Wie Kinder die Paarbeziehung ändern

Mein Partner und ich waren voller Ideale, reich an Ideen, wie wir unser Leben gestalten wollen, ganz sicher und einig in den Punkten, die wir niemals erleben wollten. Das allerwichtigste war, NUR NICHT SPIEßIG WERDEN, nur nicht so enden wie unsere Eltern!!! Wir wollten immer ausgehen, immer zärtlich zueinander sein, immer über alles reden, ehrlich sein...und sollte sich dies mal verändern würden wir uns lieber schnell und ehrlich trennen bevor wir unglücklich nebeneinander her leben. Mit der Wahl unseres Partners/PartnerIn waren wir auch ganz sicher neue Wege zu bestreiten, denn niemals gleicht mein Partner meiner Mutter oder meinem Vater. Weit gefehlt!!! Und das trotz jahrelanger Selbsterfahrung!!!! Aber das wurde uns erst später klar. Darauf kommen wir später noch.

Zu Beginn stand fest, wir beide arbeiten, kümmern uns um unser Geld selber, sind selbstständig, aufeinander bezogen, aber doch gut voneinander abgegrenzt, einfach ein reflektiertes , modernes Paar, das mit einiger Überheblichkeit davon ausging, dass nichts schiefgehen könnte. Unsere Liebe war perfekt!

Und was fehlte zum großen Glück? Natürlich ein Kind! Bewußt und unbewußt von den Modellen moderner Eltern geprägt, glaubten wir, genau zu wissen, was auf uns zukommt. Wir waren uns einig, wer wie lange beim Kind bleibt, alles sollte gleichberechtigt weiter laufen. Fragen zur Erziehung waren kein Thema, wir gingen davon aus, gleicher Meinung zu sein. Das Kind würden wir schon schaukeln.

Ausserdem gab es ja schon genügend Freunde und Bekannte, wo man genau beobachten konnte, was alles schief ging, so ein Schreihalskind möchte man natürlich nicht, auch fanden wir es entsetzlich, dass die Gesprächsthemen sich nur mehr um Windeln und Blähungen drehen sollten, das wird bei uns sicher ganz anders.

Was tatsächlich passierte... Haben auch sie wahrscheinlich eindrucksvoll erfahren. Um sie nicht mit meiner Geschichte weiter zu langweilen, hier ein paar Ergebnisse einer Studie von Gloger-Tippelt zum Thema „Paare werden Eltern“:

Es handelt sich um ein Phasenmodell das den Übergang von der Paarbeziehung zur Elternschaft beschreibt. Ich finde es sehr heilsam, das was man erlebt, mal ganz nüchtern in Studienergebnissen zu betrachten:

Schwangerschaft und Geburt

Auf der Grundlage der bisher existierenden Forschungsergebnisse wurde von Gloger-Tippelt (1988) ein Phasenmodell des Übergangs zur Erstelternschaft entworfen. Der Übergang zur Elternschaft wird dabei als ein sukzessiver Verarbeitungsprozess verstanden. Die idealtypischen Phasen sollen einer groben Orientierung dienen und die Art dieses Prozesses verdeutlichen.

  • “Verunsicherungsphase” (bis zur 12. Woche der Schwangerschaft):

Erste Erwartungen oder Befürchtungen bezüglich der Schwangerschaft treten auf. Je nach Erwartung oder Erwünschtheit des Kindes variiert das Ausmaß der Verunsicherung. Trotz der heute zur Verfügung stehenden Verhütungsmethoden gibt es immer noch viele ungeplante Schwangerschaften. In diese erste Phase der Verunsicherung gehören körperliche Beschwerden wie morgendliche Übelkeit, Erbrechen und ähnliches, die auf hormonellen Veränderungen beruhen. Das positive oder negative Erleben dieser ersten Zeit hängt wesentlich von der Anteilnahme des Partners ab.

  • “Die Anpassungsphase” (12. bis 20. Woche): Es folgt eine etwas ruhigere Zeitspanne mit einer ersten kognitiven und emotionalen Anpassung. Hierbei spielt das Nachlassen der anfänglichen Schwangerschaftsbeschwerden eine Rolle. Bei ungeplanten Schwangerschaften erfolgt in dieser Zeit eine aktive Anpassung nach der bis zur zwölften Woche gefällten Entscheidung über Fortführung oder Beendigung der Schwangerschaft. Bei lang geplanter Schwangerschaft ist die Anpassung vorbereitet. Die Akzeptierung und positive Bewertung der Schwangerschaft steigt, Ängste nehmen ab.
  • “Konkretisierungsphase” (20. bis 32. Woche): In dieser Phase wird die Verarbeitung vertieft. Wesentlich ist hierbei das erstmalige Registrieren der Kindesbewegungen (um die 19. bis 22. Woche), die ein Gefühl der Freude, Erleichterung und Erfüllung hervorrufen. Die Erwartungen bezüglich der Elternschaft werden wesentlich konkretisiert, es werden langfristige Entscheidungen gefällt und es erfolgt – durch die nun auch äußerlich erkennbare Schwangerschaft – die soziale Anerkennung durch die Umwelt. Die zukünftigen Eltern werden als solche behandelt und auf diese Weise in ihrem Kompetenzgefühl bestärkt. Innerhalb dieser Phase erfolgt auch die allmähliche Bewusstmachung vom Kind als einem selbständigen Wesen (zunächst durch die Mutter).
  • “Phase der Antizipation und Vorbereitung auf die Geburt und das Kind” (32. Woche bis Geburt): Diese Phase ist durch einen Wechsel der Zeitperspektive charakterisiert. Die Eltern rechnen nicht mehr die verstrichene Zeit der Schwangerschaft, sondern orientieren sich an der Zeit, die bis zur Geburt des Kindes verbleibt. In diese Phase fällt auch die berufliche Freistellung der Frau. Häufig werden starke körperliche Beschwerden empfunden. Die Geburt wird als positives wie auch als negatives Erlebnis erwartet. Das heißt, die innere Bereitschaft zur Beendigung der Schwangerschaft ist da, und die Vorfreude auf das Zusammenleben mit dem Kind steigt, auf der anderen Seite verstärken sich die Ängste bezüglich des Verlaufs der Geburt und damit verbundener Schmerzen. Neben der kognitiven und emotionalen Anpassung erfolgt in dieser Zeit auch eine aktive Geburtsvorbereitung durch Teilnahme an Kursen.
  • “Geburtsphase” als Kulminations- und Wendepunkt für die Familienentwicklung: Die Geburt ist nicht nur in biologischer, sondern vor allem in sozialer Hinsicht ein sehr bedeutendes Ereignis, insbesondere hinsichtlich der psychischen Verarbeitung. Das Konstrukt der “Qualität des Geburtserlebnisses” ist hier von entscheidender Bedeutung. Dazu gehört nicht nur Geburtshilfe und Schmerzreduktion, es umfasst ebenso den Aufbau einer Eltern-Kind-Beziehung. Das positive Geburtserleben kulminiert in der ersten Kontaktaufnahme mit dem neugeborenen Kind.
  • “Erschöpfungsphase trotz erstem Glück über das Kind” (bis zum 2. Lebensmonat des Kindes): Diese Zeit ist gekennzeichnet durch eine physische Erschöpfung der Mutter. Hinzu kommen eine drastische Veränderung des Hormonhaushalts sowie die Einstellung auf einen ganz anderen, vom Kind diktierten Tagesablauf. Alles dies verlangt eine große Anpassung auf physischem und psychischem Gebiet. Häufig folgt dieser Erschöpfungsphase auch eine anfängliche Phase euphorischen Glücks über die Ankunft des neuen Erdenbürgers, so dass man auch von den “Baby-Flitterwochen” (Geburt bis 1. Monat) spricht.
  • “Phase der Herausforderung und Umstellung” (2. bis 6. Monat): Hier ist eine zunehmende Gewöhnung an die Elternrolle zu verzeichnen, die besonders durch die fortschreitende Entwicklung des Kindes begünstigt wird (erstes Lächeln des Kindes). Die Partnerbeziehung ist massiven Veränderungen unterworfen. Die eheliche Zufriedenheit sinkt häufig rapide, insbesondere bei den Frauen, meist verursacht durch die erheblich größere Belastung im Haushalt mit häufig anzutreffender asymmetrischer Arbeitsteilung. Diese Phase der Elternschaft wird oft als krisenhaft betrachtet und mit dem Terminus “Erst-Kind-Schock” charakterisiert.
  • “Gewöhnungsphase” (6. Monat bis 1 Jahr): Dieses ist eine Zeit der relativen Entspannung und Sicherheit, aber auch eine Zeit der ersten routinemäßigen Verhaltensweisen gegenüber dem Kind. Eine spezifische Eltern-Kind-Beziehung kristallisiert sich heraus. Das Kind lächelt gezielt und sucht bewusst die Nähe der Bezugsperson. Das “Prinzip der Passung” ist empirisch überprüfbar. Es ist auch eine erste Ernüchterung über die Elternschaft erkennbar.

Gloger-Tippelt (1988) meint, man könne noch weitere Phasen unterscheiden, aber gerade diese Anfangsphasen der Elternschaft seien besonders bedeutsam, da sie gravierende Veränderungen herbeiführen und sehr bewusst von den jungen Eltern erlebt werden. In diesem Sinne kann das erste Jahr mit dem Kind als besonders bedeutsam angesehen werden, auch wenn man sich den Behauptungen der psychoanalytisch orientierten Bindungstheorien nicht anschließen mag, wonach diese erste Zeit zwischen Mutter und Kind sehr weitgehend die weitere kindliche Persönlichkeit formt .

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