Auf zur fröhlichen Gatterjagd – in einer polizeilichen Sperrzone!

Am Samstag, dem 7. November 2015, wurde ich Zeuge einer Gatterjagd in Österreich, genau genommen im Burgenland, bei Bildein. Ich stand am Gatterzaun auf ungarischem Boden und sah bewaffnete Personen auf den Hochständen sitzen. Eine Reihe von Treibern, im 15 m Abstand quer durch die gesamte Gatterbreite, ging mit großem Lärm und mit Stockschlägen auf die Bäume langsam die Länge des Gatters auf und ab. Dadurch wurden die Tiere im Gatter aufgeschreckt, vor allem Wildschweine, hunderte, sowie zahlreiche Hirsche und zumindest ein Mufflon. Die Wildschweine hatte man vorher eigens für diese Jagd aus einem nahegelegenen Zuchtgatter antransportiert.

Ich konnte die Todesangst in den Augen der Tiere sehen. Überall Geschrei, Schüsse, nirgends Sicherheit. Sie liefen einfach kopflos in totaler Panik auf und ab, den Zaun entlang, dann zwischen den Treibern durch. Und immer wieder Schüsse! Die JägerInnen auf den Hochständen ballerten einfach auf die Tiere, die immer wieder vor ihnen auftauchten, wie in einem Computerspiel. Nur, dass es hier um echte Lebewesen aus Fleisch und Blut geht, um Säugetiere wie Du und ich, um befreundete Wesen, um liebende Mütter, um Geschwister. Die Wildschweine keuchten schwer, als sie ganz dicht an mir vorbeiliefen, der Schaum trat ihnen aus dem Mund. Ich habe schon viele Treibjagden beobachtet, aber so etwas habe ich noch nie gesehen!

Dass ich die panischen Tiere überhaupt zu Gesicht bekam war jedenfalls von der Behörde so nicht geplant gewesen. Man hatte vorsorglich im 200 m Umkreis um das Jagdgatter eine Sperrzone erklärt. Die Landespolizeidirektion schickte ihren besten Mann als Einsatzleiter, Franz Schmickl, Chef des burgenländischen Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung. Es jagte nämlich kein geringerer als Alfons Mensdorff-Pouilly an diesem Tag. Und so wurde er sowohl zum Gatter hin als auch danach nach Hause von einer Polizeieskorte begleitet. Das Haupttor hielten die gesamte Jagd über 13 Polizeifahrzeuge samt Besatzung besetzt, das Nordtor 9 und darüber hinaus wurden einige Straßensperren aufgestellt, dazu Polizeihunde eingesetzt und im Gatter selbst fuhren Polizeifahrzeuge auf und ab. Die TierschützerInnen wollte man abhalten. Also musste ich mich über ungarisches Staatsgebiet dem Gatterzaun nähern. Dort gab es nämlich keine Sperrzone.

Ich habe mit Schmickl gesprochen und er gab später der Burgenländischen Volkszeitung ein Interview. Der VGT würde die Gesetze brechen, Mensdorff-Pouilly nicht. Die mit Gewehren bewaffneten JägerInnen musste man vor den mit Fotokameras bewaffneten TierschützerInnen schützen. Dass es sich bei einer solchen Treibjagd im Gatter um Tierquälerei nach dem Strafgesetzbuch handelt, wie selbst die steirische Tierschutzombudsfrau in einem öffentlichen Statement mutig unterstrich, ist ihm egal. Und dass der Transport von Wildschweinen ins Jagdgatter in den Tagen davor nicht der Tiertransportverordnung entsprach, auch. Die Störer sind die Tierschützer, sie gefährden in seinen Augen den öffentlichen Frieden, auch wenn sie nur vom öffentlichen Grund aus völlig legal Fotos aufnehmen wollen. Nein, meint Schmickl, Tierschutzaktionen wie diese sind Stalking. Und deshalb musste er mich tatsächlich wegen Stalking anzeigen. Der arme Mensdorff-Pouilly würde beharrlich verfolgt, könne nicht ungestört seiner Passion nachgehen, und das sei doch wohl sein Recht!

Oder nicht. Tierschutz geht uns alle an. Was ein Grundbesitzer mit Tieren in seinem Gewahrsam treibt ist nicht Privatsache. Wir, die Öffentlichkeit, müssen das wissen, damit wir auf Basis seriöser Informationen entscheiden können, ob das so sein soll oder nicht. Wir entscheiden, ob die Jagd in einem umzäunten Gehege verboten werden muss. Wir entscheiden, ob der Transport gefangener Tiere zu einem Jagdschauplatz nicht erlaubt sein soll. Wir müssen daher wissen, was so eine Gatterjagd und ein Transport eigentlich bedeuten. Abgesehen davon wäre es die Pflicht der Polizei, dem Verdacht von Tierquälerei nach dem Strafrecht nachzugehen. Auch wenn das Jagdrecht die Gatterjagd erlaubt, kann sie trotzdem, insbesondere in Form einer solchen Treibjagd, strafrechtlich verbotene Tierquälerei sein.

Wieder erleben wir, wie so oft im Tierschutz, dass die Polizei nicht neutral in der Mitte steht und den politischen Konflikt um neue gesetzliche Regelungen ermöglicht. Nein, die Polizei wird instrumentalisiert. Sie läuft ständig Gefahr, ein Werkzeug der Mächtigen zu sein. Und dagegen hilft nur öffentlicher Druck und Ziviler Ungehorsam, Rückgrat und Zivilcourage. Wir lassen uns auch durch Festnahmen – wie an diesem Tag – nicht davon abhalten, die Gatterjagd so zu dokumentieren, wie sie ist. Auch wenn die Terrorbekämpfer das Stalking nennen.

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Regina Spießberger

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