Österreichs Bundeskanzler Kern prägte vor einiger Zeit den Satz: "Politik ist zu 95% Inszenierung" - und meinte das durchaus kritisch. Mittlerweile ist sein Diktum korrekturbedürftig. Politik ist nämlich längst zu 100% Inszenierung - die Form schlägt den Inhalt und der Unterhaltungswert ist die Botschaft. Man könnte frei nach dem großen Medientheoretiker Marshall McLuhan nun auch für die Politik sagen: "The medium is the message". Oder anders formuliert: Wo Politik war, soll Unterhaltung werden.

Ein Amalgam aus Politik und Medien

Das Zusammenfließen von Politik und Medien ist absolut geworden und das eine ist vom anderen kaum mehr zu unterscheiden, weil der politmediale Komplex nur noch ein Amalgam aus oberflächlicher Politdarstellung und williger medialer Verbreitung derselben ist. Was man früher noch als die "Berlusconisierung" der Politik scharf kritisierte, weil der ehemalige italienische Premier die Klaviatur des Medienorgel perfekt beherrschte, indem er einfach seine eigenen Medien politisierte, das ist heute längst der widerspruchslos hingenommene mediale Alltag geworden.

Die öffentlich-rechtlichen Medien in trübem Licht

Auch und vor allem die öffentlich-rechtlichen Medien spielen hier eine ganz problematische Rolle. Bestes Beispiel ist derzeit die ORF-Sendung "Nationalraten", in der jeweils ein politischer Kandidat, der bei den kommenden Nationalratswahlen antritt, im Smalltalk mit einer Moderatorin präsentiert wird. Der Kandidat darf dort im Plauderton seine Polit-Statements zum Besten geben. Gleichzeitig ist die Sendung auch eine Quiz-Show, in der die eifrigen Teilnehmer politische Details aus dem Leben des Kandidaten erraten müssen und dafür belohnt werden. Das Format ist gewissermaßen die Fusion der Millionen-Show mit der politischen Belangsendung einer Partei.

Politik wird so zu einem aus dem TV-Gerät plätschernden Teil des Hauptabendprogramms, das vorwiegend Unterhaltung bieten soll, aber keine Ernsthaftigkeit mehr bieten darf. Die schlimmste Form des sogenannten Politainments ist damit Realität geworden - und kein Politiker hat die "Cojones", dagegen aufzutreten, denn die Politiker sind längst zu den Hanswursten der Medien verkommen.

Freiwillige Polit-Kasperln

Der jetzige Bundespräsident Van der Bellen sagte vor einigen Jahren zu diesem Thema in einem Interview in der Tageszeitung Der Standard: "Wir brauchen uns beide. Sie uns als Kasperln zum Vorführen und wir sie, denn ohne Medien existierst du politisch nicht." Er hat damit den Offenbarungseid der politisch Tätigen geleistet und seine öffentliche Unterwerfung unter die Herrschaft der Medien vollzogen.

Show ist überall

Das Politainment gilt natürlich nicht nur für die Medien, sondern auch für sämtliche Auftritte der Politiker in der Öffentlichkeit. Das Dauerlächeln, das nur allzu oft zu einem zähnefletschenden Grinsen gerät, ist die Grundausstattung des Politikers. Die ernste Miene ist Geschichte, man ist permanent auf "lustig" getrimmt, denn man hat ja einen Unterhaltungsauftrag. Obwohl Politik eigentlich eine ernste, weil lebensbestimmende Angelegenheit ist, wurde die Weisse der gebleckten Zähne und die Haartracht zum Gradmesser ihrer Qualität. Dass die heute so eminent wichtige und dauerpräsentierte dentale Situation im Grunde an Totenschädel erinnert, ist wohl nur Zufall.

Ausnahmen vom Dauer-Gegrinse bilden lediglich die kurzen Szenen des Betroffenheitstheaters, wenn irgendwo einen Katastrophe stattgefunden hat oder ein Terroranschlag Menschenleben forderte. Aber auch das ist, wie der Namen "Betroffenheitstheater" schon sagt, nur Theater. Niemand aus der Polit-Riege ist persönlich betroffen, wenn irgendwo auf der Welt Leute gewaltsam sterben, aber jedes furchtbare oder traurige Ereignis wird mit erstickter Stimme in die Selbstinszenierung eingebaut und per Show vermarktet.

Vor Wahlen wird es schlimmer

"Wahlkämpfe sind Zeiten der fokussierten Unintelligenz", sagte einmal der baldige Polit-Pensionist und Noch-Bürgermeister von Wien, Michael Häupl. Wahlkämpfe sind aber auch die Zeit fokussierter und totaler Inszenierungen. Bestes Beispiel war der Auftritt des Jungstars der österreichische Politik, Sebastian Kurz, in der Wiener Stadthalle, der immerhin größten Show-Arena des Landes.

Wo normalerweise Rockstars ihre Performance bieten, rockte nun Sebastian Kurz die Halle und trat mit einem durchgestylten Show-Programm vor die 10.000 jubelnden Fans. Und natürlich versprach er dort im bombastischen Rahmen die beste Politik für Österreich. "Das ist der größte Wahlkampfauftakt, den das Land je gesehen hat", so Kurz. Der Wiener Bürgermeister war übrigens not amused und grummelte grantige Kommentare dazu.

Der amtierende Kanzler Kern hat übrigens vor längerer Zeit eine ähnliche Show abgezogen: Er trat Anfang des Jahres in der oberösterreichischen Kleinstadt Wels ins rote Rampenlicht und präsentierte dort seinen "Plan A", der längst irgendwo schubladisiert ist.

Events sind keine Politik

Damit sind wir beim zentralen Problem all dieser Polit-Shows und Theaterdarbietungen: Sie sind eben nur Shows für einen Abend und keine ernsthafte politische Arbeit. Die Inhalte sind völlig austauschbar, wenn nur die Scheinwerfer gut funktionieren und am Schluss "We are the Champions" gesungen wird.

Und es ist dem ständig nach Unterhaltung, Zeitvertreib und Events suchenden p.t. Publikum schließlich egal, ob in der Quiz-Sendung Thomas Gottschalk oder ein Politiker auftritt und es ist auch egal, ob die Stadthalle von Sebastian Kurz oder Rod Stewart gefüllt wird. Hauptsache ist: The Show must go on.

(Zuerst publiziert auf meinem Blog www.TheDailyFranz.at )

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