Ist Merkels Tanz bald zu Ende?

Nicht viel Beachtung in unseren Medien bekam die neuerliche Ungeheuerlichkeit in den Hemisphären des BND, unseres schnüffelnden Nachbarn. "Laut Recherche" der Süddeutschen Zeitung, NDR und MDR tauchen nun nach eineinhalb Jahren E-mails auf, welche wie Öl ins Feuer gleichen. Statt einer erhofften Pause in Sachen BND, nimmt diese Angelegenheit immer mehr Fahrt auf. Aus den ehemals "Best buddies" Merkel und Obama sowie BND/NSA und nun nur noch mehr "Best friends" offiziell, bekommt das immer mehr eine schiefe Optik von außen. Waren sie früher ein ergänzendes Traumpaar, welches einen stürmischen Tango blind hinlegte, scheint man sich jetzt unabsichtlich auf die Füsse zu treten.

Geht eine Ärä eines deutschen Bundeskanzlers zu Ende?

Wie angeblich gut man wohl recherchiert hatte... immerhin ließen sich die Herren Zeit. Oder hat man sie nun zum Abschuß freigegeben? Man (will) wird es wohl nie (nicht) wissen. Auf jeden Fall steht nun felsenfest schwarz auf weiß mindestens der Vorwurf des Wahlbetruges im Raum. Oder konnte man einfach nicht politisch mit leeren Händen (wieder) nach Deutschland kommen? Merkels Leichtfüßigkeit war in der Vergangenheit schon mal beeindruckender, nun übernimmt den Hauptpart wohl ihr Regierungssprecher Steffen Seibert. Eine gute Figur gibt er mal nicht ab, denn der Druck baut stetig auf statt ab. Mit ein Grund, dass man ein zusätzliches Ventil bräuchte, sind auch die misteriösen Verwicklungen des BND/Verfassungsschutzes in der NSU Affäre. Wenn die Bundeskanzlerin bei dieser beeindruckenden Arena nochmal einen perfekten Tanz "nach bestem Wissen und Gewissen" hinlegt, ohne abzuknicken, dann wäre ich das erste Mal wirklich beeindruckt... aber nur durch ihre Nehmerqualitäten. Waren doch die Absetzung von Köhler und Wulff ein Kinkerlitzchen dagegen. Auf jeden Fall könnte sich unser Kanzler immer noch einiges abgucken..

Bei Interesse des Emailverkehrs zwischen den beiden ermächtigten Unterhändlern Christoph Heusgen u. Karen Donfried:

18. Juli 2013 

“Liebe Karen, 

Ich komme gerade von einer Diskussion mit der Kanzlerin. Sie hat morgen ihre jährliche Pressekonferenz mit den Hauptstadtjournalisten. Hauptthema wird “Prism” sein. Sie bat mich, Ihnen (und dem Präsidenten) zu übermitteln, dass sie vorhat, die folgende Formulierung zu verwenden: Sie wird - auch wenn sie die Kooperation mit den USA loben wird und all die Vorteile, die wir daraus ziehen - dennoch darauf bestehen, dass sie als deutsche Bundeskanzlerin sicherstellen muss, dass deutsches Recht auf deutschem Boden respektiert wird. Sie wird betonen, dass die deutsche Regierung in dieser Sache eng mit den USA zusammenarbeitet. In diesem Zusammenhang streben wir eine offizielle Zusicherung von unseren amerikanischen Freunden an, wonach diese tatsächlich deutsches Recht auf deutschem Boden beachten. 

Nochmals, lassen Sie mich Ihnen die Botschaft übermitteln, dass diese Sache entscheidend bleibt in turbulenten innenpolitischen Zeiten zu einem kritischen Zeitpunkt. 

All the best, 

Christoph”

Bei der anschließenden Bundespressekonferenz sagte Angela Merkel in der Tat fast wörtlich diesen Text auf. Karen Donfried antwortet einen Tag später:

19. Juli 2013 

“Lieber Christoph, 

Ich möchte Ihnen versichern, dass jeder hier die äußerst schwierige Lage der Kanzlerin versteht und sein Allerbestes tun will, um in dieser Lage hilfreich zu sein. Ich habe daran einen Großteil dieses Tages gearbeitet. Die Frage, ob deutsches Recht auf deutschem Boden respektiert wird, müsste durch eine sehr sorgfältige Prüfung und Interpretation der deutschen Gesetze unter Einschaltung von Experten geklärt werden. Bei uns liegt der Fokus natürlich darauf, ob wir das US-Recht einhalten. Unsere Experten fühlen sich nicht dafür gerüstet, die Einhaltung des deutschen Rechts zu beurteilen. 

Ich freue mich darauf, weiterhin eng über all dies in Kontakt zu bleiben. 

All best, 

Karen”

Heusgen sogleich:

19. Juli 2013 

“Liebe Karen, 

Vielen Dank für all Ihre Anstrengungen, um uns zu unterstützen. Wir wissen das sehr zu schätzen. Die Pressekonferenz war okay, aber das Thema wird uns noch weiter verfolgen. 

Die Achtung der deutschen Gesetze auf deutschem Boden bleibt die Schlüsselfrage. Wir wissen natürlich, wie schwierig es ist sicherzustellen, dass sich alle Dienste dementsprechend verhalten; und auch, wie schwierig es ist, genau zu wissen, wie die deutsche Gesetzgebung ist. Ich habe der Kanzlerin von Ihrer Antwort erzählt und der Notwendigkeit zur Einschaltung von Experten. Sie bat uns, Sie mit aller Hilfe zu unterstützen, die Sie brauchen. Wir wären bereit, Experten aus unseren Ministerien zu schicken, die die deutsche Gesetzgebung erklären könnten. Lassen Sie es uns einfach wissen. 

Ich fahre in ein paar Stunden in den Urlaub und bin am 12. August zurück. Mein Stellvertreter Michael Flügger wird die Stellung halten. 

All the best, 

Christoph”

Wie von Heusgen geschrieben, befindet dieser sich nun im Urlaub. Eine Antwort von Donfried erhält dessen Vertretung Michael Flügger rund eine halbe Woche später. Dofried zeigt sich an Heusgens Angebot Fachleute zu entsenden wenig interessiert:

23. Juli 2013 

“Lieber Michael, 

ich wollte mich noch einmal bei Ihnen melden wegen Christophs Frage, ob wir deutsches Recht auf deutschem Boden respektieren. Wir schätzen selbstverständlich sein Angebot, uns Experten zu schicken, um uns über das deutsche Recht auszutauschen, und wir werden darüber nachdenken. Jedoch weisen wir darauf hin, dass unsere Geheimdienste im Fall von gemeinsamen Aktivitäten mit unseren Partnern davon ausgehen, dass diese Partner sicherstellen, dass alle gemeinsamen Aktivitäten den nationalen Gesetzen entsprechen. 

Um die Sicherheit unserer Bürger, Verbündeten und Partner zu schützen, haben die USA wie alle Staaten Fähigkeiten entwickelt, darunter auch geheimdienstliche. Dies hat uns geholfen, nicht nur unser Land vor einer Reihe von Bedrohungen zu bewahren, sondern auch den Rest der Welt. 

All best, 

Karen”

Nun wird die Frequenz Kommunikation merklich geringer. Eine Woche danach schreibt Flügger:

31. Juli 2013 

“Liebe Karen, 

Entschuldigen Sie bitte die späte Antwort. Für uns ist absolut entscheidend, der Parlamentarischen Kontrollkommission erklären zu können, dass die US-Geheimdienste unter keinen Umständen deutsches Recht auf deutschem Boden infrage gestellt haben. Parlamentsmitglieder werden zweifellos die Frage aufwerfen, ob die deutsche Seite über US-Aktivitäten außerhalb von gemeinsamen Aktionen informiert war und ob solche Aktivitäten mit deutschem Recht vereinbar gewesen seien. Da wäre es gut, wenn die US-Seite erklären könnte, dass - falls unilaterale US-Aktivitäten stattgefunden haben - sich diese klar innerhalb des deutschen Gesetzesrahmens bewegten. 

Mit den besten Wünschen, 

Michael”

Eine Antwort bleibt aus. Am 5. August besuchen die Chefs von Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst, der zuständigen Abteilung im Bundeskanzleramt und ein Staatssekretär aus dem Innenministerium die NSA-Zentrale. NSA-Chef Keith Alexander und der “Director of National Intelligence” James Clapper bleiben in dem Gespräch bei wagen, unverbindlichen Andeutungen von möglichen einzurichtenden Arbeitsgruppen. Am 12. August “beendet” Roland Pofalla schließlich die NSA-“Affäre”.

Rund einen Monat später ist Christoph Heusgen zurück aus dem Urlaub und schreibt wieder an Karen Donfried:

14. August 2013 

“Liebe Karen, 

Danke für Ihre Nachricht - und Glückwunsch zu Ihren drei freien Tagen . . . (Da Sie normalerweise samstags und sonntags arbeiten, bekommen Sie im Grunde ja fünf Tage frei . . .) 

Zur Situation hier in Sachen NSA. 

Nach seinem zweiten Treffen mit dem zuständigen Parlamentarischen Kontrollgremium konnte Minister Pofalla - glauben wir - die verschiedenen Stürme beruhigen. Die Medien und die Opposition haben nachgelassen, aber man weiß nie, was als nächstes kommt. 

Was die Vereinbarung, die zwischen der NSA und dem BND (glaube ich) geschlossen werden soll, angeht, wäre es großartig wenn Sie irgendwie öffentlich den Beginn solcher Gespräche/Verhandlungen loben könnten. Das wäre extrem hilfreich. Wir haben es von General Alexander gehört, aber wir (und er selbst wahrscheinlich genauso) brauchen Ihren Segen, um loszulegen. Die Vereinbarung wird ein wenig vereinfachend “no spy” genannt, sie wäre aber in der Substanz weit ausgeklügelter. 

Da wir gerade in die kritische Phase des Wahlkampfes eintreten, müssen wir für den Fall vorausplanen, dass etwas Neues von Snowden kommt. 

Best 

Christoph”

Nun meldet sich ein gewisser “Jim” bei Heusgen. Es handelt sich um Jim Melville, stellvertretender US-Botschafter in Berlin. Dieser ist wenig angetan davon, dass der damalige BundesinnenministerHans-Peter Friedrich (CDU) verkündet hatte, noch vor der Wahl werde eine Vereinbarung unterschrieben wonach die USA Deutschland nicht mehr ausspionieren. Fast zeitgleich gibt der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion,Michael Grosse-Brömer, im taz-Interviewbekannt, die NSA habe Deutschland “zugesichert, dass sie Recht und Gesetz in Deutschland achtet.”

15. August 2013 

“Guten Morgen Christoph, 

ich habe mich über die Äußerungen von Friedrich in der “Rheinischen Post” gewundert. Das wird Washington noch mehr verwirren. 

Christoph, wir beide wissen, dass es wirklich eine große Herausforderung (und vielleicht sogar unmöglich) sein wird, die öffentliche Debatte unter Kontrolle zu halten, aber wir sollten nichts sagen, was die Erklärung möglicher neuer Enthüllungen und den Umgang damit noch schwieriger macht. Richtig? 

Best regards, 

Jim”

Funkstille. Die heiße Wahlkampfphase beginnt. Ungeachtet der Tatsachen, dass sich die US-Amerikaner klar gegen ein No-Spy-Abkommen ausgesprochen haben, wirbt Merkels CDU mit der Ankündigung einer solchen Vereinbarung um Stimmen und gewinnt die Wahl. Das Vorhaben ein No-Spy-Abkommen abzuschließen wird später auch in den Koalitionsvertrag geschrieben.

Am 9. September 2013lügt Regierungssprecher Steffen Seibertauf der Bundespressekonferenz:

“Sowohl der britische als auch der amerikanische Geheimdienst haben uns schriftlich erklärt, dass sie in Deutschland Recht und Gesetz einhalten, und wir haben keinen Grund, an dieser Bestätigung zu zweifeln.”

Zwei Tage später lügt Angela Merkel in der Sendung Kanzlercheck des ARD-Jugendradios:

“Die Amerikaner sind auch bereit, mit uns ein so genanntes No-Spy-Abkommen zu verhandeln, wo wir auch weitere Dinge für die Zukunft festlegen können.”

Am 17. Oktober stellt sich heraus dass die NSA auch das Handy der Kanzlerin abgehört hat. Nach einem Telefonat mit Barack Obama sichert dieser Merkel mündlich zu, dass ihr Handy künftig nicht mehr überwacht wird. Merkel hat ihr No-Spy-Abkommen, allerdings nur für sich persönlich und nur wenn Barack Obama Wort hält. Als Christoph Heusgens Obamas Sicherheitsberaterin und Karen Donfrieds Vorgesetzte Susan Rice fragt, ob auch andere deutsche Spitzenpolitiker abgehört werden, schweigt diese.

Anfang Dezember 2013 versucht Heusgen einen neuen Anlauf:

2. Dezember 2013 

“Liebe Karen, 

vielen Dank für den neuen Entwurf. Hinsichtlich des letzten Punktes würden wir gern einige Änderungen vorschlagen. Wir glauben, es ist ein wenig zu eng, die Verpflichtung, keine Überwachungsmaßnahmen durchzuführen, lediglich auf den Präsidenten und die Kanzlerin zu beziehen. Deswegen würden wir gern eine etwas weitere Formulierung vorschlagen, die auf unsere langwährende und enge bilaterale Beziehung Bezug nimmt. Für uns ist es wichtig, dass die Erklärung klar festlegt, dass wir den jeweils anderen nationalen Interessen nicht schaden. Diese Änderungen wären extrem hilfreich für uns und die weitere Debatte in Deutschland. 

All the best, 

Christoph”

Die Antwort ist auch hier wieder knapp und eindeutig:

4. Dezember 2013 

“Morgen Christoph, 

Grüße von Tag zwei in Brüssel! 

Wie ich schon erwähnte, können wir die vorgeschlagenen Überarbeitungen des letzten Punktes nicht akzeptieren. 

Vielen Dank und beste Grüße 

Karen”

Heusgen versucht es ein letztes Mal am 4. und 7. Dezember 2013:

4. Dezember 2013 

“Hi Karen, 

danke für Ihre Nachricht. Ich weiß, wir sind noch nicht ganz da, was den Text zu unseren Geheimdiensten angeht. Brauchen noch immer ein wenig mehr Substanz von Ihren Leuten. Nachdem die öffentliche Aufmerksamkeit abgelenkt ist (jedenfalls im Augenblick), haben wir ein bisschen mehr Zeit. Wir müssen das mit unserem neuen Koalitionspartner besprechen. Die Regierung wird am 17. Dezember gebildet, wenn alles gut geht. 

Ich werde jetzt für einen Tag nach Pakistan reisen, bin Freitag zurück. 

All the best, 

Christoph” 

7. Dezember 2013 

“Liebe Karen, 

Am Donnerstag habe ich ein erstes Treffen mit unserem neuen Kanzleramtsminister Altmaier und dem neuen Koordinator der Geheimdienste, Staatssekretär Fritsche . . . 

Mein erster Eindruck in den ersten Gesprächen mit den beiden ist folgender: Der Text erfüllt unsere Erwartungen nicht, weil er die Möglichkeit nicht ausschließt, dass die USA deutsche Bürger ohne unsere Zustimmung und ohne unser Wissen ausspäht (korrigieren Sie mich, wenn ich falsch liege). Wir müssen jetzt herausfinden, was besser ist: Eine Vereinbarung zu bekommen, die eine gute Basis liefert für unsere Zusammenarbeit, die aber von der Öffentlichkeit, dem Parlament, etc. kritisiert werden wird - oder eben gar keine Vereinbarung. 

All the best, 

Christoph”

Karen Donfried, sichtlich genervt, antwortet unmissverständlich:

8. Januar 2014 

“Lieber Christoph, 

was Ihre spezielle Frage angeht (“korrigieren Sie mich, wenn ich falsch liege”): Ich kann Sie nicht korrigieren, da Sie recht haben - dies wird kein No-Spy-Abkommen werden, und ich glaube, jeder hier auf unserer Seite hat das auch fortwährend die ganze Zeit über klar zum Ausdruck gebracht. 

Bis morgen 

Karen”

Heusgen kapituliert:

9. Januar 2014 

“Liebe Karen, 

Wie Sie wissen, haben wir den Versuch mit der Aussicht auf den Abschluss eines “No-Spy-Agreement” begonnen. Ich verspreche, diesen Ausdruck zukünftig nicht wieder zu verwenden. Wir haben realisiert, dass wir dieses Ziel nicht erreichen werden. 

Best 

Christoph”

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Silvia Jelincic

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fischundfleisch

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