Nein, das ist jetzt kein Text über orthopädische Probleme. Im Folgenden geht es vielmehr um die Haltung im übertragenen Sinn. Der Begriff "Haltung" gilt heute vor allem als Synonym für eine kritische Einstellung gegenüber der türkisblauen Regierung. Besonders gerne wird dieses Synonym im hypermoralisch daherkommenden und durch eine tugendstolze Gesinnungsethik verbrämten politisch-korrekten medialen Diskurs verwendet.

Haltung wird belohnt

Der ORF-Anchorman Armin Wolf ist schon seit längerem ein bekennender und bekannter österreichischer Haltungs-Journalist. Dafür hat er nun endlich auch einen Preis bekommen: Der langjährige ZiB 2 - Moderator wurde am 21. Februar zum "Journalisten des Jahres" gekürt. Diese Ehrung wurde ihm aber nicht von einem öffentlichen Publikum oder gar von den ihn bezahlenden ORF-Kunden zugeteilt, sondern von seiner eigenen Gilde und Kollegenschaft (nämlich vom Branchen-Magazin "Der Journalist";).

Das nimmt der fast bombastisch veranstalteten und medial mehr als breitgetretenen Kür natürlich ein wenig den Glanz. Um diesen Wermutstropfen und die unvermeidliche Betulichkeit von selbstreferenziellen Ehrungen etwas auszugleichen, hat man für die bei solchen Anlässen übliche Laudatio extra einen bekannten deutschen Kollegen und mindestens ebenbürtigen Haltungs-Journalisten eingeflogen: Claus Kleber, der langjährige ZDF-Anchorman, kam, sah und lobte.

Die eigenen Schultern muss man klopfen

Herr Kleber hat in seiner Rede nach einer überraschend selbstironischen Intro unseren Herrn Wolf erwartungsgemäß mit positiver Kritik überschüttet und natürlich dessen "Haltung" akklamiert. Im Gegenzug wurde wiederum Herr Kleber für seine Eloge allseits hochgelobt und die braven Wolfschen Claqueure haben sich nach der Preisverleihung im Gratulationsrausch mit den gegenseitigen Komplimenten förmlich überschlagen. Die Social Media und die immer gern so genannten Qualitätsmedien strotzten vor beifälligen, ja teils sogar huldigenden Kollegen-Kommentaren.

Bitteschön, könnte man sagen, sollen sie sich doch gegenseitig schulterklopfend ehren und sich öffentlich liebhaben, unsere selbsternannten "kritischen Medienleute" - sonst tut es ja eh schon keiner mehr. Die durch Glaubwürdigkeitsprobleme arg gebeutelten Damen und Herren haben es ja auch nicht gerade leicht in den Zeiten von sagenhaften Geschichtenerfindern wie dem ehemals sehr preisgekrönten Claas Relotius, der angeblich ganze Titelstorys im "Spiegel" gefälscht hat. Auch medial hochaktive Polit-Literaten wie Robert Menasse, der publizistisch mit der Wahrheit umgeht wie ein unseriöser Gebrauchtwarenhändler mit dem Zustand seiner schnell angefärbelten Rostlauben, machen den Journalisten das Leben schwer. Da kann man als Medienmensch ein großes Event zur Image-Politur schon gut gebrauchen, sei es auch noch so selbstaffirmativ und selbstbezüglich wie diese fast schon inzestuös anmutende Preisverleihung in der Journalisten-Zunft.

Ein fleißiger Profi und eifriger Selbstdarsteller

Armin Wolf ist zweifellos ein Profi und er hat eine spezielle Form des Interviews zu seinem ganz persönlichen Stilmittel gemacht. Wolf entwickelte seine hybride und durchaus fragwürdige Rolle als verhörender Ankläger und gleichzeitig urteilender Richter fast bis zur Perfektion. Man hat zwar oft den Eindruck, es geht ihm bei diesen seinen TV-Verhören und Verdikten vor allem um ihn selbst und weniger um den Interviewten bzw. um das, was der Betreffende zu sagen hat, aber ein Teil des Publikums scheint es zu mögen, wenn der meistens gut gebriefte Wolf versucht, Politiker und Personen des öffentlichen Lebens am Nasenring vorzuführen oder mit Fangfragen möglichst dumm aussehen zu lassen. Sein Tun ist deswegen ja auch mehr ein Infotainment als eine Berichterstattung.

Herr Wolf ist aber auch außerhalb seiner ihn nährenden und schützenden Versorgungsanstalt ORF sehr fleißig. Er bloggt regelmäßig und er ist auf den Social Media immer sehr präsent. Auf Facebook und Twitter hat er eine brave, kritiklos treu ergebene und große Follower-Gemeinde versammelt, die seine narzisstischen Bedürfnisse befriedigen und seine moralisierenden Statements verbreiten darf und soll. Re-Tweets, Teilen von Beiträgen, Likes und Herzchen sind ihm immer sehr willkommen.

Widerspruch? Raus!

Hypermoralismus und ideologische Voreingenommenheit sind dogmatische Eigenschaften, da hat man diskursiv keinen Spielraum und argumentativ schon gar nicht. Ein echter Haltungs-Journalist duldet auch keinen Widerspruch - weder weltanschaulich noch sachlich-objektiv. Wer den Armin Wolf auf den SM nicht ausreichend hofiert oder ihm dort gar widerspricht, der fliegt oder wird geblockt (so wie übrigens der Autor dieser Zeilen) - was Wolf aber nicht daran hindert, hinten herum immer wieder über die geblockten und von ihm mit Bannfluch belegten Leute kräftig zu ätzen. Ob das eine löbliche Charaktereigenschaft ist, sei der Beurteilung des Lesers überlassen.

Von der Haltung zum Schaden

Jedenfalls wird genau da die vielzitierte "Haltung" zum Problem, wenn nicht sogar zum Haltungsschaden. Wenn jemand seine Bekanntheit, die er einer öffentlich-rechtlichen und über Zwangsgebühren finanzierten Rundfunkanstalt verdankt, für persönliche Zwecke ausnützt, um eigene politische Einstellungen und ideologisch-hypermoralische Sichtweisen zu transportieren, muss die Frage nach der Legitimität seines Handelns gestellt werden. Vor allem dann, wenn dieser Jemand auf den Social Media persönliche Attacken gegen politisch aktive Personen, Parteien oder Prominente reitet und dort versucht, Stimmung zu machen oder seine Follower gegen andere zu beeinflussen.

Herr Wolf ist kein Politiker und kein demokratisch gewählter Volksvertreter, er ist Journalist eines gesetzlich zur Objektivität verpflichteten öffentlich-rechtlichen Senders. Er hat beim ORF einen klaren Auftrag, aber er besitzt definitiv kein politisches Mandat. Und natürlich wird er auf den Social Media auch und vor allem als ORF-Mitarbeiter wahrgenommen. Da nützt es nichts, wenn er noch so oft betont, dort nur seine persönliche Meinung zu äußern. Seine Tweets und Postings werden jedenfalls umso mehr zum Problem, je weniger sie auf objektiven Fakten aufbauen oder diese sogar zugunsten ideologischer Äußerungen vermissen lassen. Letztlich kollidiert dann der SM-Auftritt mit den Interessen des institutionellen Mediums ORF.

Das alles ist natürlich dem Generaldirektor des ORF, Alexander Wrabetz, bestens bekannt und bewusst. Er hat deswegen schon voriges Jahr (nicht zuletzt auch wegen der wiederkehrenden Kritik an Armin Wolf) angekündigt, neue Social Media Leitlinien für die ORF-Mitarbeiter zu erlassen. Diese sollten laut GD Wrabetz bis Ende des Jahres 2018 fertiggestellt sein. Bis dato scheint es diese Anweisung aber noch nicht zu geben: Wenn man danach googelt, findet man nur die Leitlinien aus dem Jahr 2012. Freilich, es ist nicht leicht, solche Leitlinien neu zu formulieren, denn die persönlichen Freiheiten bzw. die Meinungsfreiheit von Journalisten sind ein hohes und wichtiges Gut. Wir dürfen also gespannt sein, wie der Generaldirektor seinem Handlungsbedarf gerecht wird.

(Zuerst publiziert auf TheDailyFranz.at )

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