, desto anfälliger wird er für Fehlleistungen, desto verlockender wird er für Missbrauch und desto teurer wird er für die Leistungsträger. Am Ende produziert ein ständig wachsender Sozialstaat nur noch Frustrierte. Auf der einen Seite jene, die ihn immer intensiver finanzieren müssen und auf der anderen Seite jene, die durch seine Überpräsenz in einem permanenten Opfer- und Abhängigkeitsstatus gehalten, aber letztlich doch nie von ihm glücklich gemacht werden können, weil er ja keine menschlichen Eigenschaften hat und weil im materiellen Sinen genug nie genug ist. Das ist für beide Teile eine im Grunde entwürdigende Situation.

Daraus ergeben sich notwendige und ganz einfache Schlussfolgerungen: Wenn wir unsere Sicherungssysteme, die aktuell aus demografischen und migrationsbedingten Gründen massiv unter Druck geraten und die bereits hörbar unter dieser Last ächzen, wenn wir diese Systeme also behalten wollen, dann müssen wir die Strukturen und ihre Leistungsfähigkeit gerade in dieser ihrer Krise umso genauer hinterfragen und all ihre Auswüchse und Fehlleistungen ständig und überall bekämpfen. Ansonsten erodieren die Systeme so weit, dass sie nicht mehr zu retten sind.

Dazu müssen wir die essenziellen Tugenden, die ein allgemeines Versorgungswesen erst möglich machen, wieder in den Vordergrund stellen und sie auch von jedem einzelnen Menschen im Rahmen seiner Möglichkeiten einfordern. Diese wünschenswerten und notwendigen Eigenschaften heißen Leistungswillen und Mut zur Verantwortung. Dazu gehört auch, die bei uns weitverbreitete Opfer-Attitüde zu ächten und das Individuum als tatkräftiges Wesen zu sehen, das in seiner Personalität und seiner Stärke zunächst einmal für sich selbst sorgen kann und nur im Notfall den Staat als Hilfe braucht.

Erst aus dem persönlichen Leistungswillen können echte soziale Haltungen und Handlungen entstehen, denn ohne Leistung gibt es auch keine Sozialleistung. Die Linksideologen geben das aber nicht gerne zu, weil sie lieber "den Menschen draussen" die Opferrolle umhängen, die bösen Reichen (also die Leistungsträger) als Täter brandmarken und die Sozialsysteme ausbauen wollen.

Uns muss aber bewusst sein, dass primär nur die einzelnen Bürger und ihr jeweils engstes Umfeld sozial, hilfsbereit und empathisch sein können und nicht der Staat und seine Einrichtungen. Und wir müssen daher auch klar sehen, dass das Soziale immer beim Einzelnen, bei seiner Familie und seinem jeweiligen "Biotop" beginnt und dass das Soziale beim Staat nur enden kann - nicht umgekehrt. Das zu verbreiten ist die Aufgabe verantwortungsorientierter bürgerlicher Politik.

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