Liliya Klassen ist eine russlanddeutsche Mutter von sieben Kindern und lebt in Eberstadt (Baden-Württemberg). Sie spricht Deutsch als Muttersprache, ihre Kinder sind deutsche Staatsbürger. Da ihre Vorfahren ins Russische Reich auswanderten, besitzt Klassen nur einen kasachischen Pass. Sie reiste mit einem Schengenvisum nach Deutschland ein, das eigentlich auf 90 Tage befristet war, und hat keine gültige Aufenthaltsberechtigung. Das Landratsamt Heilbronn fordert nun ihre Ausreise nach Kasachstan, wo sie regulär eine Aufenthaltserlaubnis beantragen soll. Ein Härtefall wurde von Amtsseite nicht anerkannt, unter anderem weil ihre Kinder größtenteils erwachsen sind. Hinzu kommt, dass ihr kasachischer Pass mittlerweile abgelaufen ist.
Bemerkenswert ist, dass die AfD in diesem Fall plötzlich ganz anderes agiert als gewohnt: Statt wie sonst auf der konsequenten Durchsetzung von Ausreisepflichten zu bestehen, stellt sich die Partei demonstrativ hinter Klassen und inszeniert den Fall als Skandal. Diese überraschende Wende legt nahe, dass für die AfD offenbar nicht Gesetze, sondern Herkunft, Hautfarbe und Religion bestimmend dafür sind, wer „bleiben darf“ und wer nicht. Das Vorgehen lässt erkennen, dass die Partei je nach Pass und Biografie durchaus flexibel mit ihren Forderungen nach „konsequenter Abschiebung“ umgeht – und in diesem Fall rassistische Kriterien entscheidenden Einfluss haben.
Während die Fakten zum Fall von Liliya Klassen nüchtern sind, mutet das Verhalten der AfD in diesem Zusammenhang regelrecht grotesk an. Jahrelang forderte die Partei rigorose Abschiebungen „aller Ausreisepflichtigen“, wetterte lautstark gegen angebliche „Laxheit“ der Behörden und stand mit drakonischen Parolen für eine Politik der Härte. Und jetzt? Sobald es um eine russlanddeutsche Mutter geht, die perfekt ins nationale Wunschbild passt, ist all das plötzlich Makulatur. Plötzlich ist der Ruf nach „menschlichen Lösungen“ zu hören – ausgerechnet aus der Partei, die sonst Härte und Formalismus predigt.
Dieses Verhalten ist ein Paradebeispiel für politische Doppelmoral: Wo Menschen mit dunklerer Haut, muslimischem Glauben oder anderen Fluchthintergründen betroffen sind, will die AfD keine Ausnahmen kennen – Gesetz ist Gesetz, da dürfe „kein Auge zugedrückt“ werden. Doch trifft es jemanden, den die AfD augenscheinlich als Teil der eigenen Zielgruppe begreift, werden sämtliche Argumentationsmuster über Bord geworfen. Nun wird kritisiert, dass Behörden das Recht konsequent anwenden, und man inszeniert sich medienwirksam als Schützerin gegen „gnadenlose“ Bürokratie.
Diese Kehrtwende entlarvt die AfD als in höchstem Maße unglaubwürdig. Wer angeblich für Gesetzestreue und Ordnung steht, aber bei eigenen Sympathisanten eine Extrawurst fordert, zeigt: Es geht nicht um Prinzipien, sondern um Willkür. Wer solchen Kräften Regierungsverantwortung übertragen würde, müsste sich darauf einstellen, dass Vorschriften nur dann zählen, wenn sie gerade ins Konzept passen – für „unsere Leute“ werden Schlupflöcher gesucht, während anderen erbarmungslos das Gesetz entgegengehalten wird. Die AfD demonstriert damit ganz offen, dass sie kein Interesse an allgemeingültigen Regeln hat, sondern ihre Politik von rassistischen Vorannahmen und Doppelmoral bestimmt wird.