Das Problem der Linken mit der Wertedebatte

Die Linke redet an sich gerne über Werte. Der Einfallsreichtum, mit der sie aber eine Wertedebatte im Zusammenhang mit der neuen Flüchtlings- bzw. Zuwanderungswelle „abzudrehen“ versucht, ist auf den ersten Blick erstaunlich; er wird aber verständlich, wenn man sich mit der speziellen Psyche des Milieus auseinandersetzt.

Das Weltbild des linken Milieus basiert unter anderem auf folgenden Grundsätzen:

„Es gibt kein Problem mit der Zuwanderung. Das einzige Problem ist, dass die Leute so hässlich über die ‚Ausländer’ reden.“

Das ist praktisch Stand seit 1986, als Haider begann, die Zuwanderungsfrage für sich zu instrumentalisieren.

Und zweitens: „Österreich ist im Prinzip furchtbar: frauen-, fremden- und schwulenfeindlich, antisemitisch, autoritätshörig, verstaubt und verzopft. Es gibt also nichts, das verteidigenswert wäre.“

Eine Wertedebatte verstößt schon im Ansatz gegen beide Grundsätze und macht Angehörige des Milieus von Beginn an unruhig. Entsprechend vielschichtig sind die Versuche, aus dieser Nummer rauszukommen.

Man kann drei Mechanismen unterscheiden.

Da wäre das Ignorieren und Abstreiten. Das ist die „Es gibt kein Problem“-Position in der reinen Ausprägung, die keine Abkehr vom 1986er-Dogma duldet. Konkret lautet die Argumentation: „Schon allein die Tatsache, dass die Menschen in eine Demokratie flüchten, zeigt, dass sie die demokratischen Werte suchen. Es gibt also kein Problem und alleine das darüber Reden schafft welche.“

Der zweite Mechanismus ist jener des „Wegblödelns“. Dieser Ansatzes macht sich dabei zunutze, dass viele Publikationen zur Wertevermittlung im besten Fall ungeschickt, im schlechtesten Fall aber dumm, selbstgerecht und herablassend formuliert sind. So zum Beispiel die Benimmregeln für Flüchtlinge der deutschen Stadt Hardheim, die unter anderem verkündet: "Unsere Notdurft verrichten wir ausschließlich auf Toiletten, nicht in Gärten und Parks, auch nicht an Hecken und hinter Büschen."

Auf Twitter wurde – satirisch durchaus gelungen – ein „außer beim Oktoberfest“ ergänzt, wodurch klar wird: Die Einheimischen sollen sich nicht so über die Zuwanderer erheben – sie brunzen doch genauso in die Büsche! Dadurch habe die Satiriker die Lacher auf ihrer Seite und erreichen bei vielen Menschen dann ihr eigentliches Ziel: Dem Thema den Ernst zu nehmen und es dadurch abzuwürgen.

Es gibt aber noch einen dritten Mechanismus, und das ist quasi der Königsweg:

Jener der Relativierung durch den Verweis auf Missstände in Österreich. Dieser Ansatz hat zwar einen Nachteil – man muss im Prinzip zugeben, dass es auch auf Seiten der Zuwanderer Problematisches gibt –, spielt aber ansonsten alle Stück´ln: Man kann das Thema entschärfen UND zusätzlich auf den Lieblingsfeind  – wahlweise FPÖ oder Österreich als Ganzes – hindreschen.

Und schon geht es los:

„Gleichberechtigung der Frau? Auch die FPÖ hat ein furchtbares Frauenbild! Und bitte, schaut nach Oberösterreich – keine Frau in der Regierung! Schwulenfeindlichkeit? Hallo? Vergessen, wie schäbig Conchita Wurst behandelt wurde? Rechtsstaat? Haha – ich sag nur: Hypo! Steuerbetrug! Und dann wären da noch Umweltverschmutzung, Waffenexport, VW-Skandal, und ich bin noch gar nicht fertig ...“

Das Problem bei diesem Ansatz: Die Relativierungen sind leider eine völlige Themenverfehlung.

Zwar ist es richtig, dass auch die gesellschaftliche Integration von FPÖ-Funktionären und -wählern schwierig genug ist. Aber zumindest hat sich bei ihnen mittlerweile die Einsicht durchgesetzt, dass es in Ordnung ist, wenn Frauen arbeiten gehen und sogar Polizistinnen werden. Und ich denke, dass die meisten von ihnen Homosexualität nicht mehr für eine Krankheit oder eine Art Gotteslästerung halten.

Und natürlich ist Oberösterreich ein Skandal. Nur kommen die Zuwanderer aus Ländern, in denen erstens überhaupt nicht gewählt wird, Frauen prinzipiell aus Führungspositionen ausgeschlossen sind und es keine Medien gibt, die ein etwaiges Fehlen von Frauen in einer Regierung anprangern würden. Und natürlich sind Hypo und Steuerbetrug beschämend, aber: „Alles, was bei uns als ‚Defizit’ oder ‚Missstand’ betrachtet wird, ist dort (Anm. PN.: in den arabischen bzw. islamisch geprägte Ländern) der Normalfall: Korruption, Vetternwirtschaft, Willkür“ (Henryk Broder).

Das bedeutet natürlich nicht, dass jeder Flüchtling reaktionäre Einstellungen hat. Aber diese waren jedenfalls Teil seiner Sozialisation und das bedeutet, dass man Werte zum Thema machen muss.

Die nächste Themenverfehlung ist das das Werte-mäßige Ausspielen von FPÖ-Wählern und Flüchtlingen, vulgo: „Wenn ein FPÖ-ler reaktionär sein darf, dann darf das ein Flüchtling ja wohl auch!“.

FPÖ-Wähler und -Funktionäre sind ein Produkt dieser Gesellschaft, daher ist diese auch für die Reintegration zuständig – wer denn sonst? Es gibt zwar im linken Milieu in der Tat Deportationsphantasien, man denke an den Slogan „Flüchtlinge rein – FPÖ raus“, allerdings: Wohin will man sie schicken? Nach Syrien? Nein, nein, dieses Wählersegment ist auf unserem Mist gewachsen und wir bleiben zuständig. Bei Zuwanderern ist das hingegen nicht automatisch so. Da darf man durchaus beratschlagen, mit welchen Begleitmaßnahmen man wen und wie viele zuwandern lassen will.

 

Es bleibt zusammenzufassen: Egal, ob „Ignorieren“, „Wegblödeln“ oder „Wegreden durch Relativierung“: Alle drei Mechanismen bestechen nicht durch Argumente, sondern allein durch ihr Bemühen, die Diskussion abzuwürgen. Das ist schade, weil so der Rechten der Raum überlassen und ihr sogar der Triumpf gegönnt wird, typisch linke bzw. liberale Werte wie „Frauenrechte“, „Staat vor Religion“ und „Rechtsstaat“ im Mund zu führen.

3
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Martin P.

Martin P. bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:16

liberty

liberty bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:16

fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:16

9 Kommentare

Mehr von Paul Neubauer